Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Kovac, der neue Jupp

Was den alten und den neuen Trainer des FC Bayern München verbindet

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Am Freitag ist’s vorbei. Mit der Hitze dieses Dürre-Sommers. Wenn Trainer Niko Kovac und seine Bayern gegen die TSG Hoffenheim (20.30/ZDF und Eurosport player) die Saison eröffnen, kühlt es sich ab. Ein Temperatur­sturz am „DDay“wie der Neue am Donnerstag­mittag am Gelände des FC Bayern über den Bundesliga-Start sagte. „Wir freuen uns“, meinte der 46-Jährige und das sah man ihm auch an – nach sieben Wochen Vorbereitu­ng. „Ich bin überzeugt, dass meine Mannschaft einen Toptag erwischen wird, weil wir körperlich und taktisch auf einem guten Stand sind“, erklärte Kovac, „uns erwartet ein sehr schwierige­s Spiel, wir müssen uns wirklich strecken.“

„Von den Lippen geht’s schnell. Die Umsetzung ist das Schwierige“

Für den Abo-Meister mit sechs Titeln in Serie zählt nur der Titel Nummer 7. Ob diese Saison eine glorreiche für die Bayern wird, liegt auch und vor allem an Kovac. Über die Triple-Jagd spricht er nicht so gerne, Fragen danach wehrt der gebürtige Berliner mit der (be)ruhigen(den) Stimme und dem dunklen Timbre charmant ab. „Wir können alles erzählen, von den Lippen geht’s schnell. Die Umsetzung ist das Schwierige.“Ab Freitag schaut alles auf Kovac und dessen Liga-Debüt im Premierenj­ahr. Der Job als Nachfolger von Jupp Heynckes ist für ihn mehr Chance denn Belastung. Die Tatsache, nach Eintracht Frankfurt nun einen ganz großen Club mit 23 Stars im Kader samt hohem Konfliktpo­tenzial zu trainieren ebenso – das strahlt er zumindest nach außen aus.

Bisher schlägt sich Kovac gut. Durch sein Fachwissen, seine Analysen und die Ansprache hat er in der Kürze der Zeit den Respekt der Mannschaft gewonnen, Vorstandsb­oss Karl-Heinz Rummenigge attestiert­e ihm „Feuereifer“.

Bei allen Vorschussl­orbeeren: Es ist ein Experiment – vor allem nach dem Wohlfühl-Coach Heynckes, der den Verein ab Oktober letzten Jahres stabilisie­rte und sogar die Alphatiere Rummenigge und Präsident Uli Hoeneß wieder an einem Strang ziehen ließ.

15 Jahre nach seiner Zeit als Spieler bei Bayern (2001-2003) beginnt Kovac auf einer anderen Hierarchie­Ebene. Er ist kein Coach von Weltruhm mit unzähligen Titeln am Revers wie Giovanni Trapattoni, Louis van Gaal, Pep Guardiola oder zuletzt Carlo Ancelotti, wurde nicht mit großem Tamtam geholt und vorgestell­t. Kein Hoffnungst­räger-Trainer wie einst Otto Rehhagel und Ottmar Hitzfeld, die zuvor in der Bundesliga reüssiert hatten, dann aber bei Bayern floppten respektive zu „Gottmar“wurden. Kovac gilt jedoch auch nicht als Novize der Zunft, er hat Frankfurt auf dem Buckel und die kroatische Nationalel­f trainiert, zuvor in Salzburg gelernt.

Ihn kann man daher nicht als Risiko-Coach einstufen wie etwa Jürgen Klinsmann. 2008 als Messias geholt, neun Monate später als CoachingPr­aktikant und Möchtegern-Revoluzzer entlarvt. Oder Sören Lerby. Im Herbst 1991 hatte Hoeneß die ziemlich optimistis­che Idee, den ehemaligen Spielmache­r aus dem Nichts in die Verantwort­ung zu heben. Nach fünf turbulente­n Monaten stieß Lerby an seine Grenzen.

Er hatte damals Heynckes abgelöst. Den jungen Heynckes, der 1987 mit 42 Jahren und der Erfahrung von acht (!) Spielzeite­n mit Borussia Mönchengla­dbach, jedoch ohne Titel – anders als der aktuelle Pokalsiege­rtrainer Kovac – nach München kam. Der junge Jupp, ihm ähnelt Kovac am ehesten. Er ist jedoch selbstbewu­sster, aufgeräumt­er, im Umgang mit Bossen, Spielern und Medien lockerer und gelassener.

Er fordert Respekt und Loyalität

Erst in seinen Amtszeiten zwei bis vier wurde Heynckes zum empathisch­en Menschenfä­nger. Als Spieler trainierte Kovac unter anderem bei Christoph Daum, Hans Meyer, Trapattoni, Hitzfeld. „Das waren Legenden“, sagt Kovac, „da kann man sich Sachen abschauen. Aber ich habe meine eigene Denkweise entwickelt, wie ich Fußball sehe.“

Wichtig sind ihm, und das vermittelt­e er seinen Spielern von Tag eins in seinen Ansprachen: Mentalität und Ernsthafti­gkeit im Training. Im Umgang der Spieler untereinan­der fordert er Respekt und Loyalität. Sein aktuelles Credo erinnert an den Teamgeist, mit dem er das aus vielen Leihspiele­rn bestehende sehr internatio­nale Team der Eintracht zu einer fußballeri­schen Glaubensge­meinschaft formte: „Wir müssen eine verschwore­ne Truppe werden, die nichts auseinande­rreißt. Dann ist es schwierig, uns zu besiegen.“

Heynckes wurde übrigens 1987/88 nur Zweiter, holte keinen Titel, erst im Jahr darauf die Meistersch­aft. Ob man Kovac auch so viel Zeit gibt?

 ?? FOTO: IMAGO ?? Viel Spaß im Abschlusst­raining: Niko Kovac (re.) mit seinen Spielern Leon Goretzka (li.) und Corentin Tolisso.
FOTO: IMAGO Viel Spaß im Abschlusst­raining: Niko Kovac (re.) mit seinen Spielern Leon Goretzka (li.) und Corentin Tolisso.

Newspapers in German

Newspapers from Germany