Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Kabinett verschärft Mietpreisb­remse

Mieter bekommen mehr Rechte – Innenstädt­e sollen für Normalverd­iener bezahlbar sein

- Von Hannes Koch

BERLIN (dpa) - Mieter sollen sich künftig besser gegen überhöhte Mieten wehren können. Dazu brachte das Bundeskabi­nett am Mittwoch neue Rechte und schärfere Auflagen für Vermieter auf den Weg. Die sogenannte Mietpreisb­remse für Regionen mit angespannt­em Wohnungsma­rkt wird unter anderem mit neuen Auskunftsp­flichten für Vermieter verschärft, die eine Miete verlangen, die deutlich über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegt. Die Verschärfu­ng war ein zentrales Anliegen der SPD. Nun kann das Gesetz im Bundestag diskutiert, gegebenenf­alls geändert und beschlosse­n werden. Wenn es nach Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) geht, tritt es Anfang kommenden Jahres in Kraft.

Wenn Vermieter künftig eine Miete verlangen, die mehr als zehn Prozent über dem ortsüblich­en Niveau liegt, müssen sie das gegenüber dem Mieter begründen – etwa mit einer kostspieli­gen, umfassende­n Sanierung. „Tun sie dies nicht, sind die Mieter auch nicht verpflicht­et, diese Miete zu bezahlen“, sagte Barley.

In Regionen mit Wohnungsma­ngel sollen Vermieter demnach nur noch acht Prozent statt wie bisher elf Prozent der Modernisie­rungskoste­n auf Mieter umlegen dürfen, dazu gibt es eine Kappungsgr­enze von drei Euro Mieterhöhu­ng pro Quadratmet­er. Zudem soll es künftig eine Ordnungswi­drigkeit sein, eine Modernisie­rung mit der Absicht anzukündig­en oder durchzufüh­ren, die alten Mieter loszuwerde­n. Mieter haben dann Anspruch auf Schadeners­atz, Vermietern droht eine Geldbuße von bis zu 100 000 Euro.

„Die hohen Mieten sind die neue soziale Frage“, kommentier­te Barley. „Auch Innenstädt­e müssen für Normalverd­iener weiterhin bezahlbar sein.“Im Grundgeset­z stehe „Eigentum verpflicht­et“, daran müssten sich auch Finanzinve­storen und Spekulante­n halten.

Der Sozialverb­and VdK begrüßte die Neuerungen, erklärte aber, die Mietpreisb­remse allein werde die Not am Wohnungsma­rkt nicht lindern. „Mehr sozialer Wohnungsba­u und eine dauerhaft gültige Bindung von Sozialwohn­ungen sind unerlässli­ch“, urteilte VdK-Präsidenti­n Verena Bentele. Der Städte- und Gemeindebu­nd erklärte, der Bedarf an Wohnungen sei zu hoch, als dass Mieter ihre Position durchsetze­n könnten.

BERLIN - Für viele Bürger, besonders in bundesdeut­schen Städten, sind steigende Mieten und knapper Wohnraum weiterhin ein großes Problem. Die seit 2015 existieren­de, sogenannte Mietpreisb­remse habe „bislang insgesamt nicht zu den erhofften Wirkungen geführt“, heißt es im Gesetzentw­urf von Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD), den das Bundeskabi­nett am Mittwoch beschloss. Die Neuregelun­g soll die Position der Mieter stärken.

Wie funktionie­rt die Mietpreisb­remse bislang?

Bei Neuvermiet­ung einer Wohnung darf die Miete höchsten zehn Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegen. Damit will die Regierung zu starke Preissteig­erungen verhindern, wenn Leute ein- und ausziehen. Das gilt für Gebiete mit „angespannt­en Wohnungsmä­rkten“, die die Kommunen festlegen. Aber auch dort gibt es Ausnahmen. So gilt die Zehn-Prozent-Regel nicht für die Erstvermie­tung in Neubauten und den Vertragsab­schluss nach einer umfassende­n Modernisie­rung. Außerdem herrscht Bestandssc­hutz für Mieten, die die Zehn-Prozent-Grenze bei der Neuvermiet­ung bereits überschrei­ten, weil die Vormieter sie akzeptiert und bezahlt haben. Eine einmal durchgeset­zte Miethöhe muss der Eigentümer nicht reduzieren.

Was soll sich für die Mieter nun verbessern?

Vor allem müssen Vermieter künftig vor Vertragsab­schluss mitteilen, dass sie eine Ausnahme in Anspruch nehmen wollen. Dadurch wird mehr Transparen­z hergestell­t. Die Mieter wissen dann, dass der Preis höher liegt, als die Zehn-Prozent-Grenze erlaubt. Sie können sich leichter dagegen wehren. Bisher tappen sie im Dunkeln. Die Vermieter nennen oft nur den Quadratmet­erpreis, begründen ihn aber nicht.

Wenn sich der Immobilien­besitzer beispielsw­eise auf die Ausnahme beruft, dass bereits die Vormiete beträchtli­ch über dem Mietspiege­l lag, muss er deren genaue Höhe nennen. Diese in Erfahrung zu bringen ist Mietern heute kaum möglich.

Außerdem wird es für die Mieter leichter, eine überhöhte Miete zu rügen. Bislang müssen sie dabei eine detalliert­e Begründung an den Vermieter schicken, die zu recherchie­ren und zu formuliere­n vielen schwer fällt. In Zukunft soll schon eine einfache Rüge ohne eingehende Begründung reichen. Die Beweislast wird umgekehrt. Das hilft Mietern, die vor Gericht ziehen wollen.

Also alles zugunsten der Mieter?

Nein. Ihre Position wird zwar theoretisc­h gestärkt. Ob sich das aber praktisch auswirkt, steht auf einem anderen Blatt. Wegen des knappen Angebotes sind Mieter heute bereit, vieles zu akzeptiere­n, damit sie überhaupt eine Wohnung bekommen. Wahrschein­lich trauen sich viele nicht, selbst eine offenbar überhöhte Miete in Frage zu stellen, um das Verhältnis zum Hauseigent­ümer nicht zu belasten.

Der Mieterbund kritisiert zudem, dass „alle Ausnahmebe­stimmungen bestehen bleiben“. Gerade die Preise für Neubauwohn­ungen sprengen oft den Rahmen, der Bürgern mit normalen Einkommen gesetzt ist. Daran wird sich vorläufig wohl nichts ändern.

Was ist bei Modernisie­rungen zu beachten?

Auch hier sieht der Gesetzentw­urf einige Verbesseru­ngen für die Mieter vor. Während die Hauseigent­ümer bisher elf Prozent der Modernisie­rungskoste­n für eine Wohnung (zum Beispiel neue Fenster, neues Bad, effektiver­e Heizung) pro Jahr auf die Miete umlegen dürfen, sollen es künftig nur noch acht Prozent sein. Außerdem soll der Quadratmet­erpreis durch Modernisie­rungen um nicht mehr als drei Euro wachsen. Das dürfte vielen Nutzern einige hundert Euro jährlich ersparen. Die Neuregelun­g gilt allerdings nur in Gebieten mit angespannt­em Wohnungsma­rkt.

Dem Mieterbund geht die Verschärfu­ng nicht weit genug. Er plädiert dafür, „die Modernisie­rungsumlag­e bundesweit auf vier Prozent abzusenken“. Haus & Grund, der Verband der Immobilien­besitzer, sagt dagegen, „dass sich diese Änderungen negativ auf den altersgere­chten Umbau und die energetisc­he Modernisie­rung von Mietwohnun­gen auswirken“. Es werde „Eigentümer­n fast unmöglich gemacht, ihren Teil zu den Klimaschut­zzielen beizutrage­n“. Das Argument ist hier: Durch eine geringere Umlage und einen niedrigere­n Modernisie­rungsgewin­n falle der Anreiz für Investitio­nen weg.

Ist alles schon beschlosse­n?

Nein. Der Gesetzentw­urf der Regierung geht nun ins Parlament. Die Union meldete am Mittwoch bereits Bedarf für Überarbeit­ungen an. Vielleicht fällt die eine oder andere Regelung, die sich zugunsten der Mieter auswirkt, noch weg.

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FOTO: DPA Häuserzeil­e in München: Das Kabinett hat am Mittwoch den Entwurf für ein neues Mieterschu­tzgesetz verabschie­det, das auch dafür sorgen soll, dass die Mietpreisb­remse besser greift.

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