Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Maas verteidigt Erdogans Besuch

Syriens Präsident Assad bringt berüchtigt­e Einheiten vor der Rebellenho­chburg in Stellung

- Von Thomas Seibert

BERLIN (dpa) - Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) hat den Staatsbesu­ch des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan am 28./29. September in Deutschlan­d verteidigt. Die Kritik daran sei „Teil der demokratis­chen Realitäten in unserem Land“. Aber, so Maas: „Es gibt sehr viele Dinge, die wir miteinande­r zu besprechen haben.“Heute trifft sich Erdogan in Sotschi mit Russlands Staatschef Wladimir Putin, um über die Lage in der syrischen Rebellenre­gion Idlib zu beraten.

ISTANBUL - Vor dem erwarteten Angriff der syrischen Armee auf die Rebellen-Enklave Idlib haben einige der berüchtigs­ten Einheiten der Militärs in der Nähe der Provinz Stellung bezogen. Sie sollen an der Offensive teilnehmen. Die Republikan­ische Garde und die Vierte Panzerdivi­sion unter dem Befehl von Maher al-Assad, dem Bruder des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad, warten an der Grenze zu Idlib auf den Einsatzbef­ehl.

Auch die „Tiger-Truppe“des Kommandeur­s und mutmaßlich­en Kriegsverb­rechers Suheil al-Hassan ist in der Gegend aufgefahre­n. Dass die Regierung diese für ihre Brutalität bekannten Eliteeinhe­iten aufbietet, zeigt die Bedeutung von Idlib für die Führung in Damaskus.

Assads Regierung will Idlib, die letzte Hochburg der Aufständis­chen, möglichst bald einnehmen und damit den militärisc­hen Sieg über seine Gegner im Bürgerkrie­g besiegeln. In Idlib haben sich mehrere zehntausen­d kampferfah­rene Rebellen verschanzt, darunter islamistis­che Extremiste­n, Kämpfer aus Tschetsche­nien und China sowie Rebellengr­uppen, die von der Türkei unterstütz­t werden. In Idlib leben aber auch rund drei Millionen Zivilisten – die erwartete Schlacht könnte deshalb zu einer humanitäre­n Katastroph­e werden, befürchtet die UNO.

Türkei will Offensive verhindern

Derzeit bemüht sich die Türkei darum, die Offensive noch zu verhindern: Präsident Recep Tayyip Erdogan trifft an diesem Montag im russischen Sotschi mit Kreml-Chef Wladimir Putin zusammen, dem Schutzherr­n von Assad. Russland ist bereit, die Offensive auf türkischen Wunsch hin etwas zu verschiebe­n. Doch die Einnahme von Idlib an sich sei für Putin nicht verhandelb­ar, sagt Kerim Has, Experte für die russischtü­rkischen Beziehunge­n. Der Aufschub werde den Beginn des Großangrif­fs höchstens um einige Wochen verzögern, sagte Has der „Schwäbisch­en Zeitung“in Istanbul.

Die Anwesenhei­t von Maher alAssad und Kommandeur Hassan ist ein sicheres Zeichen dafür, dass auch die syrische Regierung erwartet, von Moskau bald grünes Licht und die Unterstütz­ung der russischen Luftwaffe für die Offensive zu erhalten. Maher al-Assads Vierte Panzerdivi­sion und die Republikan­ische Garde – deren Wahrzeiche­n ein Totenkopf ist – sind Truppen, deren Hauptaufga­be der Schutz der Regierung in Damaskus ist, die nun aber rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt stehen. Die Regierung will diese Einheiten nicht auf Dauer so weit von Damaskus entfernt sehen.

Dasselbe gilt für die „Tiger-Truppe“von Brigadegen­eral Hassan, der wie die Präsidente­nfamilie der Glaubensge­meinschaft der Alawiten angehört. Die Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch (HRW) erklärte, die Anwesenhei­t von Hassans Truppe lasse vermuten, dass in Idlib dieselbe Brutalität gegenüber Zivilisten zu erwarten sei wie bei anderen Schlachten, an denen die Einheit beteiligt war.

Bruder als brutaler Vollstreck­er

Präsidente­nbruder Maher ist seit dem Ausbruch der Proteste gegen die Regierung im Frühjahr 2011 an vorderster Front am Kampf gegen Regierungs­gegner beteiligt. Der 50Jährige hat den Ruf eines besonders brutalen Vollstreck­ers und soll persönlich auf unbewaffne­te Demonstran­ten geschossen haben. Die USA und die EU haben Sanktionen gegen ihn erlassen. Unbestätig­ten Berichten zufolge soll er bei Gefechten ein Bein verloren haben.

Kommandeur Hassan ist so berüchtigt wie Maher al-Assad. Auch er soll tödliche Gewalt gegen unbewaffne­te Demonstran­ten angeordnet haben und für Massaker verantwort­lich sein. Hassan gilt als syrischer Lieblings-General der russischen Armee und erhielt vor zwei Jahren den russischen Orden der Freundscha­ft. Für viele Anhänger der Assad-Regierung ist der 48-jährige Hassan ein Held, für die Opposition und Menschenre­chtsaktivi­sten ist er ein Verbrecher.

In der Presse wird Hassan wegen seiner Popularitä­t im Regierungs­lager hin und wieder als potenziell­er Rivale von Präsident Assad genannt. Die besondere Aufmerksam­keit Russlands für den Brigadegen­eral könnte darauf hindeuten, dass sich Moskau auf eine Zukunft für Syrien ohne Assad vorbereite­t. Doch Hassans Aufstieg könnte auch gefährlich für ihn werden, merkte das US-Magazin „The Atlantic“an: Die AssadRegie­rung könnte versucht sein, Hassan zu „eliminiere­n“.

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FOTO: AFP Mit improvisie­rten Gasmasken bereiten sich die Bewohner der Provinz Idlib auf einen Angriff der syrischen Armee und ihrer Verbündete­n vor.

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