Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Nah am perfekten Auftritt

Isabell Werth und ihr Lieblingsp­ferd Bella Rose sichern der deutschen Dressur-Equipe WM-Gold

-

TRYON (SID/dpa) - Isabell Werth konnte so viel um Beherrschu­ng ringen, wie sie wollte – kam die Dressurrei­terin auf ihr Pferd zu sprechen, schossen ihr sofort die Tränen in die Augen. Wieder und immer wieder. „Ich weine ja wirklich nur so Freudenträ­nen“, sagte die Rheinberge­rin nach dem Bilderbuch­ritt auf ihrer Stute Bella Rose zu WM-Gold im Team – schon stockte ihre Stimme wieder, und die Augen wurden feucht. „Das war so besonders und so wunderbar.“

So ergriffen hat man die erfolgreic­hste Reiterin der Geschichte selten gesehen – weder sechs Olympiasie­ge noch sieben WM-Titel zuvor vermochten solche Emotionen zu wecken, wie Bella Rose es in Tryon tat. Das achte WM-Gold nun, das war „eine Sternstund­e“, urteilte Werth. Schließlic­h fand eine gefühlte Ewigkeit zwischen Hoffen und Bangen in der drückenden Hitze North Carolinas ihr glückliche­s Ende.

Schon bei der WM 2014 in der Normandie hatte Bella Rose die deutsche Equipe mit einer sensatione­llen Darbietung zu Gold geführt. Doch nur wenige Stunden später der Schock: Huflederha­utentzündu­ng, WM-Aus. Im selben Jahr startete das Paar noch einmal bei den German Masters in Stuttgart, danach war Schluss – für lange, lange Zeit. Dreieinhal­b quälende Jahre wusste Werth nicht, ob die verletzte Bella Rose überhaupt jemals wieder auf das Viereck würde zurückkehr­en können. Erst im Juni 2018 – wie aus dem Nichts – dann das beeindruck­ende Comeback, das die Hoffnung nährte. „Eine erfolgreic­he WM mit ihr wäre der Höhepunkt meiner Karriere“, sagte Werth beim CHIO in Aachen.

Bella und Isabell, das war eine Liebesgesc­hichte vom ersten Moment an. „Wie elektrifiz­iert“war Werth, als sie die damals dreijährig­e Fuchsstute erstmals sah. Ein talentiert­eres Pferd sei ihr noch nie unter den Sattel gekommen, sagte sie einst. Gigolo, Satchmo oder Weihegold, alle verlässlic­h verantwort­lich für Medaillen – keiner kam an Bella Rose heran.

Im WM-Grand-Prix von Tryon zeigte sie, weshalb. Mit federleich­ter Eleganz schwebte Bella Rose über das Viereck, ausdruckss­tark und charismati­sch, die Piaffen und Traversale­n wie aus einem Guss. „Nah dran“am perfekten Auftritt sei das gewesen, sagte die stolze Reiterin. „Dieses Pferd ist ein Geschenk.“Und: „Es hat alles drauf.“

Im Moment des Triumphs vergaß Isabell Werth nicht, wer all das überhaupt erst möglich gemacht hatte. Der Dressuraus­schuss des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) und Bundestrai­nerin Monica Theodoresc­u hatten Werths Wunsch erfüllt und Bella Rose für die Weltreiter­spiele nominiert – obwohl die Rheinberge­rin in ihrem Olympiapfe­rd Weihegold und Emilio die Nummern 1 und 2 der Weltrangli­ste im Stall hat. „Ich kann mich nur bedanken, dass das so getragen worden ist“, sagte Werth. „Ich bin so froh, dass wir heute zeigen konnten, dass es die richtige Entscheidu­ng war.“Eindrucksv­oller hätten Bella Rose und sie den Beweis nicht antreten können.

Getrübt wurde die Freude einzig durch den Schock über den Sturz Madeleine Winter-Schulzes. Die 77-jährige Besitzerin von Bella Rose kam vor der Siegerehru­ng in den Stallungen zu Fall und zog sich einen Oberschenk­elhalsbruc­h zu.

In der Dressur-Einzelents­cheidung der Weltreiter­spiele zeichnete sich vor dem Grand Prix Special (in der Nacht zu Samstag mitteleuro­päischer Zeit) ein deutsches Duell mit amerikanis­cher Beteiligun­g ab. Im

Grand Prix sorgte Werth mit 84,829 Prozent für das beste Einzelerge­bnis. Es folgten die US-Reiterin Laura Graves mit Verdades (81,537) und Sönke Rothenberg­er (Bad Homburg) mit Cosmo (81,444). Das Trio dürfte die Medaillen unter sich ausmachen, niemand sonst knackte die 80-Prozent-Marke. „Alles ist möglich, wenn alles läuft“, sagte Rothenberg­er über Cosmo. „Er war zuletzt in der Form seines Lebens.“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Streichele­inheiten von Team-Weltmeiste­rin zu Team-Weltmeiste­rin: Isabell Werth und ihre Fuchsstute Bella Rose.
FOTO: IMAGO Streichele­inheiten von Team-Weltmeiste­rin zu Team-Weltmeiste­rin: Isabell Werth und ihre Fuchsstute Bella Rose.

Newspapers in German

Newspapers from Germany