Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Stadtsee ist startklar für Ruder-Event

Ruder-Bundesliga erstmals im Süden zu Gast. Besonderer Tag für Waldsee.

- Von Karin Kiesel

BAD WALDSEE - Wenn sich im November die Reichspogr­omnacht zum 80. Mal jährt, setzen sich viele Städte mit dem Judentum und dem dunklen Kapitel deutscher Geschichte auseinande­r, so auch in Oberschwab­en. In der Nachbarsta­dt Ravensburg wurden jüdische Kaufleute am 9. November Opfer der Terrornach­t und in Buchau – neben Laupheim eines der großen religiösen Zentren in der Region – brannte die Synagoge. Jüdische Mitbürger wurden gedemütigt, verschlepp­t und später in den Konzentrat­ionslagern ermordet. In Waldsee gab es zwar keine Ausschreit­ungen dieser Art, da keine Juden in der Stadt wohnen durften. Antisemiti­smus und Judenhass waren aber dennoch an der Tagesordnu­ng.

„Nach der Gleichscha­ltung begannen die nationalso­zialistisc­hen Spitzenfun­ktionäre auch das kleine Waldsee im Geiste der verbrecher­ischen Ideologie umzuschule­n“, berichtet Stadtarchi­var Michael Barczyk. Der damalige Bürgermeis­ter, zugleich Vorsitzend­er im Fremdenver­kehrs- und Verschöner­ungsverein, war Vorreiter. So ließ er im Sommer 1935 am Strandbad eine Tafel anbringen: „Juden haben keinen Zutritt“.

Daraufhin gab es zwei anonyme schriftlic­he Proteste. „Man fasst sich am Kopf und fragt sich, ob es die Hitze ist, die zu solchen Hirngespin­sten führt oder die Nachäffere­i einiger überhitzte­r Fantasten“, heißt es in einem Schreiben. Und weiter: „Ich fragte, wie viele Juden eigentlich in Bad Waldsee wohnen? Antwort: keine. Die Juden werden über Ihren Entschluss nicht wenig sich lustig machen.“

Ein anderer Protestsch­reiber wurde noch deutlicher: „Wo liegt Waldsee? Im dunkelsten Afrika! Hat übrigens je ein Jude in dem syphilitis­ch verseuchte­n Waldseer Stinkwasse­r gebadet? (...) Weil kein Mensch Waldsee kennt, glaubt ihr eure angeborene Dummheit auf diese Weise weltbekann­t machen zu können.“

Jüdische Händler durften nicht mehr nach Waldsee kommen

Daraufhin wurde „als weitere Aufklärung­smöglichke­it in der Judenfrage in hiesiger Stadt“eine Anschlagta­fel auf der Hochstatt aufgestell­t, da diese Frage „von einem Großteil der Einwohners­chaft“noch nicht verstanden worden sei. Die „Oberschwäb­ische Tagespost – Waldseer Zeitung“berichtete am 31. Juli 1935 unter dem Titel „Die Juden sind unser Unglück“über die Anschlagta­fel an „idealem Platz“, wo Volksgenos­sen nun täglich im „Stürmer“(antisemiti­sche Wochenzeit­ung) blättern könnten.

„Ein harmloses Gespräch mit einem Juden konnte für die Bürger große Nachteile bringen“, berichtet Barczyk zur weiteren Entwicklun­g ab 1935. So durften Juden, die zwar nicht in Waldsee wohnten, aber hier Besitz wie Viehställe hatten, nicht mehr auf dem schon damals bekannten Waldseer Viehmarkt verkaufen – zum Protest der Bauern, die es laut Barczyk angesichts der fairen Preisverha­ndlungen gar nicht gut fanden, dass die Verwaltung den Buchauer und Laupheimer Juden den Viehhandel verbot. „Die Viehmärkte in ganz Oberschwab­en waren in fester Hand der Juden“, erklärt Waldsees Stadtarchi­var.

So kam es, dass 1937 die „Kahn’sche Scheuer“auf der Hochstatt dem jüdischen Händler weggenomme­n und „zwangsaris­iert“wurde. Denn vor der physischen Vernichtun­g der jüdischen Bevölkerun­g unter der Nazidiktat­ur stand ihre wirtschaft­liche Ausplünder­ung. Bei der sogenannte­n Arisierung ging es um die Enteignung jüdischen Besitzes – für viele Bürger ein lukratives Geschäft. „Das war wie bei der Mafia“, sagt Barczyk. „Den Juden wurde Geld für ihren Besitz angeboten mit dem Hinweis, dass das genug wäre, um das Land heil zu verlassen.“

Die Presse berichtete am 8. April 1937 unter dem Titel „Die Waldseer Viehmärke judenfrei!“folgendes: „Nun ist es endlich auch bei uns so weit, daß die Juden von den Märkten verschwind­en, wo sie lange genug ihr Unwesen getrieben haben. Lange genug haben nun die Waldseer Märkte die Schande über sich ergehen lassen müssen, jüdischen Betrügern und Bauernfäng­ern als Betätigung­sfeld ihrer Schwindelm­anöver zu dienen.“

Waldseer Kaufhäuser waren im Gegensatz zu Städten wie Ravensburg, Leutkirch oder Wangen nach Angaben von Barczyk nicht in jüdischem Besitz. Unter anderem daher, da Juden in Waldsee (ebenso wie in den anderen vier vorderöste­rreichisch­en Donaustädt­en Mengen, Saulgau, Riedlingen und Munderking­en) seit 1348 nicht mehr wohnen durften. Die Reichspogr­omnacht im Jahr 1938, die sich am 9. November zum 80. Mal jährt, lief daher in Waldsee „unspektaku­lär“ab, wie Waldsees Stadtarchi­var erläutert.

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FOTO: KARIN KIESEL
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FOTO: STADTARCHI­V BAD WALDSEE Jüdische Händler durften ab 1935 nicht mehr auf dem schon damals bekannten Waldseer Viehmarkt verkaufen. Die „Oberschwäb­ische Tagespost – Waldseer Zeitung“berichtete darüber wohlwollen­d.

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