Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Formel für das Für und Wider

Ob es günstiger ist, eine Immobilie zu kaufen statt zu mieten, verdeutlic­ht das Kaufpreis-Miete-Verhältnis

- Von Monika Hillemache­r

F● ür die meisten Menschen ist der Kauf eines Eigenheims die größte Investitio­n ihres Lebens. Das Projekt bedeutet Schulden über Jahrzehnte hinweg, auch wenn die Zinsen niedrig sind und der Baukredit von der Bank billig. Auf der anderen Seite stehen hohe Immobilien­preise. Vor dem Umzug ins Eigentum steht deshalb die Überlegung an, ob die Familie mit dem Traumhaus finanziell besser dasteht als mit dem Wohnen zur Miete. Wie lässt sich das berechnen?

Zu berücksich­tigen sind unter anderem Einkommen, Kreditkond­itionen, Eigenkapit­al und schließlic­h der mögliche Preis für die eigenen vier Wände sowie die bisherige Miete. Mit diesen Angaben arbeiten auch Immobilien­profis. Sie stellen Kaufpreis und Miete gegenüber, um das Kaufpreis-Miete-Verhältnis zu ermitteln.

Erschwingl­ichkeit abschätzen

Es liefert einen wichtigen Hinweis darauf, ob sich das beabsichti­gte Investment rentiert. Selbstnutz­ern hilft die Kennziffer, die monatliche Belastung und damit die Erschwingl­ichkeit der Immobilie abzuschätz­en. „Je kleiner das Verhältnis von Kaufpreis zu Miete, desto besser“, erläutert Jörg Sahr, Redakteur der Zeitschrif­t „Finanztest“.

Die Berechnung basiert auf der Jahreskalt­miete, zum Beispiel 9600 Euro (zwölf mal 800 Euro). Der Kaufpreis, angenommen 200 000 Euro, wird durch die 9600 Euro geteilt. Im Beispiel ergibt sich ein Faktor von fast 21: Der angehende Eigentümer müsste nahezu 21 Jahre lang 9600 Euro Kaltmiete zahlen, bis der Kaufpreis für eine Wohnung erreicht ist. Verglichen werden Objekte ähnlicher Größe und Ausstattun­g – goldene Wasserhähn­e wären unrealisti­sch. In der Betrachtun­g bleiben Miet- und Kaufnebenk­osten ebenso außen vor wie künftige Mieterhöhu­ngen und Wertsteige­rungen der gewünschte­n Immobilie.

Faktoren um die 20 geben einen ersten Hinweis, dass kaufen besser sein kann als mieten. „Das 20 bis 22fache der Jahresmiet­e ist für Selbstnutz­er ein guter Indikator, dass sie sich die Immobilie leisten können“, sagt Sahr. Die finanziell­e Belastung durch den Erwerb der eigenen vier Wände läge dann kaum oder wenig mehr über der Miete. Vorausgese­tzt, Käufer bringen in ihr Projekt mindestens 20 Prozent Eigenkapit­al ein und tilgen ihr Darlehen über 30 Jahre mit mehr als zwei Prozent.

In Städten ist Sahr zufolge die Relation von Kaufpreis zu Miete vielfach schlechter als in ländlichen Regionen. Vor allem in Städten wie Berlin, Hamburg, München und Frankfurt sowie in Unistädten wird das 25-fache oder deutlich mehr verlangt. Für Selbstnutz­er ist das kritisch, weil sie für Wohneigent­um monatlich merklich tiefer in die Tasche greifen müssen. „Das lohnt dann fast nicht mehr“, bilanziert Sahr. Zu einem ähnlichen Schluss kommt das Hamburger WeltWirtsc­haftsInsti­tut in einer Studie für die Postbank. Demnach fahren Mieter etwa in München besser, weil sie im Schnitt gut ein Viertel ihres Haushaltsn­ettoeinkom­mens für ein 70 Quadratmet­er großes Dach über dem Kopf zahlen, während Käufer 44 Prozent des Einkommens aufwenden müssen. In Köln kommen Mieter mit 20 Prozent des Einkommens besser weg im Vergleich zu Käufern, die 26 Prozent in die Eigentumsw­ohnung stecken.

Sehr niedrigem Faktor misstrauen

Spätestens mit Rentenbegi­nn sollte der Wohnkredit getilgt sein. Dieses Ziel ist mit einem Faktor von beispielsw­eise 30 kaum zu schaffen. Wer mit 40 ein Haus erwirbt, hätte 30 Jahreskalt­mieten aufzubring­en und wäre 70 Jahre alt, bis die Immobilie schuldenfr­ei ist. „Ab einem gewissen Alter ist der Kauf zu einem hohen Faktor nicht mehr überschaub­ar“, meint Katja Meqdam, Projektlei­terin Wohnen beim Immobilien­berater Bulwienges­a in München. Ein besonders niedriger Faktor wiederum sollte misstrauis­ch machen. Er deutet auf Mängel des Objekts oder auf eine Abwanderun­gsgegend hin.

Langfristi­g stehen Käufer nach Ansicht von Jörg Sahr besser da. Sie könnten während der Kreditlauf­zeit mit festen Raten kalkuliere­n und hätten Planungssi­cherheit, während Mieter mit Mieterhöhu­ngen rechnen müssten. Ist die Immobilie abbezahlt, falle noch das Hausgeld an, das in der Regel unter den Ausgaben fürs Wohnen liegt. Dass Mieter erst einmal die Nase vorne haben, liegt an den Kaufnebenk­osten. Diese müssen Erwerber aus Eigenmitte­ln stemmen. Das drückt zunächst kräftig auf das Budget.

Andere Kenngrößen heranziehe­n

Daneben können Selbstnutz­er andere Kenngrößen heranziehe­n, um die Erschwingl­ichkeit auszuloten. Christian Huttenlohe­r vom Deutschen Verband für Wohnungswe­sen, Städtebau und Raumordnun­g empfiehlt, in die Bodenricht­werte der Kommunen zu gucken. Damit ließen sich Kosten für einen Neubau denen eines Altbaus plus Sanierungs­aufwand gegenübers­tellen.

Der Verband der Pfandbrief­banken legt die durchschni­ttliche Kreditsumm­e von 200 000 Euro für eine Eigentumsw­ohnung zugrunde. Würde dieses Darlehen mit zwei Prozent verzinst und mit vier Prozent getilgt, käme pro Monat eine Belastung von 1000 Euro heraus (200 000 mal sechs Prozent = 12 000 Euro pro Jahr, geteilt durch zwölf Monate). Bei einer Kaltmiete in gleicher Höhe rechne sich das Erwerben unter dem Strich. Jörg Sahr drückt das anders aus: „Bei der Auswahl verschiede­ner Objekte ist das Kaufpreis-Miete-Verhältnis das entscheide­nde Kriterium.“(dpa)

Kaufpreis-Miete-Rechner der Stiftung Warentest unter dpaq.de/JOFcD;

Finanztest Spezial: Meine Immobilie. Bauen, kaufen, modernisie­ren. Hrsg. von der Stiftung Warentest. Mai 2018. 10 Euro

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Kann ich mir die Eigentumsw­ohnung leisten? Einen Hinweis kann das Kaufpreis-Miete-Verhältnis geben, das im Prinzip jeder einfach ermitteln kann.

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