Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
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Carlos Santana nimmt 6000 im Wiblinger Klosterhof mit auf eine musikalische Weltreise
Carlos Santana Der alte Mann und seine Gitarre im Klosterhof Wiblingen
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WIBLINGEN - Als der Stern von Carlos Santana 1969 aufging, da war die Rockmusik noch ein einziges, großes Geheimnis. Gitarristen spielten ihre Instrumente mit den Zähnen, sie spielten sie hinter dem Kopf, sie zertrümmerten ihr Instrument oder zündeten es an. Es konnte alles passieren, so wie beim legendären Festival in Woodstock, als ein junger schwarzer Saitenzauberer als Protest gegen den Vietnamkrieg eine grandios verzerrte Version des „Star Spangled Banner“zelebrierte.
Jimi Hendrix war nicht der einzige Virtuose an der Gitarre, der in Woodstock auftrumpfte. Ein 22-jähriger Mexikaner, der mit seiner Familie schon mit 13 nach San Francisco gekommen war, verblüffte mit einem eher ungewöhnlichen Musikstil: Carlos Santana mischte lateinamerikanische Rhythmen mit treibenden Rockgrooves und einem ganz eigenen, unverkennbaren Gitarrenstil, gleichzeitig fließend und packend. Mit eingängigen Stücken wie „Soul Sacrifice“, „Jingo“und „Evil Ways“von seinem Debütalbum „Santana“startete er bei dem dreitägigen Open Air eine Weltkarriere – und auch das Konzert in Wiblingen.
Carlos Santana ist inzwischen 71, aber Woodstock hat er so wenig vergessen wie sein ebenfalls in die Jahre gekommenes Publikum, das ihm immer die Treue hielt und auch für ausverkaufte Konzerte sorgte, als Santana-Alben kaum mehr Käufer fanden. Um 19 Uhr zwölf am Samstagabend tut sich was auf der Bühne im Klosterhof in Wiblingen. Mit alten Tourplakaten der Helden von einst wie Grateful Dead, Jefferson Airplane oder Janis Joplin stimmt Santana die Menge ein auf den Abend. Es folgen Videos alter Liveauftritte, begleitet von Plakat gewordenen Parolen aus den 1960ern wie „Make Love Not War“, „Beende den Krieg, bevor er dir ein Ende bereitet“oder „Gibt es ein Leben nach der Jugend?“
Gibt es. Carlos Santana ist an diesem perfekten Sommerabend der lebende Beweis. Als er mit seiner exzellenten, achtköpfigen Band um 19.30 Uhr loslegt, zeigt sich, dass die prägenden Stücke seiner Frühphase erstaunlich wenig Patina angelegt haben. Mit dem Album „Abraxas“ließ die Santana-Band schon 1970 weitere Großtaten folgen, „Black Magic Woman“und „Oye Como Va“finden auch im Klosterhof Gnade in des Meisters Setlist. Santana präsentiert seinen unorthodoxen Mix aus Rock, Jazz, Salsa und Blues, einen dichtgewebten Teppich aus heißen Rhythmen. Zusammengehalten wird das hochexplosive Gebräu von seinem filigranen Gitarrenspiel. Wie ein Alchimist sorgt Santana dafür, dass die vielen Zutaten am Ende das gewünschte Ergebnis bringen. Faszinierend etwa, wie er aus scheinbar willkürlichen, gefälligen Fingerübungen das Riff von „Black Magic Woman“destilliert. Oder wie er die Fäden wieder zusammenführt, wenn der musikalische Freiheitsdrang seiner Bühnenkollegen die Songs weit weg treibt von ihrem Kern. Nach der famosen ersten Dreiviertelstunde leidet für rund 30 Minuten die Stringenz der zweistündigen Show, Songstrukturen lösen sich mehr und mehr auf, und alles ist nur noch eins: Rhythmus. Vermutlich bedarf es eines Zugangs zur Jazzmusik, um solch freigeistige Übungen goutieren zu können.
Nicht nur, weil sie als Frau hinter dem Schlagzeug thront, ist Cindy Blackmann, Santanas Ehefrau seit 2010, die auffälligste Figur im Line up.
Die 59-Jährige ist eine herausragende Trommlerin, macht sogar aus John Lennons Ballade „Imagine“ein Rhythmusmonster und darf ihre Virtuosität auch bei einem ausgedehnten Solo zeigen.
Make love, not war
Dem Konzert besser bekommt aber die Rückkehr zu einfacheren Mustern. 1999 schaffte Santana nach zwei Jahrzehnten der Dürre mit dem Album „Supernatural“ein phänomenales Comeback, heimste acht Grammys ein. Mehr als 30 Millionen Mal wurde „Supernatural“verkauft, wegen Melodien wie in „Maria Maria“, „Smooth“oder „Corazon Espinada“. Hits, die auch in Wiblingen für Begeisterung sorgen. Fehlte als letzte Zugabe eigentlich nur „Samba Pa Ti“, der Slowfoxtraum aller Pennäler aus dem Jahr 1970. Aber Santana entscheidet sich für „Love, Peace and Happiness“aus seinem jüngsten Album „Power of Peace“, das er mit den Isley Brothers eingespielt hat.
Die Botschaft hat sich nicht geändert seit Woodstock. Vertragt euch! Und genießt das Leben!