Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wechsel verärgert Hymer-Mitarbeiter
Zwischen „feige“und „abwarten“: So fallen die Reaktionen bei Angestellten aus.
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BAD WALDSEE - Die Zeit der Spekulationen ist beendet. Am Dienstag wurde öffentlich bekannt, dass die Erwin Hymer Gruppe (EHG) an die US-amerikanische Thor Industries verkauft wird. Bei den Mitarbeitern löste die Nachricht geteilte Reaktionen hervor.
Es war das Hauptgesprächsthema der Angestellten in jüngster Vergangenheit: die Zukunft des Unternehmens Hymer. Immer wieder brodelte die Gerüchteküche hoch. In der vergangenen Woche berichteten einzelne Mitarbeiter der SZ anonym von entscheidenden Tagen für den Bad Waldseer Caravan- und Wohnmobilhersteller. Spekulationen zufolge waren die Verhandlungen mit Investoren da schon weit fortgeschritten. Und tatsächlich teilte das Unternehmen am Dienstagmittag den Zusammenschluss mit dem amerikanischen Investor mit.
Familie Hymer wird einer der größten Einzelaktionäre
Thor kauft Hymer für einen Unternehmenswert von rund 2,1 Milliarden Euro. Hymer-Chef Martin Brandt gab in einer kurzfristig bundesweit einberufenen Telefonpressekonferenz bekannt, dass der Kaufpreis durch Barmittel und mit Eigenkapital finanziert wird. „Die Gegenleistung in Eigenkapital besteht aus rund 2,3 Millionen Aktien von Thor. Die Familie Hymer bleibt damit auch künftig in der Branche engagiert“, erklärte Brandt. Die Familie wird einer der größten Einzelaktionäre Thors, die Verantwortung für das Bad Waldseer Familienunternehmen gibt sie aber ab. Thor ist der neue Eigentümer von Hymer. Und diesen Eigentümerwechsel sehen einige Mitarbeiter kritisch bis verärgert an.
„Das ist feige“, sagen zwei bei einer SZ-Umfrage vor den Werkstoren. Weitere Beschäftigte erklären, dass sie für die Entscheidung der Familie kein Verständnis haben. „Die Hymers haben doch eine Verantwortung für das Unternehmen und die Mitarbeiter. Wie kann man einen Familienbetrieb über Jahrzehnte aufbauen und dann so einfach verkaufen“, ist aus Mitarbeiterkreisen wahrnehmbar. Die Enttäuschung in ihrer Stimme ist hörbar.
Brandt versicherte während der Pressekonferenz zwar, dass keine Werke geschlossen und auch keine Stellen gestrichen werden sollen, „aber die Wahrheit wird die Zukunft zeigen“, erklärt ein Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand. Akute Sorgen um den Arbeitsplatz machen sich die Arbeitnehmer dem Vernehmen nach nicht. Vielmehr versprechen sie sich von dem branchenerfahrenen Investor Kontinuität. „Es wird wohl erst einmal in Ruhe alles so weitergehen und keine Schnellschüsse geben“, meint ein Angestellter. „Abwarten“, nennen es andere. Und wieder andere sehen Thor Industries als „das Beste, was nach all den Zukunftsplanungen hätte kommen können“.
Einige Beschäftigte zeigen sich zudem erleichtert ob der Entscheidung und dem Ende der Spekulationen um eine mögliche Heuschrecke, also einem Investor, der die Firma gewissenlos ausgeplündert hätte. „Die Veränderung muss nichts Schlechtes sein“, zeigen sich einzelne Mitarbeiter optimistisch. Ihre positiven Gedanken stützen sie unter anderem auf Brandts Aussage, dass die Hymer-Zentrale in Bad Waldsee bestehen bleibt.
Am Dienstag erhielt die Belegschaft einen Brief der Unternehmensverantwortlichen. Darin wurden die Mitarbeiter schriftlich über die Veränderungen informiert. Auf SZ-Nachfrage betonte Brandt außerdem, dass noch Gespräche mit den Mitarbeitern geführt werden sollen, um ein Stimmungsbild zum Unternehmensverkauf zu erhalten. Die Transaktion zwischen Hymer und Thor Industries könnte bereits gegen Jahresende hin abgeschlossen sein. Auch bei den Stadtverantwortlichen ist die Entwicklung des größten Arbeitgebers in Bad Waldsee Thema. „In der Kürze der Zeit ist sicher eine abschließende Bewertung zum heutigen Zeitpunkt nicht ganz einfach. Für die Stadt ist es aber ein ganz wesentlicher Aspekt, dass beim Eigentumsübergang die Sicherung der Arbeitsplätze einerseits und die Standortsicherung andererseits gewährleistet werden“, erklärt Bürgermeister Roland Weinschenk.