Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Schweizer Exil während des Dreißigjährigen Krieges
Graf Hugo von Montfort flieht mehrfach über den See
D● er Dreißigjährige Krieg beendete nördlich des Bodensees eine lange Phase relativen, wenn auch schon krisenanfälligen Wohlstands. Krieg, Hunger und Pest überlebten nur etwa zwei Drittel der Bevölkerung. Der Handel der oberschwäbischen Städte blieb auf Dauer geschädigt. Die Landwirtschaft erholte sich erst nach Jahrzehnten, weshalb die oberschwäbischen Landesherren oft jahrelang keine Feudalabgaben beziehen konnten. Einer von ihnen war Graf Hugo von Montfort (1595–1662); von seinen Fluchten vor dem Kriegsgeschehen berichtet detailliert sein Hofgeistlicher, der Jesuit Andreas Arzet.
Zunächst blieb Oberschwaben von direkten Kriegshandlungen verschont, hatte aber seit Kriegsbeginn unter häufigen Truppendurchzügen, Einquartierungen und den Beiträgen zur kaiserlichen Kriegsführung zu leiden. Seit 1632 lag ein schwedisches Besatzungsheer in Oberschwaben, das ab 1633 von kaiserlichen Truppen bekämpft wurde. Die Kriegshandlungen verhinderten die Bestellung des Landes. Erst folgte der Hunger, dann die Pest. Viele Untertanen flohen nach Vorarlberg und in die Schweiz. In der Pfarrei Tettnang verblieben von 1300 Pfarrkindern nur 150.
Graf Hugo von Montfort wich diesen Zumutungen ebenfalls. Er befahl „seine Sachen Gott und begab sich mit den Seinen durch den See nach Rorschach auf Schweizer Boden“. Derweil brannte sein gräfliches Residenzschloss in Tettnang durch die Unachtsamkeit der feindlichen Besatzung ab; das Schloss (Langen)Argen konnte durch eine kaiserliche Besatzung gehalten werden. Kaum dass Graf Hugo nach Argen zurückkehren konnte, veranlasste ihn die Pest, zu seinem Schwager Graf Johannes von Waldburg-Wolfegg zu fliehen, dem Bischof von Konstanz.
Nach einigen Jahren scheinbarer Ruhe begann die württembergische Besatzung auf dem Hohentwiel ihr Umland zu terrorisieren; 1643 nahm sie im Handstreich die Stadt Überlingen ein und übergab sie einer französischen Besatzung. 1646 löste die Ankunft schwedischer Truppen wieder eine Massenflucht aus. Graf Hugo hatte sich erneut „mit den Seinigen über den See“in Sicherheit gebracht und hielt sich die nächsten drei Jahre im bischöflichen Schloss zu Arbon auf. Schloss Argen fiel an die Schweden und brannte ebenfalls durch die Unvorsichtigkeit der Besatzung aus, womit nun beide Residenzschlösser „in die Aschen gelegt waren“. Auf den montfortischen Untertanen lasteten die Kriegssteuern und Kontributionen, die dem Kaiser, den Württembergern auf dem Hohentwiel, den Schweden in Lindau und Argen geleistet werden mussten.
Nun flohen auch Pfarrer und Richter aus Langenargen in die Schweiz. Der schwedische Kommandant bemühte sich, die Flüchtigen zur Rückkehr zu bewegen, worauf der Richter erst 1648 einging. Um Racheakte im Falle einer Weigerung zu verhindern, folgte Graf Hugo einer Einladung des Kommandanten zur Taufe seines Sohnes und der Übernahme der Patenschaft. Ein von Argen entsandtes Schiff holte den Grafen in Arbon ab und brachte ihn zurück.
Der Friede
Der Friede brachte 1648 keine sofortige Linderung der Lasten. Graf Hugo verabschiedete sich erst 1650 aus Arbon. Zum Dank, dass ihm die Herren und Bürger „viel Ehr und Gunst, Liebes und Gutes erwiesen haben“, lud er zu „Gastereien“ein. Bei der Stadt bedankte er sich mit der Übergabe eines vergoldeten Silbergeschirrs, das sich leider nicht erhalten hat.
Nach seiner Rückkehr ließ sich Graf Hugo im ehemaligen Pfarrhof in Tettnang nieder, „da in ganz Tettnang für ihn keine bessere Wohnung zu finden war. Weil […] im ganzen Schwäbischen Kreis kaum ein Ort von Freund und Feind übler verderbt worden war, da hat die Not auch große Herren gelehrt, in kleinen Häusern zu wohnen.“Aus ihrer Schuldenlast konnten sich die Grafen von Montfort bis zu ihrem Zwangsverkauf an Österreich 1780 nicht mehr befreien.
Der internationale BodenseeGeschichtsverein feiert in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass erscheint Ende Oktober ein Jubiläumsband, dem der vorstehende Beitrag entnommen ist: Harald Derschka/Jürgen Klöckler (Hg.): Der Bodensee. Natur und Geschichte aus 150 Perspektiven. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag 2018, 25 Euro.