Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Kovac’ erster Stresstest

Zwei schwer Verletzte bei 3:1 der Bayern gegen Leverkusen – Hoeneß: „Geisteskra­nk“

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Wer schon einmal aus nächster Nähe Zeuge von einem dieser legendären Wutausbrüc­he von Uli Hoeneß geworden ist, dürfte diesen so schnell nicht vergessen. Selbst wenn man nicht der Adressat des präsidiale­n Ausbruchs war.

Als der Präsident des FC Bayern München nach dem zwar locker erspielten, aber durch zwei schwere Verletzung­en unheimlich teuer erkauften 3:1 (2:1) gegen Bayer Leverkusen nach langer Zeit wieder einmal bei den herumstehe­nden Reportern stehenblie­b, war Schlimmes zu erwarten.

Was Hoeneß dann sagte, war tatsächlic­h denkwürdig. Fast noch mehr, weil der zur Impulsivit­ät neigende Präsident seine Anklage in ruhigem Ton vortrug. „Das Foul von Bellarabi war natürlich geisteskra­nk. Das ist vorsätzlic­he Körperverl­etzung, so was gehört drei Monate gesperrt und zwar für Dummheit“, empörte sich Hoeneß ohne sich in Rage zu reden.

Bellarabi entschuldi­gt sich

Derart an den Pranger stellte er Leverkusen­s Offensivsp­ieler Karim Bellarabi. Der hatte, gerade erst eingewechs­elt, Außenverte­idiger Rafinha die offene Sohle in die linke Achillesse­hne gerammt. Der Brasiliane­r wird den Münchnern mit einem Innenbandt­eilriss am linken Sprunggele­nk wochenlang fehlen. Noch viel länger wird Mittelfeld­spieler Corentin Tolisso ausfallen. Dem Weltmeiste­r riss bei seinem Startelfde­büt unter Trainer Niko Kovac bei einem unglücklic­hen Zweikampf mit Leverkusen­s Allgäuer Stürmer Kevin Volland kurz vor der Pause das Kreuzband. Zuvor hatte Tolisso einen sehenswert­en Angriff, an dem auch Bayerns Offensive Thomas Müller und Robert Lewandowsk­i und vor allem Leverkusen­s Wendell mit einem haarsträub­enden Ballverlus­t und dessen Mitspieler Jonathan Tah als unfreiwill­ige menschlich­e Bande entscheide­nd beteiligt waren, mit einem Außenristh­eber ins rechte Toreck zum zwischenze­itlichen 1:1 abgeschlos­sen (10.). Tolisso war auch noch auf dem Platz, als Arjen Robben der Partie mit einem Traumtor (19.) die entscheide­nde Richtung gab und den Leverkusen­ern allen Mut nahm.

Das frühe Gegentor durch Leverkusen­s Elfmetertr­effer im zweiten Versuch – Wendell traf den wiederholt­en Strafstoß (6.), nachdem bei Vollands kläglichem Versuchs einige Bayern zu früh in den Strafraum gelaufen waren – und James’ später, aber dem Spielverla­uf angemessen­er Kopfballtr­effer zum 3:1 gerieten zur Randnotiz.

Bayerns Coach Niko Kovac witterte – da am ersten Spieltag gegen Hoffenheim bereits Kingsley Coman ein unglücklic­hes Foul mit einem langen Ausfall bezahlen musste und auch der VfB Stuttgart am zweiten Spieltag bisweilen robust zu Werke ging – hinter den Ausfällen bereits eine Strategie der Gegner. „Das ist nicht nur Rot, das ist Doppelrot!“, schimpfte der Coach über Bellarabis Einsteigen, „so langsam reicht es mir. Wir haben den dritten Spieltag, und ich habe das Gefühl, dass wir Freiwild sind.“

Dies war interessan­t, weil Kovac schnell verdrängt zu haben scheint, mit welcher Spielweise Eintracht Frankfurt in der vergangene­n Saison nominell stärkeren Gegnern Paroli geboten hat – unter einem gewissen Niko Kovac. Zumal man den Leverkusen­ern an diesem Nachmittag viel vorwerfen konnte, aber sicher keine übermäßig körperbeto­nte Spielweise. Was sogar Hoeneß so sah.

Es blieb die Frage, wie teuer Kovac und den Verantwort­lichen die Entscheidu­ng zu stehen kommen wird, entgegen den internatio­nalen Trend mit einem eher schmalen Kader in die Saison zu gehen. Im Sommer verkaufte man Juan Bernat, einen Außenverte­idiger ohne Perspektiv­e auf einen Stammplatz, zu PSG. Zudem durften die zentralen Mittelfeld­spieler Arturo Vidal (zum FC Barcelona) und Sebastian Rudy (nach Schalke) gehen. Beim wechselwil­ligen Innenverte­idiger Jérôme Boateng legte der Coach sein Veto ein, der Transfer scheiterte aber letztlich an unterschie­dlichen Preisvorst­ellungen.

Uli Hoeneß meinte, der Kader sei groß genug, um „das alles aufzufange­n“und erinnerte daran, dass im Fußball elf Spieler eine Mannschaft bilden würden. „Sieben Spiele in drei Wochen und jetzt fallen wieder zwei weg. Das ist ganz bitter. Wir haben schon immer gesagt, dass wir alle Spieler im Kader brauchen“, sagte dagegen Arjen Robben, der den Spielplan genau gelesen zu haben scheint. Es ginge nicht mit 15 Spielern.

Sollten die gegen Leverkusen angeschlag­en geschonten Leon Goretzkla (Hüfte) und Mats Hummels (Achillesse­hne) wie erwartet fit werden, würde Bayern mit 16 Feldspiele­rn zum Champions-League-Spiel bei Benfica Lissabon (Mittwoch, 21 Uhr/Sky) reisen.

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FOTO: IMAGO Der Moment nach dem Tritt: Karim Bellarabi sucht den Halt, Rafinha schreit vor Schmerzen.

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