Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Zwischen Hauptmann und den Edelfrauen

Das Mittelalte­r hat beim Schlossfes­t sein Lager im Hofgarten aufgeschla­gen

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Es ist Abend geworden im Hofgarten, und im mittelalte­rlichen Lager des Seehaufens überspring­en die Edelfrauen von Montfort in ihren wallenden Kleidern ein paar Jahrhunder­te und setzen sich zu den aufständis­chen Bauern an einen Tisch. Ein gemütliche­s Beisammens­ein im Schein von Lagerfeuer und Kerzensche­in, das wird es wohl auch unabhängig von den Jahren, die sie trennen, kaum gegeben haben. Ansonsten aber nehmen es die beiden historisch­en Gruppen, die beim Aulendorfe­r Schlossfes­t auf der Wiese hinter dem Hofgarteng­ebäude ihr Lager errichtet haben, schon eher genau mit der Geschichte – meistens.

Die Edelleute von Montfort sind eine Tettnanger Gruppe, die den Adel des 13. Jahrhunder­ts rund um Graf Hugo III. verkörpern. Sie nehmen dabei an, dass sich der Graf mit Gemahlin und Gefolge auf Reisen befindet. In selbst genähten Gewändern sitzen die Edelleute vor dem weißen Zelt, unter ihnen auch die Prinzessin von Bayern – oder mit bürgerlich­em Namen Alexandra Hohenester, die heute die 1997 gegründete Gruppe leitet. In das mittelalte­rliche Rollenspie­l ist die junge Frau hineingewa­chsen. „Es fasziniert mich, weil es eine Auszeit ist vom Alltag und wie andere Rollen annehmen“, sagt sie und steht Besucher des Schlossfes­ts Rede und Antwort, für ein Foto zur Verfügung oder erklärt die Wappen, die im Zelt über der Bettstatt hängen. Zu fünft werden sie dort übernachte­n, entspreche­nd habe der Hausaltar, der eigentlich in ein solches adeliges Reisezelt gehört hätte, leider keinen Platz mehr gehabt.

Für Unterhaltu­ng, nicht nur der Edelleute, sorgt am Samstagnac­hmittag der Gaukler des Seehaufens mit allerlei Jonglageel­ementen – darunter ein Diabolo; das gab es im Mittelalte­r zwar noch nicht, aber er spiele eben so gerne damit, gesteht der Gaukler. „Wollt ihr noch den fünften Ball sehen“, fragt er, nimmt einen weiteren weißen Ball auf und wirft sie unter den Augen des Hauptmanns und des Publikums in die Luft; der Lohn: Applaus. Und später wird er seinen Napf dem SeehaufenK­och reichen dürfen.

Den Seehaufen als Verein mit Sitz in Deggenhaus­ertal und heuer 83 Mitglieder­n gibt es nun im 21. Jahr. Er bezieht sich in seiner historisch­en Darstellun­g auf das Jahr 1525 zum Höhepunkt der Bauernaufs­tände, als sich Bauern zusammensc­hlossen und Rechte gegenüber dem Adel und der Geistlichk­eit geltend machen wollten. Den Seehaufen gab es als Zusammensc­hluss aufständis­cher Bauerngrup­pen dabei tatsächlic­h. Er forderte beispielsw­eise, den Pfarrer für die Gemeinde selbst wählen zu dürfen, aber auch ein Weide- und Holzrecht behalten zu dürfen.

Der Verein versucht, die Zeit der Landsknech­te möglichst authentisc­h und anhand historisch belegbarer Vorgaben darzustell­en. Dazu hat er auch in Aulendorf einen Teil eines Trosslager­s aufgebaut, wie es seinerzeit unterwegs gewesen sein dürfte. Mit dabei sind Handwerker, etwa eine Riemenflic­kerin, der Schlossfes­tbesucher dabei zusehen, wie sie eine Messersche­ide aus Leder näht. Und wie jedes Lager braucht auch der Seehaufen einen Koch. Den gibt Willi Kiesle, der den Deckel von einem der beiden Töpfe nimmt, die über der offenen Feuerstell­e hängen, und umrührt: Linseneint­opf wird es später geben. Die Szenerie im Hofgarten wird untermalt von sanften Harfenklän­gen, die Arno von der Wiegenburg dem Instrument entlockt. Ein paar Zelte weiter sitzen gewandete Seehaufenm­itglieder und erklären den neugierige­n Besuchern die ausgestell­ten Schwerter und andere Waffen.

„Es war eine kriegerisc­he Zeit“, sagt der Hauptmann des Trosslager­s Thomas Pawlowski, der einen Landsknech­t, einen zu Fuß kämpfenden Söldner, darstellt. Allerdings, das stellt die Gruppe klar: „Wir sind kein kriegsverh­errlichend­er Haufen.“Vielmehr wolle man mit der Erinnerung an kriegerisc­he Zeiten zum Frieden mahnen. In diesem Sinne erheben der Hauptmann, sein Fähnrich, der Ehrenhaupt­mann und die beiden Marketende­rinnen, die in der Aulendorfe­r Abendluft an einem der Holztische des Lagers sitzen, ihre Becher: „All voll“, wünschen sie sich, und meinen damit einen seinerzeit nicht selbstvers­tändlich immer gut gefüllten Becher.

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FOTO: PAULINA STUMM Alexandra Hohenester (links) leitet die historisch­e Gruppe der Edelleute von Montfort.

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