Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wenn es auf der Gondel romantisch wird
Immer mehr Flusskreuzfahrtschiffe fahren in Bayern Touristen von Stadt zu Stadt – Das machen sich zwei Bamberger zunutze
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BAMBERG (lby) - Dass durch das historische Fischerviertel eine Gondel schippert, ist nicht allzu abwegig – schließlich wird der Stadtteil auch Klein-Venedig genannt, weil die historischen Fachwerkhäuser dicht ans Ufer gebaut sind. Bambergs Gondolieri heißen Jürgen Riegel und Norbert Jobst. Die Gondel – original hergestellt in Venedig – ist eine von vielen touristischen Attraktionen in der Welterbestadt. Und der Fluss spielt im Tourismusangebot Bambergs sowieso eine wichtige Rolle: Einst haben die stolzen Bamberger Bürger ihr Rathaus mitten in die Regnitz auf eine kleine Insel gebaut, heute ist der Bau ein viel fotografiertes Wahrzeichen der Stadt.
Aber zurück auf die Gondel: Jürgen Riegel (59) war früher in der Mittelalterszene aktiv und gab DraculaShows. Eines Abends in den 90erJahren saß er mit einem Bekannten am Regnitzufer und kam auf die Idee, die Show aufs Wasser zu verlagern. Dann kam ihm der Einfall mit der Gondel. „Aus einer Bierlaune heraus.“
Doch bald wurde es ernst – bis man das Steuern einer Gondel beherrscht, dauere es Jahre, sagt Riegel. „Das ist eine aufwendige Geschichte.“Er reiste mehrmals im Jahr nach Venedig, ein in Nürnberg lebender Gondoliere bildete ihn aus.
Die Idee, die Gondel gewerblich zu nutzen, kam von der Stadt Bamberg, die das Potenzial erkannte, Touristen darin über die Regnitz zu schippern. Inzwischen gehört auch Norbert Jobst zu den „Bamberger Gondolieri“, er war früher professioneller Einer-Ruderer – denn was so locker leicht und fröhlich aussieht, ist Ausdauersport. „Fitness gehört dazu“, sagt Riegel.
Waren früher Flüsse wichtige Adern für den Transport von Gütern, für Siedlungen und Felder, so ist heute auch der touristische Aspekt wichtig: Regensburg profitiert von der Donau, München von der Isar, Würzburg vom Main, Passau gleich von drei Flüssen – und Bamberg von der Regnitz und inzwischen auch vom erst gut 25 Jahre alten Main-Donau-Kanal.
Dank der künstlichen Wasserstraße stoppen immer mehr Touristen in Bamberg: Flusskreuzfahrten in Bayern boomen. 2017 legten in Bamberg 804 Kreuzfahrtschiffe mit einer Kapazität von mehr als 130 000 Passagieren an, wie eine Sprecherin des Betreibers Bayernhafen sagt. Für 2018 lägen Anmeldungen für rund 800 Hotelschiffe vor. 2013 waren es noch knapp 550 Schiffe mit 89 000 Passagieren.
Auch andernorts in Bayern legen die Kabinenschiffe gerne an – die Stadt Würzburg etwa wirbt mit ihren Anlagestellen direkt zwischen Residenz und Festung Marienberg. In Nürnberg ist in den vergangenen Jahren kräftig investiert worden, um den Hafen für Personenschiffe auszubauen. Die Zahlen hätten sich positiv entwickelt, sagt Yvonne Coulin, Chefin der Congress- und Tourismuszentrale: 2013 legten 708 Schiffe mit 95 580 Passagieren in Frankens größter Stadt an, 2017 waren es bereits mehr als 1000 – und 135 540 Gäste.
Coulin findet, die Stadt profitiere von den Touristen vom Schiff: Durchschnittlich 30 Euro pro Landgang gebe jeder Passagier in Nürnberg aus. Da Nürnberg häufig Startoder Endpunkt einer Flusskreuzfahrt sei, würden die Gäste häufig noch eine Übernachtung buchen – das nütze der heimischen Hotellerie.
Doch längst nicht alle sehen die Touristen auf dem Fluss, die für wenige Stunden an Land gehen, positiv. In Bamberg beispielsweise hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik daran entzündet, dass die Gruppen sich zusätzlich zu den eh schon vielen Touristen durch die engen Gassen der Altstadt schieben.
Im weitaus größeren Nürnberg ist das leichter zu verkraften. Wie Coulin sagt, verteilen sich die Gäste vom Kreuzfahrtschiff auf die Altstadt, das Reichsparteitagsgelände, das Dokumentationszentrum und das Memorium Nürnberger Prozesse: „Durch die räumliche Distanz dieser Ausflugsschwerpunkte ist eine gezielte Lenkung der Besucherströme eher möglich.“
Riegels Gondel freilich hat mit Massentourismus nichts zu tun, zumal seiner Einschätzung nach die Hälfte seiner Fahrgäste Einheimische sind, die ihre Stadt einmal aus einer anderen Perspektive kennenlernen wollen. Ansonsten sei das Publikum breit gefächert, sagt Riegel. Vor allem aber ist die Gondel als ein Ort für Heiratsanträge gefragt. Jedes Wochenende wird mindestens ein Antrag gemacht – und später gönnen sich auch viele Brautpaare eine romantische Tour auf der Regnitz. Statt Venedig eben.