Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Annan als Gewissen der Welt gewürdigt
Der ehemalige UN-Generalsekretär ist in seiner Wahlheimat Genf gestorben
GENF (epd) - Die Welt trauert um Kofi Annan. Der ehemalige UN-Generalsekretär starb am Samstag im Alter von 80 Jahren. Er habe „während seines gesamten Lebens für eine gerechtere Welt“gekämpft und sei im Kreis seiner Familie friedlich eingeschlafen, heißt es in der Mitteilung seiner Stiftung. Amtierende und frühere Staatsoberhäupter, Vertreter der Vereinten Nationen und Wegbegleiter nannten den Tod des charismatischen Ghanaers einen schweren Verlust für die Weltgemeinschaft.
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GENF (epd/dpa) - Die Welt trauert um Kofi Annan. Der ehemalige UNGeneralsekretär starb am Samstag im Alter von 80 Jahren. Annan sei im Kreis seiner Familie nach kurzer Krankheit friedlich eingeschlafen, teilte seine Stiftung mit. Amtierende und frühere Staatsoberhäupter, Vertreter der Vereinten Nationen und Wegbegleiter nannten den Tod des charismatischen Ghanaers einen schweren Verlust für die Weltgemeinschaft. In seinem Heimatland gilt ab diesem Montag eine einwöchige Staatstrauer.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobte den ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen als sanften, aber hartnäckigen Kämpfer für Frieden und Menschenrechte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, mit seinen Ideen, seinen aufrechten Überzeugungen und seinem Charisma habe Annan sie und viele andere inspiriert. Annan hinterlässt seine Frau Nane und die drei Kinder Ama, Kojo und Nina. Sie hatten die letzten Tage mit ihm in einem Berner Krankenhaus verbracht.
Annan war am 8. April 1938 im späteren Ghana geboren worden. Seine Eltern stammten aus einer langen Linie traditioneller Herrscher. 1962 begann Annan seine Karriere als Diplomat bei den UN. 1996 wählte ihn die UN-Vollversammlung auf Betreiben der USA als Nachfolger von Boutros Boutros-Ghali zum siebten UN-Generalsekretär. 2001 wurde Annan gemeinsam mit den UN der Friedensnobelpreis verliehen. Seine Amtszeit endete 2006.
An der Spitze der Weltorganisation machte Annan die UN fit für das neue Jahrtausend. Unmittelbar nach seiner Wahl kündigte er eine „stille Revolution an“, zu der die Bündelung humanitärer Aufgaben in der UN-Nothilfekoordination (OCHA) gehörte, die Gründung des Menschenrechtsrats sowie die Verabschiedung der Milleniumsziele, die erstmals verbindliche Vorgaben für die Entwicklung armer und ärmster Länder setzte. In seine Amtszeit fällt auch die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.
Dunkles Kapitel seiner Karriere
Mit dem Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 ereilte ihn eines der dunkelsten Kapitel seiner UN-Karriere. Spannungen zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi führten zum Tod von 800 000 bis einer Million Menschen und Annan brauchte zehn Jahre, um in einem BBC-Interview und später in seinen Memoiren zumindest einen Teil der Verantwortung für den Fehlschlag der Friedensbemühungen zu übernehmen.
Denn der Alarmruf aus dem bitterarmen Staat in Ostafrika hätte lauter nicht sein können: Der kanadische General Romeo Dallaire, damals Oberkommandierender der Blauhelme in Ruanda, hatte vor der Vernichtung der Tutsi-Minderheit gewarnt. Aber Annan stoppte einen von Dallaire geplanten Angriff auf ein Waffenlager, das für den Massenmord genutzt werden sollte, und verwies die Sache auch nicht an den UN-Sicherheitsrat. Annans späteres „Bedauern“und die Aussage, die „internationale Gemeinschaft“– nicht er selbst – habe versagt, kam als Aufarbeitung des Blutbads vergleichsweise schwach daher.
Auch das Massaker an 8000 Muslimen in der bosnischen Stadt Srebrenica im Jahr 1995 – das größte Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg – lastete mit auf Annans Schultern. Dass niederländische Blauhelme das Gemetzel wohl hätten verhindern können, ließ das „Peacekeeping“auf einen neuen Tiefstand fallen. Beide Tragödien verfolgten Annan auch nach seinem Antritt als UN-Generalsekretär 1997. Die von ihm angeordneten Untersuchungsberichte fanden deutliche Kritik am Vorgehen der UN.
Annans Tod betrauerten am Wochenende auch einstige Widersacher. Der ehemalige US-Präsident George W. Bush lobte Annan als einen unermüdlichen Führer der Vereinten Nationen, dessen erfahrene Stimme überall auf der Welt vermisst werde. Michael Pompeo, Außenminister der aktuellen US-Regierung, die den UN kritisch gegenüber steht, hob Annans Wirken für den Frieden in der Welt als Anführer der „Ältesten“hervor, in der er neben Nelson Mandela und anderen Staatsleuten bis zu seinem Tod wirkte. Zuletzt hatte Annan in der Rohingya-Krise in Myanmar ermittelt.
Nach seiner Pensionierung lebte Annan nahe seiner Wahlheimat Genf und engagierte sich über seine Stiftung weiterhin für Frieden in der Welt. 2008 vermittelte er erfolgreich nach schweren Unruhen in Kenia. Den Versuch, im Syrienkrieg zu vermitteln, gab er im August 2012 nach nur wenigen Monaten auf und sprach von einer „unmöglichen Mission“. Dennoch hielt er immer an der Hoffnung auf eine friedliche Welt fest. In einem Interview zu seinem 80. Geburtstag sagte er im April, er sei Zeit seines Lebens Optimist geblieben. Zwar hätten die UN Fehler und Makel. „Aber wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie erfinden.“