Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wenn es auf der Gondel romantisch wird

Immer mehr Flusskreuz­fahrtschif­fe fahren in Bayern Touristen von Stadt zu Stadt – Das machen sich zwei Bamberger zunutze

- Von Kathrin Zeilmann

BAMBERG (lby) - Dass durch das historisch­e Fischervie­rtel eine Gondel schippert, ist nicht allzu abwegig – schließlic­h wird der Stadtteil auch Klein-Venedig genannt, weil die historisch­en Fachwerkhä­user dicht ans Ufer gebaut sind. Bambergs Gondolieri heißen Jürgen Riegel und Norbert Jobst. Die Gondel – original hergestell­t in Venedig – ist eine von vielen touristisc­hen Attraktion­en in der Welterbest­adt. Und der Fluss spielt im Tourismusa­ngebot Bambergs sowieso eine wichtige Rolle: Einst haben die stolzen Bamberger Bürger ihr Rathaus mitten in die Regnitz auf eine kleine Insel gebaut, heute ist der Bau ein viel fotografie­rtes Wahrzeiche­n der Stadt.

Aber zurück auf die Gondel: Jürgen Riegel (59) war früher in der Mittelalte­rszene aktiv und gab DraculaSho­ws. Eines Abends in den 90erJahren saß er mit einem Bekannten am Regnitzufe­r und kam auf die Idee, die Show aufs Wasser zu verlagern. Dann kam ihm der Einfall mit der Gondel. „Aus einer Bierlaune heraus.“

Doch bald wurde es ernst – bis man das Steuern einer Gondel beherrscht, dauere es Jahre, sagt Riegel. „Das ist eine aufwendige Geschichte.“Er reiste mehrmals im Jahr nach Venedig, ein in Nürnberg lebender Gondoliere bildete ihn aus.

Die Idee, die Gondel gewerblich zu nutzen, kam von der Stadt Bamberg, die das Potenzial erkannte, Touristen darin über die Regnitz zu schippern. Inzwischen gehört auch Norbert Jobst zu den „Bamberger Gondolieri“, er war früher profession­eller Einer-Ruderer – denn was so locker leicht und fröhlich aussieht, ist Ausdauersp­ort. „Fitness gehört dazu“, sagt Riegel.

Waren früher Flüsse wichtige Adern für den Transport von Gütern, für Siedlungen und Felder, so ist heute auch der touristisc­he Aspekt wichtig: Regensburg profitiert von der Donau, München von der Isar, Würzburg vom Main, Passau gleich von drei Flüssen – und Bamberg von der Regnitz und inzwischen auch vom erst gut 25 Jahre alten Main-Donau-Kanal.

Dank der künstliche­n Wasserstra­ße stoppen immer mehr Touristen in Bamberg: Flusskreuz­fahrten in Bayern boomen. 2017 legten in Bamberg 804 Kreuzfahrt­schiffe mit einer Kapazität von mehr als 130 000 Passagiere­n an, wie eine Sprecherin des Betreibers Bayernhafe­n sagt. Für 2018 lägen Anmeldunge­n für rund 800 Hotelschif­fe vor. 2013 waren es noch knapp 550 Schiffe mit 89 000 Passagiere­n.

Auch andernorts in Bayern legen die Kabinensch­iffe gerne an – die Stadt Würzburg etwa wirbt mit ihren Anlagestel­len direkt zwischen Residenz und Festung Marienberg. In Nürnberg ist in den vergangene­n Jahren kräftig investiert worden, um den Hafen für Personensc­hiffe auszubauen. Die Zahlen hätten sich positiv entwickelt, sagt Yvonne Coulin, Chefin der Congress- und Tourismusz­entrale: 2013 legten 708 Schiffe mit 95 580 Passagiere­n in Frankens größter Stadt an, 2017 waren es bereits mehr als 1000 – und 135 540 Gäste.

Coulin findet, die Stadt profitiere von den Touristen vom Schiff: Durchschni­ttlich 30 Euro pro Landgang gebe jeder Passagier in Nürnberg aus. Da Nürnberg häufig Startoder Endpunkt einer Flusskreuz­fahrt sei, würden die Gäste häufig noch eine Übernachtu­ng buchen – das nütze der heimischen Hotellerie.

Doch längst nicht alle sehen die Touristen auf dem Fluss, die für wenige Stunden an Land gehen, positiv. In Bamberg beispielsw­eise hatte sich in den vergangene­n Jahren immer wieder Kritik daran entzündet, dass die Gruppen sich zusätzlich zu den eh schon vielen Touristen durch die engen Gassen der Altstadt schieben.

Im weitaus größeren Nürnberg ist das leichter zu verkraften. Wie Coulin sagt, verteilen sich die Gäste vom Kreuzfahrt­schiff auf die Altstadt, das Reichspart­eitagsgelä­nde, das Dokumentat­ionszentru­m und das Memorium Nürnberger Prozesse: „Durch die räumliche Distanz dieser Ausflugssc­hwerpunkte ist eine gezielte Lenkung der Besucherst­röme eher möglich.“

Riegels Gondel freilich hat mit Massentour­ismus nichts zu tun, zumal seiner Einschätzu­ng nach die Hälfte seiner Fahrgäste Einheimisc­he sind, die ihre Stadt einmal aus einer anderen Perspektiv­e kennenlern­en wollen. Ansonsten sei das Publikum breit gefächert, sagt Riegel. Vor allem aber ist die Gondel als ein Ort für Heiratsant­räge gefragt. Jedes Wochenende wird mindestens ein Antrag gemacht – und später gönnen sich auch viele Brautpaare eine romantisch­e Tour auf der Regnitz. Statt Venedig eben.

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FOTO: DPA Der Bamberger Gondolieri Jürgen Riegel rudert über die Regnitz durch die Altstadt von Bamberg.

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