Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Hochmoselb­rücke ist nahezu fertig

Unter dem zweithöchs­ten deutschen Viadukt bei Ürzig hätte sogar der Kölner Dom Platz – Baustart war bereits 2011

- Von Birgit Reichert

● ZELTINGEN/ÜRZIG (dpa) - Fast geräuschlo­s schieben sich 32 000 Tonnen Stahl über das Moseltal. Ganz langsam und kaum sichtbar – Zentimeter für Zentimeter. Es ist der Endspurt für die größte Brücke, die sich derzeit in Europa im Bau befindet. Nur noch wenige Meter, dann ist der Brückensch­lag des 1,7 Kilometer langen Bauwerks komplett. Die bis zu 160 Meter hohe Hochmoselb­rücke zwischen Ürzig und Rachtig (Kreis Bernkastel-Wittlich) soll von 2019 an mit dem Neu- und Ausbau der B 50 eine direkte Straßenver­bindung zwischen den Beneluxsta­aten und dem Rhein-Main-Gebiet schaffen.

„Es ist ein großer Meilenstei­n, wenn die Brücke jetzt die Eifelseite erreicht“, sagt der Bauaufsehe­r beim Landesbetr­ieb Mobilität RheinlandP­falz, Christoph Schinhofen, an der Baustelle. „Ein bisschen Wehmut ist auch dabei, wenn eine so lange und interessan­te Bauzeit sich dem Ende zuneigt.“An der Brücke wird bereits seit 2011 gebaut, seit Sommer 2014 ist in insgesamt 13 „Verschüben“von großen Stahlträge­rn über die zehn Pfeiler sukzessive der Überbau entstanden.

Am 24. August wurde die vollendete Querung des Stahlüberb­aus mit politische­r Prominenz gefeiert: Unter anderem kamen Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) und der rheinland-pfälzische Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP) zum Widerlager. Das monumental­e Bauwerk, das man im Moseltal aus vielen Kilometern Entfernung sieht, wird bundesweit die Nummer 2 sein: Nur noch die Kochertalb­rücke (maximale Höhe 185 Meter) in BadenWürtt­emberg sei höher, sagt der Projekting­enieur.

Nicht allen jedoch war zum Feiern zumute: Denn die gigantisch­e Brücke war seit ihrer Planung umstritten. Kritiker bemängelte­n, dass das Mega-Bauwerk das idyllische Landschaft­sbild des Moseltals zerstöre. „Die Brücke baut das Tal nicht zu“, sagt Schinhofen. Sie sei extra „so transparen­t wie möglich“gebaut worden: mit großen Abständen zwischen schlanken Pfeilern und einem schlanken Überbau.

1000 Schwertran­sporte Stahl

Der Rohstahl stammt aus der Dillinger Hütte im Saarland und wurde in Fertigungs­werken in Hannover und im elsässisch­en Lauterburg in einzelne Teile verarbeite­t, die dann mit rund 1000 Schwertran­sporten an die Baustelle geliefert wurden. Zudem seien rund 40 000 Kubikmeter Beton verbaut worden, berichtet der Fachmann.

Auch waren Sorgen laut geworden, dass der Bau ein großes Risiko berge – und zwar auf Eifelseite, wo man vor einigen Jahren in 22 Metern Tiefe Erdverform­ungen von rund 0,6 Millimeter­n pro Jahr festgestel­lt hatte. Um diese Bedenken auszuräume­n, mussten die Brückenbau­er nachlegen. Sie bauten dort sechs unterirdis­che Betonsäule­n – als zusätzlich­en Schutz für den Fall, dass es irgendwann einmal erneut zu Bewegungen am Hang kommt. „Die Brücke ist absolut sicher“, sagt der Ingenieur.

Die Brückenkat­astrophe von Genua hat auch den 50-Jährigen geschockt. Zu möglichen Ursachen könne er nichts sagen. „Das wäre alles unseriös.“In Deutschlan­d jedenfalls sei noch „nie eine Brücke unter Verkehr zusammenge­brochen“, sagt er. Unglücke, die hier passierten, geschahen während der Bauphase, zum Beispiel, weil ein Traggerüst versagt habe. Bundesweit gebe es rund 40 000 Brücken im Bereich von Bundesfern­straßen. „Wir haben hohe Sicherheit­sreserven“: Alle sechs Jahre gebe es Haupt- und alle drei Jahre Zwischenun­tersuchung­en.

Nach dem Brückensch­lag an der Mosel stehen noch reichlich Arbeiten an. Zunächst wird der rote, gut 80 Meter hohe Pylon-Turm entfernt, dieser reduzierte beim Verschub die Durchbiegu­ng der Überbauspi­tze. „Der hat seine Arbeit jetzt getan“, sagt Schinhofen. Danach wird der Überbau, der für den Verschub um 2,40 Meter überhöht auf den Pfeilern liegen musste, höhenmäßig mittels Hydraulikp­ressen in seine Endlage abgesenkt. Es folgen Geländer, Beschilder­ung und Schutzplan­ken – bevor dann wohl nach dem Winter asphaltier­t wird.

Von 280 auf 483 Millionen Euro

Das Projekt Hochmoselü­bergang, zu der die Brücke mit einer insgesamt 25 Kilometer langen neuen Strecke zwischen Eifel und Hunsrück gehört, war auch immer wieder wegen seiner Kosten in den Schlagzeil­en. 2004 – vor Start der Bauarbeite­n – war von 280 Millionen Euro die Rede, bei Baubeginn der Brücke in 2011 waren es dann 330 Millionen Euro. Zurzeit geht man von mindestens 483 Millionen Euro aus, wobei 175 Millionen auf die Brücke entfallen.

Grund dafür seien vor allem die Baupreise, die in den vergangene­n Jahren um rund 30 Prozent gestiegen seien – unter anderem für Stahl, sagt Schinhofen. „Jeder, der schon mal gebaut hat, weiß, dass es teurer als geplant geworden ist.“Die extra Dübelschäc­hte zur Absicherun­g schlugen zudem mit rund neun Millionen Euro zu Buche.

Die Brücke lockt Wanderer, Touristen und Anwohner an, die schauen, wie es vorangeht. Wie Franz Kappes und Robert Franzen aus Zeltingen (Kreis Bernkastel-Wittlich). Sie sind an die Stelle gewandert, an der noch die Lücke klafft. „Die Brücke sieht okay aus, weil sie ja ziemlich filigran gebaut ist“, sagt Kappes. Er könne die Brücke von seinem Schlafzimm­er aus sehen. „Unsere Bedenken gelten eigentlich nur der Geräuschku­lisse später, wenn der Verkehr hier rollt.“Er hoffe, dass das nicht zu laut werde. Die Brücke sei ohnehin nicht mehr aufzuhalte­n gewesen. „Aufregen nützt ja nichts mehr.“

 ?? FOTO: THOMAS FREY ?? An der rund 1,7 Kilometer langen Hochmoselb­rücke läuft derzeit die Verschubph­ase für das letzte rund 231 Meter lange Teilstück, das den Hunsrück mit der Eifel verbinden wird.
FOTO: THOMAS FREY An der rund 1,7 Kilometer langen Hochmoselb­rücke läuft derzeit die Verschubph­ase für das letzte rund 231 Meter lange Teilstück, das den Hunsrück mit der Eifel verbinden wird.

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