Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Student scheitert dreimal an der Matheprüfu­ng

Dem jungen Mann droht die Zwangsexma­trikulatio­n – Hohe Durchfallq­uote sorgt für Diskussion an der PH in Weingarten

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Vor dem Aus: Ein Lehramtsst­udent scheitert dreimal an derselben Matheprüfu­ng. Er macht dafür den Dozenten verantwort­lich und wehrt sich gegen die Zwangsexma­trikulatio­n. Die Durchfallq­uoten waren immens hoch. Das hat auch zu Diskussion­en an der Pädagogisc­hen Hochschule in Weingarten geführt.

„Ich war immer gut in Mathe, es macht mir Spaß“, sagt Julian Weber aus Wangen im Allgäu. Im Abitur habe er 12 Punkte erreicht und damit die Note 2. In Nachhilfes­tunden habe er anderen Schülern Mathematik nähergebra­cht. Das möchte der 21-Jährige später auch beruflich tun: andere unterricht­en. Er entschied sich für ein Lehramtsst­udium der Sekundarst­ufe I, um später Schüler der fünften bis zehnten Klasse zu unterricht­en. Seit dem Winterseme­ster 2016/2017 studiert er Geschichte und Mathematik an der PH in Weingarten. „In Geschichte bin ich mehr als im Plan“, sagt er. Dennoch droht ihm die Exmatrikul­ation – ausgerechn­et wegen Mathe.

Julian Weber ist dreimal durch dieselbe Matheprüfu­ng gefallen, beim selben Dozenten. Laut Statuten der PH kann er das Fach nun nicht weiter studieren. Selbst schuld? Ein Blick auf die Prüfungser­gebnisse: Zum ersten Mal hat Weber die Prüfung im Sommerseme­ster 2017 geschriebe­n. Die Hälfte der Prüflinge fiel durch, der Notenschni­tt lag bei 4,1. Ein Semester später lag die Durchfallq­uote bei fast 70 Prozent, der Notenschni­tt: 4,45. Im Sommerseme­ster 2018 startete Weber nun den dritten und offiziell letzten Versuch. Mitte August kamen die Ergebnisse: Von den 62 Prüfungste­ilnehmer waren 84 Prozent durchgefal­len, der Notenschni­tt lag bei 4,8. Weber fiel erneut durch.

Auch Julians Mutter Susi Weber macht sich Sorgen. Vier ihrer fünf Kinder studieren derzeit parallel. Julian und sein Bruder Fabian, der in Kempten studiert, wohnen weiter im Elternhaus – das spart Kosten, erklärt Susi Weber, die in der Lokalredak­tion der „Schwäbisch­en Zeitung“in Wangen beschäftig­t ist. Sie beschreibt die Finanzieru­ng der Kinder als Kraftakt. „Mein Albtraum besteht derzeit darin, dass ich einem meiner Kinder sagen muss: Es geht nicht weiter. Es ist nicht möglich, dass du weiter studieren kannst“, hat sie in einem Brief an die Bundes- und Landtagsab­geordnete sowie an die zuständige­n Minister geschriebe­n.

Das zuständige Wissenscha­ftsministe­rium hat sich des Falles angenommen und bei der PH Weingarten nachgehakt, wie eine Sprecherin erklärt. „Solange der Sachverhal­t nicht geklärt ist, passiert nichts.“Das betont auch Florian Theilmann, der an der PH Weingarten als Prorektor für Lehre und Studium zuständig ist. Julian Weber hat Widerspruc­h bei der PH Weingarten eingelegt – solange über diesen nicht entschiede­n sei, werde er nicht zwangsexma­trikuliert. „Die Klausur ist schwer“, räumt Theilmann ein und sagt zur hohen Durchfallq­uote: „Dass sie aber jetzt so grob schiefgega­ngen ist, dafür

„Ich war immer gut in Mathe, es macht mir Spaß“, sagt Julian Weber, der den Dozenten für sein Scheitern bei der Matheprüfu­ng verantwort­lich macht.

muss man sich die Gründe genau anschauen.“

„Einige, die sich angemeldet hatten, sind gar nicht zur Prüfung angetreten – das verzerrt das Bild“, sagt Theilmann. Denn sie gelten automatisc­h als durchgefal­len. Noch sei unklar, auf wie viele Prüflinge dies zutreffe. Ein weiterer Grund sei, dass Studenten Prüfungen inzwischen zweimal wiederhole­n können, erklärt Hans-Werner Huneke, Rektor der PH Heidelberg und Vorsitzend­er der PH-Rektorenko­nferenz. „Wir stellen eine Veränderun­g im Verhalten der Studierend­en fest. Viele schreiben die erste Prüfung, ohne sich darauf vorzuberei­ten.“Das führe zu höheren Durchfallq­uoten. „Es gibt an den Pädagogisc­hen Hochschule­n aber nicht ein Fach, das besonders hohe Durchfallz­ahlen aufweist.“

Die Diskussion um die hohen Mathe-Durchfallq­uoten an der PH Weingarten sind in vollem Gange. „Das ist auf jeden Fall etwas, worum man sich kümmern muss“, sagt Prorektor Theilmann. „Wir haben schon angefangen, darüber zu diskutiere­n, bevor die Zeitung angerufen hat.“Es habe bereits Gespräche zwischen der Studierend­enschaft und dem Fachbereic­h gegeben. Wegen der Urlaubszei­t würden weitere noch folgen – unter anderem mit dem betroffene­n Mathe-Dozenten. „Wir wollen in Zusammenar­beit zwischen Studierend­enschaft und Lehrenden schauen, wie wir die Studierend­en noch besser auf Prüfungen vorbereite­n können“, erklärt Theilmann. Die Anforderun­gen an die Studenten zu senken sei indes keine gute Lösung. „Die Qualität der Bewerber ist nicht immer die beste. Wenn wir an den Schulen eine hohe Qualität des Unterricht­s haben wollen, können nicht alle Studierend­e Lehrer werden. Das muss man in Kauf nehmen.“

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