Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Kovac’ erster Stresstest
Zwei schwer Verletzte bei 3:1 der Bayern gegen Leverkusen – Hoeneß: „Geisteskrank“
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MÜNCHEN - Wer schon einmal aus nächster Nähe Zeuge von einem dieser legendären Wutausbrüche von Uli Hoeneß geworden ist, dürfte diesen so schnell nicht vergessen. Selbst wenn man nicht der Adressat des präsidialen Ausbruchs war.
Als der Präsident des FC Bayern München nach dem zwar locker erspielten, aber durch zwei schwere Verletzungen unheimlich teuer erkauften 3:1 (2:1) gegen Bayer Leverkusen nach langer Zeit wieder einmal bei den herumstehenden Reportern stehenblieb, war Schlimmes zu erwarten.
Was Hoeneß dann sagte, war tatsächlich denkwürdig. Fast noch mehr, weil der zur Impulsivität neigende Präsident seine Anklage in ruhigem Ton vortrug. „Das Foul von Bellarabi war natürlich geisteskrank. Das ist vorsätzliche Körperverletzung, so was gehört drei Monate gesperrt und zwar für Dummheit“, empörte sich Hoeneß ohne sich in Rage zu reden.
Bellarabi entschuldigt sich
Derart an den Pranger stellte er Leverkusens Offensivspieler Karim Bellarabi. Der hatte, gerade erst eingewechselt, Außenverteidiger Rafinha die offene Sohle in die linke Achillessehne gerammt. Der Brasilianer wird den Münchnern mit einem Innenbandteilriss am linken Sprunggelenk wochenlang fehlen. Noch viel länger wird Mittelfeldspieler Corentin Tolisso ausfallen. Dem Weltmeister riss bei seinem Startelfdebüt unter Trainer Niko Kovac bei einem unglücklichen Zweikampf mit Leverkusens Allgäuer Stürmer Kevin Volland kurz vor der Pause das Kreuzband. Zuvor hatte Tolisso einen sehenswerten Angriff, an dem auch Bayerns Offensive Thomas Müller und Robert Lewandowski und vor allem Leverkusens Wendell mit einem haarsträubenden Ballverlust und dessen Mitspieler Jonathan Tah als unfreiwillige menschliche Bande entscheidend beteiligt waren, mit einem Außenristheber ins rechte Toreck zum zwischenzeitlichen 1:1 abgeschlossen (10.). Tolisso war auch noch auf dem Platz, als Arjen Robben der Partie mit einem Traumtor (19.) die entscheidende Richtung gab und den Leverkusenern allen Mut nahm.
Das frühe Gegentor durch Leverkusens Elfmetertreffer im zweiten Versuch – Wendell traf den wiederholten Strafstoß (6.), nachdem bei Vollands kläglichem Versuchs einige Bayern zu früh in den Strafraum gelaufen waren – und James’ später, aber dem Spielverlauf angemessener Kopfballtreffer zum 3:1 gerieten zur Randnotiz.
Bayerns Coach Niko Kovac witterte – da am ersten Spieltag gegen Hoffenheim bereits Kingsley Coman ein unglückliches Foul mit einem langen Ausfall bezahlen musste und auch der VfB Stuttgart am zweiten Spieltag bisweilen robust zu Werke ging – hinter den Ausfällen bereits eine Strategie der Gegner. „Das ist nicht nur Rot, das ist Doppelrot!“, schimpfte der Coach über Bellarabis Einsteigen, „so langsam reicht es mir. Wir haben den dritten Spieltag, und ich habe das Gefühl, dass wir Freiwild sind.“
Dies war interessant, weil Kovac schnell verdrängt zu haben scheint, mit welcher Spielweise Eintracht Frankfurt in der vergangenen Saison nominell stärkeren Gegnern Paroli geboten hat – unter einem gewissen Niko Kovac. Zumal man den Leverkusenern an diesem Nachmittag viel vorwerfen konnte, aber sicher keine übermäßig körperbetonte Spielweise. Was sogar Hoeneß so sah.
Es blieb die Frage, wie teuer Kovac und den Verantwortlichen die Entscheidung zu stehen kommen wird, entgegen den internationalen Trend mit einem eher schmalen Kader in die Saison zu gehen. Im Sommer verkaufte man Juan Bernat, einen Außenverteidiger ohne Perspektive auf einen Stammplatz, zu PSG. Zudem durften die zentralen Mittelfeldspieler Arturo Vidal (zum FC Barcelona) und Sebastian Rudy (nach Schalke) gehen. Beim wechselwilligen Innenverteidiger Jérôme Boateng legte der Coach sein Veto ein, der Transfer scheiterte aber letztlich an unterschiedlichen Preisvorstellungen.
Uli Hoeneß meinte, der Kader sei groß genug, um „das alles aufzufangen“und erinnerte daran, dass im Fußball elf Spieler eine Mannschaft bilden würden. „Sieben Spiele in drei Wochen und jetzt fallen wieder zwei weg. Das ist ganz bitter. Wir haben schon immer gesagt, dass wir alle Spieler im Kader brauchen“, sagte dagegen Arjen Robben, der den Spielplan genau gelesen zu haben scheint. Es ginge nicht mit 15 Spielern.
Sollten die gegen Leverkusen angeschlagen geschonten Leon Goretzkla (Hüfte) und Mats Hummels (Achillessehne) wie erwartet fit werden, würde Bayern mit 16 Feldspielern zum Champions-League-Spiel bei Benfica Lissabon (Mittwoch, 21 Uhr/Sky) reisen.