Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der Molldietetunnel ist für viele noch weit weg
Bei Anwohnern des Jahrhundertbauwerks überwiegt die Skepsis, dass das Vorhaben diesmal zügig realisiert wird
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RAVENSBURG - Niemanden von den betroffenen Anwohnern hat die Nachricht vom Stuhl gerissen, dass im nächsten Jahr erneut mit den Planungen für den Molldietetunnel begonnen werden soll. Das zeigt zumindest eine Umfrage der „Schwäbischen Zeitung“zu diesem Thema. Zu vage ist noch die Aussicht, dass in vielleicht 20 Jahren - wie Experten schätzen - der Ost-West-Durchgangsverkehr durch diese Röhre südlich an der Innenstadt vorbeigeleitet wird.
Die Nachbarn zeigten sich dem Mammutprojekt gegenüber zwar grundsätzlich aufgeschlossen, doch Skepsis überwog ganz eindeutig nach dem Motto: Die Botschaft hören wir wohl, allein uns fehlt der Glaube. Verständlich, wenn man weiß, dass vor 30 Jahren schon einmal das Projekt Molldietetunnel im Gespräch war, ohne dass sich seitdem auch nur eine Baggerschaufel bewegt hat.
Dass sich die Hoffnung auf baldige Verkehrsentlastung durch den Tunnel in Grenzen hält, liegt wohl auch daran, dass der exakte Verlauf der Trasse noch längst nicht feststeht. Nur ungefähr ist bekannt, dass der über das Schussental-Viadukt der B 33 ankommende Verkehr parallel zur Jahnstraße und zur Hochspannungsleitung in einer Wanne die Weißenauer/Ravensburger Straße und die Hindenburgstraße/alte B 30 unterqueren und zwischen Kaufland und Teichbau Wiggenhauser im Bannegghang verschwinden soll, um bei Knollengraben wieder an die Oberfläche zu gelangen und die B 32 zu erreichen.
Proteste vor 30 Jahren
Vor 30 Jahren, als sich eine Bürgerinitiative gegen das Projekt formierte, spielten befürchteter Verkehrslärm und Abgase eine große Rolle. Das sieht August Kottmann (70) in der Schillerstraße in Weißenau, der ruhig, aber ziemlich nahe bei einer etwaigen Tunnel-Großbaustelle wohnt, allerdings anders. Ein Lärmproblem befürchtet er im Unterschied zu seinem Nachbarn Dietmar Damaske (69) nicht, weil die Wanne bis auf zehn Meter abgesenkt und der Verkehr kreuzungsfrei geführt werden soll.
Außerdem, so gibt Kottmann zu bedenken, werde in 20 Jahren der Anteil elektrisch betriebener Fahrzeuge beträchtlich sein, die weder Lärm noch Abgase erzeugen. Die Elektrifizierung von Lastwagen werde in den USA bereits so energisch vorangetrieben (weil schwere Batterien für sie kein Problem sind), dass auch der künftige Lkw-Verkehr bei uns in 20 Jahren viel leiser abgewickelt werde. Gleichwohl müsse der Tunnel aber entlüftet werden, räumt er ein. Im Übrigen weist er darauf hin, dass die neue B 30 Süd, die nun bald freigegeben wird, nach seiner Einschätzung etwa die Hälfte des Verkehrs von der Kaufland-Kreuzung aufnehmen wird.
Wie vor 30 Jahren dürfte auch bei der neuerlichen Diskussion des Für und Wider eines Molldietetunnels die geologisch labile Verfassung des ohnehin stark bebauten Bannegghanges eine große Rolle spielen. August Kottmann – „das kann ich letztlich nicht beuteilen“– geht zwar davon aus, dass die Tunnelbauer das heutzutage in den Griff bekommen. Beweissicherungsverfahren hält er aber ebenso wie Dietmar Damaske für notwendig. Klagen gegen das Tunnelprojekt aus Weißenau sehen übrigens beide nicht auf die Tunnelplaner zukommen.
Wohl aber geht Helene Lill im Bucklinweg (Südstadt), eine alteingesessene Ravensburgerin, davon aus, dass von Mitbürgern, die in Hanglage über dem Bereich wohnen, wo in der Tiefe der Tunnel hindurchgetrieben werden soll, gegen das Projekt geklagt wird. „Der ganze Hang ist voll mit Wasser“, weiß sie nur zu gut seit den Tagen ihrer Kindheit. Hat sie es doch erlebt, dass ein jetzt verdolter Bach schon oft übergelaufen ist. „Je mehr an dem Hang gebaut wird, desto größer ist die Gefahr, dass er ins Rutschen kommt.“Schon die bisherige Hochbautätigkeit ist nach ihrer Ansicht kritisch.
Helene Lill verweist in diesem Zusammenhang auf den rechtskräftigen Bebauungsplan von 2012, der für einen Teilbereich am Hang gilt. Darin werden objektbezogene Baugrunduntersuchungen und Beweissicherungsverfahren empfohlen. Sie zitiert Punkt 9: „Nach der geologischen Karte ist die geologische Situation im Plangebiet durch unterschiedliche Bodenschichtung gekennzeichnet, die stark setzungsfähig und betonaggressiv sein können.“Bei Baumaßnahmen werde daher empfohlen, Fachgutachter hinzuzuziehen und Beweissicherungsverfahren durchzuführen. Solche Verfahren, so gibt sie zu bedenken, seien sehr teuer.
Die Journalistin Barbara Müller, die ihr Büro in der Springerstraße hat, also auch nicht weit weg vom künftigen Tunnel, hat sich zu dem Thema umgehört und dabei festgestellt: „Für viele ist das einfach zu weit weg und noch zu nebulös.“Vor allem ältere Mitbürger winken ab: „Das erleben wir sowieso nicht mehr.“Sie hatten sich in der Ära der Oberbürgermeister Karl Wäschle und Hermann Vogler, als das Thema Molldietetunnel schon einmal aktuell war, Hoffnung auf eine Realisierung gemacht – inzwischen nicht mehr. Auch Müller gibt sich keinen Illusionen hin: „Wenn wir in 20 Jahren den Molldietetunnel haben, dann haben wir eine Glanzleistung vollbracht.“Gleichwohl sehnt sie die schnelle Verbindung in Richtung Wangen herbei, denn wenn sie von der Südstadt dorthin fahren muss, kann sie 30 bis 45 Minuten zusätzlich einplanen. Nicht ganz ernst gemeint ist ihr Vorschlag, „alles“, also sowohl die Elektrifizierung der Südbahn, die bekanntlich sieben lange Jahre dauern soll, als auch den Bau des Molldietetunnels doch den Schweizern zu übergeben, denn: „Die zeigen uns, wie sowas geht...“
„Man kann eigentlich noch gar nichts dazu sagen“, meint CDUStadtrat Peter Wagner. Sein Sohn betreibt in Weißenau einen großen Handwerksbetrieb, dessen Mitarbeiter notgedrungen viel preistreibende Arbeitszeit bei Fahrten zu Kunden im Stau vergeuden. Wagner hält das Tunnelprojekt für absolut vorrangig, da der Ost-West- beziehungsweise West-Ost-Verkehr doch „eine einzige Katastrophe“sei. Anstatt allerdings jetzt schon öffentlich eine kontroverse Diskussion loszutreten, hält er es für sinnvoller, zunächst einmal den Planern Zeit zu geben. Liege der Plan vor, müsse er den Bürgern optimal vermittelt werden, denn dann sei er leichter durchzusetzen. Technische Probleme sieht der Stadtrat nicht: „Das bissle Tunnel! Anderswo werden doch ganz andere Projekte verwirklicht!“
Tunnel statt Trasse
Von einer Verschiebung der Trasse nach Süden, die schon vor 30 Jahren gefordert worden war und vielleicht wieder diskutiert werden wird, um keinen kostentreibenden Tunnel bauen zu müssen, hält Wagner übrigens nichts, weil nach seiner Einschätzung eine solche Trasse vom Quellverkehr nicht angenommen werden würde. Schon 1986 hatte der damalige Planer Richard Bendeich vom Regierungspräsidium Tübingen im Technischen Gemeinderatsausschuss davon abgeraten, weil eine solche „Slalomtrasse“nicht funktionieren würde. Der Autofahrer sei nicht bereit „Haken zu schlagen“.
„Die neue B 33 soll über das (Schussental-)Viadukt verlaufen und dann schnurstracks im Molldietetunnel verschwinden“, schrieb damals die SZ. Das hält auch die Weißenauer Stadträtin Margot Arnegger (Freie Wähler) für die vernünftigste Lösung, die sich schon darauf freut, durch den Molldietetunnel in nur fünf Minuten in Knollengraben zu sein und viel weniger Zeit bis zur Autobahn oder nach Wangen zu benötigen. Das Tunnelprojekt bietet ihrer Ansicht nach für Weißenau die große Chance der Verkehrsberuhigung.
Die vom Molldietetunnel unmittelbar betroffenen Unternehmen Möbel Rundel, Teichbau Wiggenhauser und Gärtnerei Buck sahen sich trotz mehrfacher Anfrage zu keiner Stellungnahme in der Lage.