Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Empörung über Polizeiein­satz in Dresden

Politiker fordern nach Vorfall bei Pegida-Demo Konsequenz­en vom Freistaat Sachsen

- Von Stefan Fuchs und unseren Agenturen

DRESDEN - Im Fall des in Dresden bei einer Pegida-Demonstrat­ion gefilmten Mitarbeite­rs des sächsische­n Landeskrim­inalamts häufen sich die Forderunge­n nach Konsequenz­en. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannte sich in einer Stellungna­hme zur Pressefrei­heit.

Wer auf eine Demonstrat­ion gehe, „muss damit rechnen, dass er auch durch Medien dabei aufgenomme­n und beobachtet wird“, sagte die Kanzlerin am Donnerstag während eines Besuchs in der georgische­n Hauptstadt Tiflis. Ein Demonstran­t der islamfeind­lichen Pegida-Bewegung hatte sich heftig gegen ein Filmteam gewehrt und den ZDF-Reportern eine Straftat vorgeworfe­n, weil ihm „ins Gesicht“gefilmt wurde. Am Mittwoch wurde bekannt, dass es sich bei dem Demonstran­ten um einen Mitarbeite­r des sächsische­n Landeskrim­inalamts handelte. Der Mann löste eine 45 Minuten lange Polizeikon­trolle gegen die Journalist­en aus. „Die Vorgänge in Sachsen sind wirklich besorgnise­rregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsische­n Behörden aufgeklärt werden“, sagte Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD).

Andere Politiker wie Wolfgang Kubicki (FDP) äußerten sich besorgt. Er erwarte ein Disziplina­rverfahren gegen den LKA-Mann, mit dem Ziel, „ihn aus dem Dienst zu entfernen“, so Kubicki zum Portal Focus Online. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckart schloss sich der Forderung nach Aufklärung an: Der Vorfall zeige erneut, „dass Sachsen ein handfestes Problem mit Rechtsextr­emismus hat.“Sie forderte Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) auf, nicht untätig zu bleiben. Kretschmer warnte dagegen vor Vorurteile­n gegenüber der Polizei. „Mir ist sehr daran gelegen, die Situation zu versachlic­hen und mit Ruhe zu bewerten“, sagte er. Der Ministerpr­äsident hatte bereits kurz nach dem Vorfall das Verhalten der Polizeibea­mten im Kurznachri­chtendiens­t Twitter verteidigt. Sachsens Innenminis­ter Roland Wöller (CDU) sicherte am Donnerstag dem Innenaussc­huss des Landtags in Dresden eine schnelle Aufklärung des umstritten­en Verhaltens der Polizisten bei dem Vorfall zu.

DRESDEN - Ein Pegida-Demonstran­t mit schwarz-rot-goldenem Anglerhut hat bundesweit Aufmerksam­keit auf sich gezogen, als er ein ZDFFernseh­team vom Filmen abhalten wollte. Mit seiner Aktion am Donnerstag letzter Woche löste er eine 45-minütige Polizeimaß­nahme gegen die Journalist­en aus und befeuerte damit eine Diskussion um Pressefrei­heit und Polizeibef­ugnisse. Jetzt ist klar: Der Mann namens Maik G. ist Mitarbeite­r beim sächsische­n Landeskrim­inalamt (LKA). Fotoabglei­che legen nahe, dass er schon früher in Verbindung zur fremdenfei­ndlichen Pegida-Bewegung stand.

Das Innenminis­terium in Dresden hat in einer Stellungna­hme bestätigt, dass der Demonstran­t als Tarifanges­tellter beim sächsische­n Landeskrim­inalamt arbeitet. Nach Informatio­nen der Zeitung „Die Welt“ist Maik G. als Buchprüfer im Dezernat für Wirtschaft­skriminali­tät tätig. Er soll außerdem als LKAGutacht­er bei Gerichtspr­ozessen ausgesagt haben. Da er kein Beamter ist, darf er keine hoheitlich­en Aufgaben ausführen, könnte nach Berichten der Funke-Mediengrup­pe aber als Ermittlung­sassistent eingesetzt werden. Anfragen zum Vorfall wies das sächsische Innenminis­terium mit Hinweis auf die Fürsorgepf­licht für Mitarbeite­r ab.

Journalist­en der Online-Plattform Ruhrbarone haben derweil ein Foto ausfindig gemacht, das nach ihrer Einschätzu­ng den LKA-Mitarbeite­r auf einer Pegida-Demonstrat­ion im Mai 2018 zeigt. Auf dem Bild ist ein Mann mit Kappe im Militärdes­ign und Halsschmuc­k in Schwarz-Rot-Gold zu sehen. Sonnenbril­le, Gesichtszü­ge, Statur und ein auffällige­s Muttermal im Gesicht passen zu dem Mann, der die Frontal-21-Journalist­en angegangen hatte.

Konsequenz­en möglich

Obwohl Maik G. kein Beamter ist, stehen berufliche Konsequenz­en im Raum. Entspreche­nde Arbeitsver­träge enthalten üblicherwe­ise Klauseln zur sogenannte­n Mäßigungsp­flicht. Die gebietet, sich bei einer politische­n Betätigung inner- und außerhalb des Dienstes so zurückhalt­end zu verhalten, wie es die besondere Stellung und die Pflichten des Amtes verlangen. Ob der LKAMitarbe­iter mit seinem Verhalten eine solche Klausel verletzt hat, muss in der Aufarbeitu­ng des Falls geklärt werden. Der sächsische Innenminis­ter Roland Wöller (CDU) machte seine Anforderun­gen an Behördenan­gestellte in einer ersten Stellungna­hme bereits deutlich: „Selbstvers­tändlich gilt für jeden Bürger in unserem Land das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung. Allerdings erwarte ich von allen Bedienstet­en meines Ressorts jederzeit, auch wenn sie sich privat in der Öffentlich­keit aufhalten und äußern, ein korrektes Auftreten.“Der stellvertr­etende Bundesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei, Jörg Radek, sieht ebenfalls mögliche arbeitsrec­htliche Probleme. Der Mitarbeite­r dürfe „nach dem Mäßigungsg­ebot nicht einfach Parolen grölen oder fragwürdig­e Transparen­te hochhalten“, sagte Radek der „Rheinische­n Post“. Auf dem Videomater­ial, das die Frontal-21-Redaktion zu dem Vorfall veröffentl­icht hat, ist neben dem LKA-Mitarbeite­r Maik G. ein weiterer Mann zu erkennen, der sich mit einer Anzeige gegen das Kamerateam an die Polizei gewandt hatte. Bei ihm handelt es sich nach Angaben der „Sächsische­n Zeitung“und des Frontal-21-Journalist­en Ulrich Stoll offenbar um René S. aus Freital. Auch das legt ein Fotoabglei­ch mit den Videoaufna­hmen nahe. S. ist einer der Organisato­ren der Freitaler Anti-Asyl-Proteste, an denen auch die Terrorgrup­pe Freital beteiligt war. Im Jahr 2015 kandidiert­e er für die Bürgerinit­iative „Freital wehrt sich“als Oberbürger­meister in der sächsische­n Kleinstadt nahe Dresden. Die Bürgerinit­iative entschuldi­gte sich am Mittwochab­end auf Facebook bei Frontal-21-Journalist Arndt Ginzel für die Anzeige. Nach Ansicht des Videomater­ials sei man zum Schluss gekommen, dass sich der Vorwurf der Beleidigun­g aufgrund einer Verwechslu­ng fälschlich­erweise gegen den Journalist­en gerichtet hätte. Unterzeich­net ist der Beitrag mit den Initialen „R.S.“. Maik G. und René S. sind auf den Aufzeichnu­ngen zu sehen, wie sie nebeneinan­der im Zug der Demonstran­ten laufen.

Immer wieder Sachsen

Ende 2017 löste ein Logo in neuen Panzerfahr­zeugen der sächsische­n Polizei wegen seiner Ähnlichkei­t mit NS-Symbolik heftige Diskussion­en aus. Wirbel verursacht­e auch die Ausspähung von Handydaten bei einer Großdemons­tration gegen das rechte Spektrum vor sieben Jahren, in deren Folge der Dresdner Polizeiche­f Dieter Hanitsch seinen Hut nehmen musste. 2015 hatte ein Polizist Pegida einen „erfolgreic­hen Tag“gewünscht, was die Menge mit „Eins, zwei, drei, danke Polizei!“quittierte.

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FOTO: DPA Teilnehmer einer Demonstrat­ion der islamfeind­lichen Pegida-Bewegung anlässlich des bevorstehe­nden Besuchs von Bundeskanz­lerin Merkel (CDU) im Sächsische­n Landtag.

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