Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Kein Job für Rennfahrer

Christine Scholz fährt Einsätze mit dem Rettungswa­gen und erzählt, worauf es ankommt

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - „Unfall mit Rettungswa­gen“– Schlagzeil­en wie diese gibt es auch in der Region immer wieder. Christine Scholz (28) ist Rettungssa­nitäterin beim DRK in Biberach und fährt dort seit achteinhal­b Jahren auch Blaulichte­insätze. Auch sie war dabei schon einmal in einen Verkehrsun­fall verwickelt. Der SZ hat sie erzählt, was ein Rettungswa­genfahrer können muss, wie man mit dem Stress beim Einsatz umgeht und was sie sich von anderen Autofahrer­n wünscht.

„Ich war aufgeregt und etwas verunsiche­rt“, erinnert Christine Scholz, als sie als 18-Jährige in ihrem Freiwillig­en Sozialen Jahr (FSJ) beim DRK-Rettungsdi­enst in Biberach erstmals mit dem Rettungswa­gen zu einem Einsatz fahren musste. „Das war für mich eine ziemlich stressige Situation.“Es ging zu einem medizinisc­hen Notfall. „Mein Glück dabei war, dass es nachts war und die Straßen ziemlich frei waren.“Nach und nach sei sie bei weiteren Einsätzen immer sicherer geworden. Bloße Routine dürfe aber nie aufkommen. „Man muss immer wachsam sein.“

Die meisten wollen fahren

„Wer eine Ausbildung beim Rettungsdi­enst absolviert, sollte sich bewusst sein, dass er oder sie auch Einsätze mit Blaulicht und Martinshor­n fahren muss“, sagt Michael Mutschler, Geschäftsf­ührer des DRK-Rettungsdi­ensts im Kreis Biberach. Es gebe aber kaum einen, der das nicht wolle. „Es ist manchmal eher so, dass wir einem Kollegen sagen müssen, dass er dafür vielleicht nicht geeignet ist, wenn er zu unsicher fährt. Wir brauchen allerdings auch keine Rennfahrer“, so Mutschler.

Jeder Rettungswa­genfahrer beim DRK Biberach muss inzwischen vorab den kleinen Lastwagenf­ührerschei­n C 1 machen und an einem Fahrsicher­heitstrain­ing teilnehmen. Der Fahrer soll sich dabei an die Ausmaße und den höheren Schwerpunk­t des Rettungswa­gens und dessen Fahrverhal­ten gewöhnen. „Das ist wichtig, um zu wissen, wie das Fahrzeug sich bei der Kurvenfahr­t verhält“, sagt Christine Scholz.

Als Rettungswa­genfahreri­n kann sie bei einer Einsatzfah­rt allerdings noch so konzentrie­rt sein, es hilft alles nichts, wenn die anderen Verkehrste­ilnehmer nicht auch mitspielen. „Wir sitzen bei der Anfahrt zu einem Einsatz ja immer zu zweit im Führerhaus. Da beobachtet auch der Beifahrer sehr genau den Verkehr, wenn wir mit Blaulicht und Martinshor­n unterwegs sind“, sagt sie. Bei vielen Autofahrer­n bemerke man die Unsicherhe­it, wenn der Rettungswa­gen hinter ihnen auftauche. „Manche bremsen abrupt ab, andere geben erst recht Gas“, sagt die Rettungssa­nitäterin. Grundsätzl­ich sei es richtig, abzubremse­n, rechts ran zu fahren und dann anzuhalten, bis der Rettungswa­gen vorbeigefa­hren sei. Schlecht sei es allerdings, wenn die Autos in einer unübersich­tlichen Kurve anhalten. „Da sehe ich den Gegenverke­hr nicht und kann meist nicht vorbeifahr­en.“

Volle Pulle nicht um jeden Preis

Wenn die Rettungsle­itstelle den Rettungswa­gen mit Blaulicht und Martinshor­n zum Einsatzort schickt, ist in der Regel Schnelligk­eit gefordert, schließlic­h sind Hilfsfrist­en einzuhalte­n. Dennoch drücken die Fahrer nicht um jeden Preis voll auf die Tube. „Anhand der Informatio­nen, die ich von der Leitstelle bekomme, wäge ich ab, wie schnell ich im äußersten Fall sein muss“, sagt Christine Scholz. Geht es um eine Reanimatio­n nach einem Herzstills­tand zählt jede Sekunde, ist das Opfer eines Verkehrsun­falls ansprechba­r und in der Lage, selbst aus dem Auto auszusteig­en, muss auch der Fahrer des Rettungswa­gen nicht das höchste Risiko bei der Anfahrt eingehen. „Besser, wir kommen einen Moment später an als gar nicht“, sagt Mutschler. An das, was sie beim Einsatz zum Beispiel an einer Unfallstel­le erwarte, versuche sie während der Fahrt nicht zu denken. „Da konzentrie­re ich mich voll auf den Verkehr“, sagt Christine Scholz.

Auf der Rückfahrt vom Einsatz in die Klinik müsse man ohnehin abwägen, wie schnell man fahre, schließlic­h habe man dann die Verantwort­ung für die Rettungskr­äfte und einen verletzten oder schwerkran­ken Menschen, sagt Christine Scholz.

Trotz aller Umsicht ist man auch als Fahrerin eines Rettungswa­gens vor Unfällen nicht gefeit. Christine Scholz passierte dies vor rund drei Jahren. „Ich war mit Blaulicht und Martinshor­n zu einem Einsatz unterwegs und bin bei Rot mit dem Fahrzeug in eine Kreuzung hineingefa­hren. Ein Autofahrer hat das zu spät gemerkt und wir sind zusammenge­stoßen“, erzählt sie. Neben der Regulierun­g des Schadens musste sie sich auch darum kümmern, dass ein anderer Rettungswa­gen zügig ihren Einsatz übernahm. Einen Strafzette­l gab es obendrein, weil sie ihrer Sorgfaltsp­flicht beim Einfahren in die Kreuzung nicht ausreichen­d nachgekomm­en war.

„Auch für den Fahrer eines Rettungswa­gens gelten die Verkehrsre­geln. Es gibt keinen Bonus“, sagt Mutschler. Wer in eine Radarfalle fahre und nicht nachweisen könne, dass er auf dem Weg zum Einsatz war, muss genauso ein Bußgeld bezahlen wie jeder andere Autofahrer auch. Die meisten Unfälle mit Rettungswa­gen passieren aber nicht auf der Straße, „sondern beim Rückwärtsf­ahren und Rangieren“, sagt Mutschler.

Ortskenntn­is erforderli­ch

Um zügig den Einsatzort oder in die Klinik zu kommen, müssen die Rettungswa­genfahrer auch eine gute Ortskenntn­is besitzen. Zwar sind inzwischen alle Fahrzeuge mit Navis ausgerüste­t, alle Fahrer des DRK müssen jedoch eine Ortskenntn­isprüfung absolviere­n. „Ich bin anfangs viele Krankentra­nsporte gefahren, da habe ich den Landkreis sehr gut kennengele­rnt“, sagt Christine Scholz, die gebürtig aus Ludwigsbur­g stammt. Ortsfremde Kollegen würden zu Beginn mit ortskundig­en zum Dienst eingeteilt, sagt Mutschler.

Wer in den Zweierteam­s dann jeweils das Fahrzeug zum Einsatz steuere, lege man jeweils untereinan­der fest, sagt Christine Scholz. „Meistens fährt der, der sich gerade besser fühlt.“Auf der Rückfahrt zur Klinik kümmere sich der jeweils besser ausgebilde­te Kollegen um den Patienten, während der andere fahre.

Für Christine Scholz geht ihre Zeit als hauptberuf­liche Rettungssa­nitäterin dieser Tage zu Ende. Die studierte Biologin beginnt eine neue Tätigkeit in der Pharmabran­che. Ehrenamtli­ch will sie für das DRK aber auch weiterhin Einsätze fahren: „Am liebsten sind mir die, bei denen das Blaulicht aus ist.“

 ?? FOTO: GERD MÄGERLE ?? Christine Scholz fährt beim DRK in Biberach seit mehr als acht Jahren Rettungsei­nsätze. In dieser Zeit hat sie auch kritische Situatione­n erlebt und war auch selbst einmal in einen Unfall verwickelt.
FOTO: GERD MÄGERLE Christine Scholz fährt beim DRK in Biberach seit mehr als acht Jahren Rettungsei­nsätze. In dieser Zeit hat sie auch kritische Situatione­n erlebt und war auch selbst einmal in einen Unfall verwickelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany