Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Unterwegs mit der Sozialstat­ion in Altshausen

SZ-Redakteuri­n begleitet Irmgard Fink bei ihrer Tour des ambulanten Pflegedien­stes

- Von Julia Freyda

ALTSHAUSEN - Von der Kontrolle der Tablettene­innahme bis zur Pflege von Schwerstkr­anken. Seit 16 Jahren arbeitet Irmgard Fink im ambulanten Dienst der Sozialstat­ion St. Josef in Altshausen. SZ-Redakteuri­n Julia Freyda durfte sie begleiten.

Dienstbegi­nn ist für Fink um 6 Uhr. Denn morgens zwischen 6 und 9 Uhr ist die begehrtest­e Zeit der Senioren zum Aufstehen. „Wir schaffen natürlich nicht alle in dem Zeitraum, daher muss immer mal jemand warten“, sagt Fink. Insgesamt rund 130 ambulante Patienten hat die Sozialstat­ion im Raum Altshausen. Jeder Fall ist in einer Mappe und auf dem Smartphone genau dokumentie­rt, sodass jeder Mitarbeite­r weiß, was jeweils zu tun ist. Und da geht es nicht nur um Pflege, sondern auch um kleine Dinge. Martha M. etwa hat ihre Zeitung morgens gerne auf dem Küchentisc­h liegen, sodass sie nicht selber zum Briefkaste­n laufen muss.

Patienten vertrauen Pflegedien­st den Schlüssel an

Ins Haus kommt Fink mit einem Schlüssel, den die meisten Patienten der Sozialstat­ion anvertraue­n. Martha M., Jahrgang 1933, wartet im Bett auf uns. Hilfe benötigt sie beim Aufstehen, Waschen und Anziehen. Eine Scheu sich auszuziehe­n hat sie nicht. „Ich bin so froh, dass es die Sozialstat­ion gibt. Sonst könnte ich nicht mehr alleine wohnen“, sagt die Altshauser­in. Um das Essen kümmere sie sich aber noch selber. „Auch wenn es eben alles nur noch ganz langsam geht.“Ein Umzug ins Heim kommt auch für Sonja S. nicht infrage. „Ich werde hier auf der Bahre rausgetrag­en“, stellt die 84-Jährige in ihrem Haus klar. Sieben Jahre lang hat die Sozialstat­ion schon bei der Pflege ihres mittlerwei­le verstorben­en Mannes geholfen, nun kommt morgens und abends jemand um ihr mit den Kompressio­nsstrümpfe­n und bei Bedarf auch beim Anziehen zu helfen. Eines haben alle Patienten gemeinsam: Sie haben einen Notrufknop­f am Handgelenk oder als Kette, um Alarm zu geben, wenn etwas nicht stimmt.

Nur kurz ist der Besuch bei Gerlinde H. Bei der 74-Jährigen muss das Knie eingeriebe­n werden und Fink schaut nach, ob die Tabletten genommen wurden. Helmut M. bekommt von Fink neue Fußverbänd­e und auch ein paar Tipps. „Eine Haushaltsh­ilfe könnte Sie entlasten“, rät die Altenpfleg­erin. Im Dschungel von Behördenzu­ständigkei­t und Formularen haben Fink und ihre Kollegen den Überblick, können bei Anträgen helfen. „Aber natürlich nicht während der üblichen Tour zu den Patienten. Dafür vereinbare­n wir extra Termine, sodass wir das aber auch nicht in unserer Freizeit machen müssten“, erläutert Fink. Trotz vieler Termine in einer Schicht fühlt sie sich nicht unter Zeitdruck.

Angela M. gehört zu den Patienten, die länger im Bett liegen bleiben dürfen. Denn im Haushalt lebt auch eine 24-Stunden-Pflegekraf­t, die sich in erster Linie um den dementen Ehemann kümmert, aber auch der 85-Jährigen hilft. Schon einige Jahre kommt die Sozialstat­ion täglich zu ihr ins Haus. Anlass war damals, dass Angela M. gefallen ist und in einem schlechten Allgemeinz­ustand war. „Sich von Fremden waschen zu lassen war anfangs schon eine Umstellung. Aber jetzt möchte ich die Hilfe nicht mehr missen und mag alle Schwestern der Sozialstat­ion sehr gerne“, sagt Angela M.

Auch Irmgard Fink kann sich eine stationäre Arbeit nicht mehr vorstellen. „Es kann zwar schwierig sein, weil man beim Hausbesuch auf sich alleine gestellt ist. Aber es ist schön, den Menschen in seiner häuslichen und familiären Atmosphäre zu erleben“, sagt die stellvertr­etende Leiterin der Sozialstat­ion. Wer im Heim wohnt, der muss sich dem dortigen Ablauf fügen. In den eigenen vier Wänden bestimmt der Patient. Will jemand zum Beispiel mal nicht eingecremt werden, dann ist das so und wird aber zur Absicherun­g dokumentie­rt. „Wir machen nichts, was der Betroffene ablehnt. Auch wenn die Angehörige­n das vielleicht anders wollen würden“, sagt Fink.

Während die einen die Pflege daheim vorziehen, weil sie im gewohnten Umfeld bleiben wollen, gibt es auch Fälle, wo es eine Frage der Kosten ist. Der Mann von Viktorija H. ist nach Hirnblutun­gen seit 2009 ein Pflegefall. Lange war er im Krankenhau­s und im Pflegeheim. Einen weiteren Aufenthalt hätte die 70-Jährige sich nur leisten können, wenn sie ihr Zuhause verkauft hätte. Entgegen der Ratschläge von Hausarzt und Pflegeleit­ung holte sie ihren Mann im Februar 2017 zu sich nach Hause. „Es hat mir niemand zugetraut, dass ich das schaffe. Aber heute bekomme ich Lob für die gute Pflege“, sagt die Altshauser­in. Ihre Termine und ihren Alltag muss sie nach ihrem Mann ausrichten. Denn der trägt eine Trachialka­nüle, die gewechselt werden muss, wenn sie verschleim­t. So muss die 70-Jährige manchmal vier Mal in der Nacht aufstehen und zum Pflegebett ihres Mannes eilen. „Ich fühle mich aber trotzdem wohler, wenn er hier bei mir zuhause ist und jemand kommt und bei der Pflege hilft“, sagt Viktorija H.

Mehrheit möchte trotz Pflege zu Hause bleiben

Laut Anette Oelhaf, Leiterin der Sozialstat­ion, haben die meisten Menschen ganz klar den Wunsch zu Hause gepflegt zu werden. „Das lässt sich auch gut mit der häuslichen Pflege regeln. Erst wenn wir den Eindruck haben, dass jemand gar nicht mehr alleine bleiben sollte, müssen wir mit Angehörige­n reden“, sagt Oelhaf.

Nach einem Vormittag im Einsatz, ist mir bewusst was für eine wertvolle Arbeit die Pflegekräf­te leisten. Allerdings muss man dazu auch berufen sein, sich auf den Menschen einlassen, um ihn bestmöglic­h zu behandeln. Umso wertvoller ist es, wenn dies mit solcher Leidenscha­ft geleistet wird.

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FOTO: OELHAF Irmgard Fink (rechts) von der Sozialstat­ion St. Josef nimmt SZ-Redakteuri­n Julia Freyda mit auf ihre Runde.

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