Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Uwe Hertrampf: Sein Name steht für Toleranz
Urgestein der Grünen in Baienfurt wird 70 Jahre alt – Chef des Denkstättenkuratoriums NS Dokumentation Oberschwaben
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BAIENFURT - 38 Jahre lang war er Lehrer am Gymnasium Weingarten, hat Latein und Geschichte unterrichtet, seit fast 30 Jahren gehörte er dem Baienfurter Gemeinderat an; er ist ein Urgestein der Grünen, ja heute so etwas wie der Doyan des Gremiums, ein gescheiter, toleranter Wortführer, seit zwei Jahren ist er auch Sekretär, Geschäftsführer des Denkstättenkuratioriums NS Dokumentation Oberschwaben, dessen Erinnerungswege mehr als 80 Denkorte miteinander verbinden. Ja, Uwe Hertrampf hat in Baienfurt und weit darüber hinaus eine Menge bewegt. Sein Name steht für Toleranz, Kompromissbereitschaft, Mitmenschlichkeit, auch für Respekt vor dem politischen Gegner. Am heutigen Donnerstag kann Uwe Hertrampf seinen 70. Geburtstag feiern. Auf einer Alm in den Alpen.
Starke Bindung ans Gymnasium
In Oldenburg als Sohn aus Schlesien vertriebener Eltern geboren (auch der Vater war Lehrer), studierte Hertrampf an den Universitäten Bochum und Tübingen Latein und Geschichte, auch Griechisch. Eigentlich eine humanistische Ausbildung. Doch Hertrampf ging an ein allgemeinbildendes Gymnasium, nach Weingarten. „Das war meine Schule“, zieht er Bilanz. Noch heute pflegt er engen Kontakt zu früheren Schülern, noch heute gehe er gerne als Aushilfslehrer an „seine“Schule. Der Kontakt mit den jungen Leuten tue ihm gut.
Hertrampf war früher SPD-Mitglied. Schon 1984 kandidierte er als SPD-Bewerber für den Gemeinderat. Weil schon damals „grün angehaucht“und Sympathisant der Friedensbewegung, gründete er die Partei der Grünen in Baienfurt und kam zusammen mit Rosi Ehinger 1989 erstmals in den Gemeinderat, zeitgleich mit dem langjährigen Bürgermeister Robert Wiedemann. Es müssen schwierige, konfliktreiche Jahre für die Ur-Grünen gewesen sein; denn die damalige konservative Ratsmehrheit hatte mit grünen Umweltund anderen Ideen wenig am Hut. Mittlerweile gehören der Grünen-Fraktion des Baienfurter Gemeinderats immerhin vier Mitglieder an. Ob’s denn noch mehr werden, wird man im Mai 2019 sehen, wenn der neue Gemeinderat gewählt wird, Hertrampf jedenfalls kandidiert wieder. Die Fraktion der Grünen und Unabhängigen, das sei „sein Kind“; sagt er, obwohl er selbst kein Parteimitglied sei. Das ist für ihn eine eher formale Frage, inhaltlich vertrete er aber schon das Programm der Grünen, und mit der Einschätzung, ein Realo zu sein, ist er durchaus einig. Die G+U sei im Blick auf die Gemeinderatswahlen 2019 auf der Suche nach Kandidaten und habe keine Sorge, dass die Liste – 16 Kandidaten und -innen müssen nominiert werden – auch voll werde.
Fast 30 Jahre im Gemeinderat – das verändert Menschen, zumindest solche, die lernfähig sind. Man lerne Toleranz, sagt Uwe Hertrampf. „Ich will Ideen, ich will Wissen vermitteln, die Menschen mitnehmen“. Er akzeptiere aber auch die Persönlichkeit des Anderen, versichert der Pädagoge. Das habe er im Gemeinderat gelernt. Ja, er schätze auch das Engagement eines politisch Andersdenkenden. Und so könne er jeden Gemeinderatskollegen respektieren. Nein, Öl ins Feuer gießen – das wolle er nicht. Reine Emotionalität – das sei Selbstbefriedigung. Man müsse Brücken bauen, müsse seine Meinung aber auch deutlich erklären.
Lokalpolitische Arbeit im Fokus
Die Hertrampfs, die zwei in Chile geborene, inzwischen längst erwachsene Jungen adoptiert haben, sind ein ausgesprochen politisches Paar. Hildegard Fiegel-Hertrampf (Lehrerin wie ihr Mann und ebenfalls schon pensioniert) gehört der GrünenFraktion des Kreistags an. Das sei seine Sache nicht, sagt der Gatte. Ihn reize vielmehr das Kleine, das Lokale, die politische Arbeit vor Ort, die Nähe zu den Menschen.
Als ihn Professor Wolfgang Marcus vor Jahren fragte, ob er sein Nachfolger als Geschäftsführer des Denkstättenkuratioriums werden wolle, habe er zunächst gezögert, bemerkt Hertrampf, dann aber zugesagt; denn man müsse sich etwas zutrauen, auch im Alter, und Heimatgeschichte sei schon immer seine Sache gewesen.
Das Kuratorium betreut ein Netzwerk von Denkorten zwischen Ulm und Hohenems, Grafeneck und Leutkirch. 102 Städte, Gemeinden und Organisationen sind Mitglied. Hertrampf sieht seine Funktion wie ein Lehrer, ein Pädagoge, als Moderator. Man müsse die Bevölkerung mitnehmen, nicht nur die Oberen. Er habe immer die Hoffnung, auch Gegner überzeugen zu können und sie nicht einfach als alte Nazis abzuqualifizieren.
Ein Höhepunkt, eine Blaupause für weitere Aktivitäten sei für ihn die Einweihungsfeier des „Klangsteins“von Andreas Knitz auf dem Baienfurter Marktplatz im November 2017 gewesen. Doch die Arbeit gehe weiter. In Baienfurt existiere eine sehr aktive Arbeitsgruppe, in der auch junge Leute vertreten sind. Jetzt habe man Zeitzeugen auf Video aufgenommen und stelle den Schulen einen Film zur Verfügung. Hertrampf freut sich besonders über die enge Zusammenarbeit mit dem Kreisarchiv. Das Thema, wie Heimatgeschichte und vor allem die Aussagen der Zeitzeugen bewahrt werden können, sei eine ständige Herausforderung.
Broschüre über 80 Denkorte
Zusammen mit dem Studentenwerk Weiße Rose (Vorsitzender ist der frühere Weingartener OB Gerd Gerber) veröffentlichte das Denkstättenkuratorium vor Kurzem eine 152-seitige Broschüre (www.disknsdoku-oberschwaben.de), die alle mehr als 80 Denkorte beschreibt. In einem Grußwort sagt dazu Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Diese Erinnerungswege sind auch deshalb so wichtig, da sie uns immer wieder dazu auffordern, unsere Ideale und Werte entschieden zu verteidigen.“