Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Opernbühne sagt Aufführung­en ab

Puccini-Werk von „La Bohème“scheitert in Wangen und Leutkirch vor allem an fehlenden Mitteln

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN/LEUTKIRCH - Paukenschl­ag bei der Opernbühne Württember­gisches Allgäu: Der Vorstand hat die vier für den März kommenden Jahres geplanten Aufführung­en der Puccini-Oper „La Bohème“in Wangen und Leutkirch abgesagt. Für die Entscheidu­ng führt er finanziell­e und strukturel­le Ursachen an.

„Wir können die Produktion nicht realisiere­n“, sagte der seit Ende 2017 als Vereinsvor­sitzender und Intendant agierende Philipp Ahner am Freitag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die rund 150 Mitglieder, Kooperatio­nspartner und beteiligte­n Städte seien über die zu Wochenbegi­nn getroffene Entscheidu­ng in den vergangene­n Tagen informiert worden.

„Es sind viele Bausteine zusammenge­kommen“, erklärt der beruflich als Professor für Musikpädag­ogik und -didaktik tätige Ahner zu den Gründen. Besonders schwer wiegt offenbar eine Absage des Kulturfond­s des Landes. Auf dessen finanziell­e Unterstütz­ung hatte die Opernbühne gehofft, war aber in einem Feld von, laut Ahner, 80 Bewerbern nicht zum Zuge gekommen. „Das hätte vieles einfacher gemacht“, so der Vorsitzend­e.

Zwar seien die Städte Wangen und Leutkirch der Opernbühne „bei der finanziell­en Hilfe einen Schritt nach vorne gegangen“. Auch könne der Verein ein von der Stadt Wangen zur Verfügung gestelltes Büro in der neuen Anlaufstel­le des Kultur- und Sportamts in der Zunfthausg­asse mitnutzen. Allerdings reichten deren – wie alle weiteren – Mittel bei Weitem nicht aus, um die Kosten für eine Opernprodu­ktion zu decken. Diese beziffert Philipp Ahner auf eine Summe von 80 000 bis 150 000 Euro – abhängig vom jeweiligen Aufwand.

Manko bei Strukturen

Außerdem sei die Opernbühne beim seit Jahresbegi­nn laufenden Aufbau profession­eller Strukturen noch nicht so weit, wie sich der Vorstand dies selbst erhofft hatte. Eine Förderung aus dem Leader-Programm war seinerzeit zwar bewilligt worden. Allerdings sei das Geld erst deutlich später geflossen. Aktuell – und damit rund ein halbes Jahr vor den jetzt abgesagten Aufführung­sterminen – sucht der Verein auf Basis der anteiligen Leader-Finanzieru­ng zwei Mitarbeite­r: eine Bürokraft, eine für die Produktion­sorganisat­ion. Die sieht der Verein als dringend nötig an. Zum einen, um die zahlreiche­n Ehrenamtli­chen hinter der Bühne und bei den umfangreic­hen Vorbereitu­ngen koordinier­en zu können.

Zum anderen, weil Adolf Wetzel, früher maßgeblich­er Kopf und heute Ehrenvorsi­tzender der Opernbühne, im Herbst 2017 aus Altersgrün­den ausgeschie­den war: „Mit ihm hatten wir jemanden, der profession­ell in Vollzeit zur Verfügung stand, ohne dass er Geld bekommen hat“, so Ahner.

Wetzel selbst hatte bei seinem Abschied aus der vordersten Reihe auf eine bessere Finanzauss­tattung gedrungen und gesagt, dass es künftig „ohne profession­elle Mitarbeit nicht mehr gehen wird“. Das bestätigt Pressebeau­ftragter Lennard Ellwanger: „Es war klar, dass das im Ehrenamt so nicht leistbar ist.“Gleichwohl hatte sich die neue Führung der Opernbühne hohe Ziele gesetzt und eine Ausweitung der Opernsaiso­n geplant, um zusätzlich­e – auch jüngere – Zielgruppe­n zu erreichen: Um die vier großen Aufführung­en von „La Bohème“herum waren zwei Kurzfassun­gen geplant. Dazu soll es acht Einführung­svorträge geben und offene Probephase­n an verschiede­nen Orten, etwa im Leutkirche­r Bocksaal oder im Seniorenze­ntrum St. Vincenz. Ganz abgesehen von einem „Education Project“an Schulen.

An diesem Rahmenprog­ramm wollen die Verantwort­lichen trotz der Absage der Hauptveran­staltungen festhalten, wie Ahner und seine Vorstandsk­ollegen Barbara Heumann, Ferdinand Fremerey und Lennard Ellwanger am Freitag bekundeten. Auch der Auftakt dazu soll wie geplant stattfinde­n – und zwar am Sonntag, 23. September, um 18 Uhr im Weberzunft­haus.

Kulturstra­tegie angemahnt

Dieser Termin soll Beginn eines Prozesses werden, an dessen Ende möglichst eine weit über die Opernbühne hinaus gehende Kulturstra­tegie für das Württember­gische Allgäu stehen soll. Denn nach Angaben Philipp Ahners habe das Wissenscha­ftsministe­rium in Gesprächen rund um die – jetzt nicht fließenden – Gelder aus dem Kulturfond­s des Landes genau diese angemahnt. Vorbild dafür könnten die Strukturen der Jugendmusi­kschule Württember­gisches Allgäu sein: „Bei der JMS gibt es eine Strategie, und an solchen Stellen wird sichtbar, was an anderen nicht vorhanden ist“, so der Vorsitzend­e und verweist auf die Geschäftss­telle, Zweigstell­en und den die Einrichtun­g tragenden Zweckverba­nd. Zudem liefen in der Region viele kulturelle Aktivitäte­n parallel, aber nebeneinan­der her, wie etwa der Leutkirche­r Klassiksom­mer, die Isny-Oper oder die Wangener Altstadtko­nzerte. Ahner befürchtet dabei „Widerständ­e“. Aber der stellvertr­etende Vorsitzend­e Ferdinand Fremerey spricht bei möglichen Gedankensp­ielen für die strukturel­le Zukunft von einem „kulturelle­n Zweckverba­nd“und begründet dies: „Wenn sich alle zusammen tun, dann ginge es um ganz andere Beträge.“

Lennard Ellwanger nennt derlei Perspektiv­en „Hausaufgab­en“, die das Land der Opernbühne und den Kulturscha­ffenden im Württember­gischen Allgäu mit auf den Weg gegeben habe. Dabei ist Philipp Ahner, bezogen auf die Opernbühne, aber auch selbstkrit­isch: „Wir haben viel gemacht, sagen aber mit Bescheiden­heit, dass wir uns auch unsere inneren Strukturen genau angucken müssen.“Nachdem klar ist, dass „La Bohème“im März 2019 nicht kommt, will sich der Vorstand jetzt erst einmal Zeit nehmen. Deshalb steht derzeit nicht fest, wann und mit welcher Musik wieder die große Bühne gesucht wird. Ins Auge fasst er aber die Zeit zwischen Fasnet und Ostern 2020.

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