Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Kümmerer „im Namen des Volkes“

Ehrenamtli­che Bewährungs­helfer in Wangen unterstütz­en straffälli­g gewordene Menschen

- Von Bernd Treffler

WANGEN - Bei der Wiedereing­liederung straffälli­g gewordener Menschen in die Gesellscha­ft fällt den ehrenamtli­chen Bewährungs­helfern eine besondere Rolle zu. Im Spannungsf­eld zwischen Unterstütz­ung und Kontrolle verfolgen sie in erster Linie ein Ziel: Dass ihr Klient keine neue Straftat begeht. Eine verantwort­ungsvolle Tätigkeit, für die der Wangener Alfons Siebert bei einer Infoverans­taltung am 18. September werben will.

Alfons Siebert ist einer von sechs ehrenamtli­chen Bewährungs­helfern im Team Wangen. Die Gruppe mit ihrem Leiter Klaus Schwarz gehört zur Einrichtun­g Ravensburg der Bewährungs­und Gerichtshi­lfe BadenWürtt­emberg (BGBW) und betreut derzeit 19 sogenannte Klienten. Das sind vor allem Menschen mit einer Bewährungs­strafe oder einem Strafrest, der zur Bewährung ausgesetzt ist. Zuvor entscheide­n jedoch Hauptamtli­che wie Schwarz, ob die jeweilige Person von einem Ehrenamtli­chen überhaupt betreut werden kann. Ausschluss­kriterien sind Sexualdeli­kte oder schwere Gewalttate­n sowie Klienten, die keine Betreuung nötig haben oder eine Zusammenar­beit ablehnen. Anschließe­nd bekommt der Ehrenamtli­che den Fall vorgestell­t und entscheide­t, ob er ihn annimmt. „Der ehrenamtli­che Bewährungs­helfer hat dabei die gleiche rechtliche Stellung wie der hauptamtli­che“, sagt Klaus Schwarz.

Ehrenamt als Mehrwert

Dann machen sich Ehrenamtli­che wie Alfons Siebert an die Arbeit: Kontakt aufnehmen, regelmäßig­e Treffen vereinbare­n, über Probleme wie Schulden oder Arbeitslos­igkeit sprechen, bei Behördengä­ngen begleiten, aber auch kontrollie­ren, dass Weisungen und Auflagen des Gerichts wie Sozialstun­den oder Suchtberat­ung befolgt und erfüllt werden. „Manchmal bedeutet das sehr viel reden, bevor irgendetwa­s passiert“, sagt der 64-jährige Rentner aus Wangen. „Zumindest am Anfang sehen aber die meisten, dass sich was in ihrem Leben verändern kann.“

Ehrenamtli­che Bewährungs­helfer tragen laut BGBW dazu bei, dass das Thema „Straffälli­gkeit und Resozialis­ierung“in die Öffentlich­keit hineingetr­agen und so ein vorurteils­freier Blick auf straffälli­g gewordene Menschen ermöglicht wird. Siebert, seit zehn Jahren Bewährungs­helfer und nun für sechs Klienten zuständig, sieht im Ehrenamt schlichtwe­g einen „Mehrwert“: „Wir tragen eine oft als Kriminelle stigmatisi­erte Gruppe in die Gesellscha­ft zurück und sind so etwas wie eine soziale Bezugspers­on zur Bevölkerun­g.“Für den „Hauptamtli­chen“Klaus Schwarz entsteht durch die Ehrenamtle­r ein „persönlich­eres Miteinande­r“: „Diese Menschen wurden ,im Namen des Volkes’ verurteilt, da macht es doch auch Sinn, wenn sich jemand aus der Bevölkerun­g um sie kümmert.“

Eine Schwierigk­eit für „Kümmerer“wie Alfons Siebert ist das doppelte Mandat: Auf der einen Seite die Aufgabe zu helfen, auf der anderen die Kontrolle. Und bei all dem immer darauf zu achten, bei der gebotenen Nähe zu der Person auch eine gewisse Distanz zu wahren. „Das ist eine andauernde Herausford­erung“, sagt der Wangener. Er legt Wert auf monatliche Treffen und siezt seine Klienten grundsätzl­ich – selbst wenn sich mit der Zeit eine freundscha­ftliche Beziehung entwickeln sollte.

Emotionen entstehen bei dieser eigenveran­twortliche­n Tätigkeit dennoch. „Wenn man meint, alles getan zu haben, kann sich schon Frust aufbauen, wenn die Bewährung widerrufen wird, weil die Person wieder straffälli­g wird oder Auflagen nicht erfüllt“, berichtet Siebert. Und: „Man muss eine gewisse Frustratio­nstoleranz mitbringen und darf das Fehlverhal­ten nicht persönlich nehmen.“Bei der positiven Seite gibt es für den Wangener zwei Kategorien: Klienten, die ihre Bewährungs­zeit durchhalte­n, weil sie es müssen, und solche, die dabei wirklich ihr Leben ändern: „Wenn das klappt, freut einen das natürlich.“Sollte man der Person dann später auf der Straße begegnen, gelte jedoch weiter die Verschwieg­enheitspfl­icht. Heißt konkret: Man grüßt nicht von sich aus, reagiert nur, wenn man vom früheren Klienten gegrüßt wird.

„Es ist spannend, mit so unterschie­dlichen Menschen zu tun zu haben“, sagt Alfons Siebert. „Die Tätigkeit kann einem beim Lösen von Problemen auch fürs eigene Leben helfen.“Mit einem monatliche­n Zeitaufwan­d pro Klient von zwei bis fünf Stunden sei die Tätigkeit auch mit einem Vollzeitjo­b machbar. Die Struktur der ehrenamtli­chen Bewährungs­hilfe bezeichnet der Wangener als „ideal“: „Selbststän­diges Arbeiten, mit einem Hauptamtli­chen im Hintergrun­d, der hilft, unterstütz­t und einen gegebenenf­alls vertritt.“Bei Siebert ist dies Klaus Schwarz, der den monatliche­n Teamtreff leitet.

Dort werden die Fälle normalerwe­ise besprochen. Es sind Fälle, hinter denen Menschen stecken, für die Ehrenamtli­che der Türöffner in ein normales Leben sein können.

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FOTO: TREFFLER Teamwork in der Bewährungs­hilfe: der Hauptamtli­che Klaus Schwarz (links) und der Wangener Ehrenamtli­che Alfons Siebert.

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