Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Kabinett verschärft Mietpreisbremse
Mieter bekommen mehr Rechte – Innenstädte sollen für Normalverdiener bezahlbar sein
BERLIN (dpa) - Mieter sollen sich künftig besser gegen überhöhte Mieten wehren können. Dazu brachte das Bundeskabinett am Mittwoch neue Rechte und schärfere Auflagen für Vermieter auf den Weg. Die sogenannte Mietpreisbremse für Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt wird unter anderem mit neuen Auskunftspflichten für Vermieter verschärft, die eine Miete verlangen, die deutlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Die Verschärfung war ein zentrales Anliegen der SPD. Nun kann das Gesetz im Bundestag diskutiert, gegebenenfalls geändert und beschlossen werden. Wenn es nach Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) geht, tritt es Anfang kommenden Jahres in Kraft.
Wenn Vermieter künftig eine Miete verlangen, die mehr als zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegt, müssen sie das gegenüber dem Mieter begründen – etwa mit einer kostspieligen, umfassenden Sanierung. „Tun sie dies nicht, sind die Mieter auch nicht verpflichtet, diese Miete zu bezahlen“, sagte Barley.
In Regionen mit Wohnungsmangel sollen Vermieter demnach nur noch acht Prozent statt wie bisher elf Prozent der Modernisierungskosten auf Mieter umlegen dürfen, dazu gibt es eine Kappungsgrenze von drei Euro Mieterhöhung pro Quadratmeter. Zudem soll es künftig eine Ordnungswidrigkeit sein, eine Modernisierung mit der Absicht anzukündigen oder durchzuführen, die alten Mieter loszuwerden. Mieter haben dann Anspruch auf Schadenersatz, Vermietern droht eine Geldbuße von bis zu 100 000 Euro.
„Die hohen Mieten sind die neue soziale Frage“, kommentierte Barley. „Auch Innenstädte müssen für Normalverdiener weiterhin bezahlbar sein.“Im Grundgesetz stehe „Eigentum verpflichtet“, daran müssten sich auch Finanzinvestoren und Spekulanten halten.
Der Sozialverband VdK begrüßte die Neuerungen, erklärte aber, die Mietpreisbremse allein werde die Not am Wohnungsmarkt nicht lindern. „Mehr sozialer Wohnungsbau und eine dauerhaft gültige Bindung von Sozialwohnungen sind unerlässlich“, urteilte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Der Städte- und Gemeindebund erklärte, der Bedarf an Wohnungen sei zu hoch, als dass Mieter ihre Position durchsetzen könnten.
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BERLIN - Für viele Bürger, besonders in bundesdeutschen Städten, sind steigende Mieten und knapper Wohnraum weiterhin ein großes Problem. Die seit 2015 existierende, sogenannte Mietpreisbremse habe „bislang insgesamt nicht zu den erhofften Wirkungen geführt“, heißt es im Gesetzentwurf von Justizministerin Katarina Barley (SPD), den das Bundeskabinett am Mittwoch beschloss. Die Neuregelung soll die Position der Mieter stärken.
Wie funktioniert die Mietpreisbremse bislang?
Bei Neuvermietung einer Wohnung darf die Miete höchsten zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Damit will die Regierung zu starke Preissteigerungen verhindern, wenn Leute ein- und ausziehen. Das gilt für Gebiete mit „angespannten Wohnungsmärkten“, die die Kommunen festlegen. Aber auch dort gibt es Ausnahmen. So gilt die Zehn-Prozent-Regel nicht für die Erstvermietung in Neubauten und den Vertragsabschluss nach einer umfassenden Modernisierung. Außerdem herrscht Bestandsschutz für Mieten, die die Zehn-Prozent-Grenze bei der Neuvermietung bereits überschreiten, weil die Vormieter sie akzeptiert und bezahlt haben. Eine einmal durchgesetzte Miethöhe muss der Eigentümer nicht reduzieren.
Was soll sich für die Mieter nun verbessern?
Vor allem müssen Vermieter künftig vor Vertragsabschluss mitteilen, dass sie eine Ausnahme in Anspruch nehmen wollen. Dadurch wird mehr Transparenz hergestellt. Die Mieter wissen dann, dass der Preis höher liegt, als die Zehn-Prozent-Grenze erlaubt. Sie können sich leichter dagegen wehren. Bisher tappen sie im Dunkeln. Die Vermieter nennen oft nur den Quadratmeterpreis, begründen ihn aber nicht.
Wenn sich der Immobilienbesitzer beispielsweise auf die Ausnahme beruft, dass bereits die Vormiete beträchtlich über dem Mietspiegel lag, muss er deren genaue Höhe nennen. Diese in Erfahrung zu bringen ist Mietern heute kaum möglich.
Außerdem wird es für die Mieter leichter, eine überhöhte Miete zu rügen. Bislang müssen sie dabei eine detallierte Begründung an den Vermieter schicken, die zu recherchieren und zu formulieren vielen schwer fällt. In Zukunft soll schon eine einfache Rüge ohne eingehende Begründung reichen. Die Beweislast wird umgekehrt. Das hilft Mietern, die vor Gericht ziehen wollen.
Also alles zugunsten der Mieter?
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Nein. Ihre Position wird zwar theoretisch gestärkt. Ob sich das aber praktisch auswirkt, steht auf einem anderen Blatt. Wegen des knappen Angebotes sind Mieter heute bereit, vieles zu akzeptieren, damit sie überhaupt eine Wohnung bekommen. Wahrscheinlich trauen sich viele nicht, selbst eine offenbar überhöhte Miete in Frage zu stellen, um das Verhältnis zum Hauseigentümer nicht zu belasten.
Der Mieterbund kritisiert zudem, dass „alle Ausnahmebestimmungen bestehen bleiben“. Gerade die Preise für Neubauwohnungen sprengen oft den Rahmen, der Bürgern mit normalen Einkommen gesetzt ist. Daran wird sich vorläufig wohl nichts ändern.
Was ist bei Modernisierungen zu beachten?
Auch hier sieht der Gesetzentwurf einige Verbesserungen für die Mieter vor. Während die Hauseigentümer bisher elf Prozent der Modernisierungskosten für eine Wohnung (zum Beispiel neue Fenster, neues Bad, effektivere Heizung) pro Jahr auf die Miete umlegen dürfen, sollen es künftig nur noch acht Prozent sein. Außerdem soll der Quadratmeterpreis durch Modernisierungen um nicht mehr als drei Euro wachsen. Das dürfte vielen Nutzern einige hundert Euro jährlich ersparen. Die Neuregelung gilt allerdings nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt.
Dem Mieterbund geht die Verschärfung nicht weit genug. Er plädiert dafür, „die Modernisierungsumlage bundesweit auf vier Prozent abzusenken“. Haus & Grund, der Verband der Immobilienbesitzer, sagt dagegen, „dass sich diese Änderungen negativ auf den altersgerechten Umbau und die energetische Modernisierung von Mietwohnungen auswirken“. Es werde „Eigentümern fast unmöglich gemacht, ihren Teil zu den Klimaschutzzielen beizutragen“. Das Argument ist hier: Durch eine geringere Umlage und einen niedrigeren Modernisierungsgewinn falle der Anreiz für Investitionen weg.
Ist alles schon beschlossen?
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Nein. Der Gesetzentwurf der Regierung geht nun ins Parlament. Die Union meldete am Mittwoch bereits Bedarf für Überarbeitungen an. Vielleicht fällt die eine oder andere Regelung, die sich zugunsten der Mieter auswirkt, noch weg.