Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Salvinis Intrige gegen Asselborn

- Von Rudolf Gruber, Wien, und AFP

D● er Eklat bei der EU-Innenminis­terkonfere­nz zum Thema Migration letzten Freitag in Wien ist kein Ruhmesblat­t für die österreich­ische Vorsitzfüh­rung. Sowohl die Nachrichte­nagentur AFP als auch Spiegel Online berichtete­n am Wochenende über einen schwerer Vertrauens­bruch, der einmalig in der Geschichte der EU wäre: Luxemburgs Außenminis­ter Jean Asselborn vermutet, dass er von Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini, dem Chef der rechtspopu­listischen Lega, gezielt in eine Falle gelockt wurde. Dafür spricht, dass Salvini von Mitarbiter­n den stürmische­n Verlauf der Sitzung filmen ließ und später auf Facebook und Twitter veröffentl­ichte.

Streit über „neue Sklaven“

Während Asselborn der Ansicht sei, Migration sei für das überaltert­e Europa aus demografis­chen Gründen nötig, unterstütz­e seine Regierung junge Italiener dabei, wieder mehr Kinder zu bekommen, sagt Salvini in dem Video. Dies sei besser, als „neue Sklaven“nach Europa zu holen. „Das geht zu weit“, empört sich Asselborn. Der Lega-Chef spricht unbeeindru­ckt weiter: „Wenn Sie in Luxemburg mehr Migration brauchen – ich für meinen Teil bevorzuge es, Italien den Italienern vorzubehal­ten.“Danach unterbrich­t Asselborn den Italiener mit scharfen Worten: „In Luxemburg haben wir zehntausen­de Italiener, mein Herr!“Sie seien auf der Suche nach Arbeit gekommen, „damit Sie in Italien Geld für Ihre Kinder haben“, sagt Asselborn – und fügt ein „Sch... noch mal“hinzu.

Laut Spiegel Online sagte Asselborn am Samstag dazu: Als Salvini in Wien von „neuen Sklaven“gesprochen habe, habe es ihm gereicht. „Alle anderen haben betreten zu Boden geschaut, aber ich konnte das einfach nicht so stehen lassen.“Er stehe zu allem, was er gesagt habe. Asselborn warf Salvini vor, „die Methoden und Töne der Faschisten der 30er Jahre“zu verwenden. Hinter der Veröffentl­ichung des Videos vermute er eine „kalkuliert­e Provokatio­n“. Nun ist es keine Seltenheit, dass es bei EU-Treffen ordentlich kracht. Neu hingegen ist, dass ein teilnehmen­der Minister den Verlauf mitfilmen lässt, um einen unliebsame­n Kollegen öffentlich zu blamieren.

Das eigentlich­e Motiv für Salvinis mutmaßlich­e Intrige sei eine Altlast aus der Zeit seines Vorgängers Umberto Bossi, berichten italienisc­he Medien. Demnach habe der Ex-LegaChef 49 Millionen Euro an öffentlich­en Zuschüssen abgezweigt und illegal ins Ausland verschoben. Vor wenigen Tagen bestätigte ein Höchstgeri­cht ein Urteil, wonach die Lega das Geld an den Staat zurückzahl­en müsse. Die Behörden in Luxemburg, wo ein Teil des Geldes vermutet wird, waren bei der Aufklärung behilflich. Dass Salvini dem Luxemburge­r Asselborn nun verächtlic­h vorwarf, er sei „Repräsenta­nt eines Steuerpara­dieses“, entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Kanzler Kurz schweigt zum Eklat

Bezeichnen­d ist das Verhalten der österreich­ischen Regierung, die derzeit den EU-Vorsitz innehat. Ein Sprecher wies darauf hin, dass Asselborn mit seiner Eigenart, Redner ständig zu unterbrech­en, den Eklat selber herbeigefü­hrt habe. Die Erklärung ist einfach: Die Hälfte der Wiener Koalition, die rechtspopu­listische FPÖ, sieht sich mit Salvini im gleichen Lager. Auch Österreich­s konservati­ver Kanzler Sebastian Kurz tendiert, ungeachtet seiner neutralen Position als derzeitige­r EU-Ratsvorsit­zender, zur Abschottun­gspolitik. Doch der Eklat wirft die Frage auf, ob Österreich in der Lage ist, vertraulic­he Informatio­nen aus Ratssitzun­gen zu schützen. Kurz schweigt dazu, wie immer in heiklen Fällen. Sein Sprecher verschanzt sich hinter der Floskel, für informelle Sitzungen gebe die EU keine Regeln vor.

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