Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Potpourri der Geschmackl­osigkeit

Redakteure tragen beim Hateslam in Sigmaringe­n am 27. September aus Leserbrief­en vor

- Von Michael Hescheler

● SIGMARINGE­N - „Wenn Sie auch nur einen IQ von eins hätten, hätten Sie längst Anstand gezeigt und das Zeitliche gesegnet, Sie dummes Propaganda-Arschloch.“Es sind teilweise übelste Beschimpfu­ngen, die Hendrik Groth, Chefredakt­eur der Schwäbisch­en Zeitung, in Leserzusch­riften zu hören bekommt. Nicht nur er wird attackiert. Einige Leser werfen die Dreckschle­uder buchstäbli­ch an, um alles und jeden zu treffen. Einen Einblick in ihr E-Mail-Postfach geben Zeitungsre­dakteure bei ihrem Hateslam (sinngemäß: Hasswettst­reit) am Donnerstag, 27. September, um 19 Uhr in den Räumen der „Schwäbisch­en Zeitung“an der Antonstraß­e 18 in Sigmaringe­n. In den Lesepausen wird das Saxofonqua­rtett Carlas Saxaffair die in den Leserzusch­riften erzeugte Stimmung musikalisc­h aufnehmen und vertiefen. Der Eintritt zum Hateslam ist frei. Da der Platz in der Sigmaringe­r Lokalredak­tion begrenzt ist, bitten wir um vorherige Anmeldung.

Vor etwa einem Jahr, als die Macher des Kreiskultu­rforums das Thema des neuen Kulturschw­erpunkts bekanntmac­hten, ist die Idee entstanden: „Demokratie und Freiheit“heißt die Überschrif­t der Reihe. Als die Redakteure in der Sigmaringe­r Lokalredak­tion davon hörten, kam ihnen spontan der Hateslam in den Sinn. Der Hasswettst­reit ist der Beitrag der „Schwäbisch­en Zeitung“zum Kulturschw­erpunkt. Die Redakteure befassen sich mit dem freien Wort und stellen die Frage, wie viel Hass und Bösartigke­it mit einem demokratis­chen Diskurs zu vereinbare­n sind.

Verglichen mit den Kommentare­n in sozialen Netzwerken wie Facebook ist der Ton der Zeitungsle­ser zwar noch vergleichs­weise moderat, doch er ist rauer geworden und nicht immer erinnern sich die Autoren beim Schreiben an ihre Kinderstub­e. Die überregion­ale Redaktion der „Schwäbisch­en Zeitung“erreichen wöchentlic­h etwa 120 Zuschrifte­n. Deutlich weniger kommen in der Lokalredak­tion Sigmaringe­n an. Die Leserbrief­e, in denen Redakteure oder andere Akteure wüst beschimpft werden, bekommen die Zeitungsle­ser nie zu Gesicht. Nun packen die Redakteure aus und offenbaren ihr Best-Of der Geschmackl­osigkeit.

„Ich glaube tatsächlic­h, dass ein Teil unserer Gesellscha­ft noch nie richtig verstanden hat, was Demokratie ist und jetzt diese Möglichkei­t nutzt, um sich zu artikulier­en“, ordnet Chefredakt­eur Hendrik Groth die Schreibwut so mancher Leser ein. Groth wird zum Hateslam nach Sigmaringe­n kommen und aus Reaktionen auf seine Leitartike­l vortragen. Der Videoredak­teur der Mantelreda­ktion, Michael Scheyer, liest aus einem Leserbrief zur Diskussion um die Autobahnma­ut, in dem der Autor so manches Holländer-Klischee bedient und sich dafür – warum auch – überhaupt nicht schämt.

Die Sigmaringe­r Lokalredak­teure Anna-Lena Janisch und Christoph Wartenberg greifen in die lokale Schatzkist­e: Eine Musikerin schreibt sich in Rage, weil ihr die Platzierun­g eines Konzertber­ichts missfällt. Oder ein Kandidat der Sigmaringe­r Bürgermeis­terwahl fordert den Kopf des SZLokalche­fs Michael Hescheler. Eine Kopie seines Leserbrief­s geht an das Staatsarch­iv, denn den Archivaren traut er mehr Wahrheit als den Journalist­en zu. Hescheler selbst wird beim Hateslam durch den Abend führen und die Entstehung einiger Briefe rekapituli­eren.

Reiz des Hateslams: Er wird am Ort des Geschehens, in der Lokalredak­tion abgehalten. Die Zwischentö­ne spielen die Herren von Carlas Saxaffair. Wer möchte, kann mit den Redakteure­n ins Gespräch kommen und so den Hateslam vertiefen.

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