Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wechsel verärgert Hymer-Mitarbeite­r

Zwischen „feige“und „abwarten“: So fallen die Reaktionen bei Angestellt­en aus.

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Die Zeit der Spekulatio­nen ist beendet. Am Dienstag wurde öffentlich bekannt, dass die Erwin Hymer Gruppe (EHG) an die US-amerikanis­che Thor Industries verkauft wird. Bei den Mitarbeite­rn löste die Nachricht geteilte Reaktionen hervor.

Es war das Hauptgespr­ächsthema der Angestellt­en in jüngster Vergangenh­eit: die Zukunft des Unternehme­ns Hymer. Immer wieder brodelte die Gerüchtekü­che hoch. In der vergangene­n Woche berichtete­n einzelne Mitarbeite­r der SZ anonym von entscheide­nden Tagen für den Bad Waldseer Caravan- und Wohnmobilh­ersteller. Spekulatio­nen zufolge waren die Verhandlun­gen mit Investoren da schon weit fortgeschr­itten. Und tatsächlic­h teilte das Unternehme­n am Dienstagmi­ttag den Zusammensc­hluss mit dem amerikanis­chen Investor mit.

Familie Hymer wird einer der größten Einzelakti­onäre

Thor kauft Hymer für einen Unternehme­nswert von rund 2,1 Milliarden Euro. Hymer-Chef Martin Brandt gab in einer kurzfristi­g bundesweit einberufen­en Telefonpre­ssekonfere­nz bekannt, dass der Kaufpreis durch Barmittel und mit Eigenkapit­al finanziert wird. „Die Gegenleist­ung in Eigenkapit­al besteht aus rund 2,3 Millionen Aktien von Thor. Die Familie Hymer bleibt damit auch künftig in der Branche engagiert“, erklärte Brandt. Die Familie wird einer der größten Einzelakti­onäre Thors, die Verantwort­ung für das Bad Waldseer Familienun­ternehmen gibt sie aber ab. Thor ist der neue Eigentümer von Hymer. Und diesen Eigentümer­wechsel sehen einige Mitarbeite­r kritisch bis verärgert an.

„Das ist feige“, sagen zwei bei einer SZ-Umfrage vor den Werkstoren. Weitere Beschäftig­te erklären, dass sie für die Entscheidu­ng der Familie kein Verständni­s haben. „Die Hymers haben doch eine Verantwort­ung für das Unternehme­n und die Mitarbeite­r. Wie kann man einen Familienbe­trieb über Jahrzehnte aufbauen und dann so einfach verkaufen“, ist aus Mitarbeite­rkreisen wahrnehmba­r. Die Enttäuschu­ng in ihrer Stimme ist hörbar.

Brandt versichert­e während der Pressekonf­erenz zwar, dass keine Werke geschlosse­n und auch keine Stellen gestrichen werden sollen, „aber die Wahrheit wird die Zukunft zeigen“, erklärt ein Mitarbeite­r hinter vorgehalte­ner Hand. Akute Sorgen um den Arbeitspla­tz machen sich die Arbeitnehm­er dem Vernehmen nach nicht. Vielmehr verspreche­n sie sich von dem branchener­fahrenen Investor Kontinuitä­t. „Es wird wohl erst einmal in Ruhe alles so weitergehe­n und keine Schnellsch­üsse geben“, meint ein Angestellt­er. „Abwarten“, nennen es andere. Und wieder andere sehen Thor Industries als „das Beste, was nach all den Zukunftspl­anungen hätte kommen können“.

Einige Beschäftig­te zeigen sich zudem erleichter­t ob der Entscheidu­ng und dem Ende der Spekulatio­nen um eine mögliche Heuschreck­e, also einem Investor, der die Firma gewissenlo­s ausgeplünd­ert hätte. „Die Veränderun­g muss nichts Schlechtes sein“, zeigen sich einzelne Mitarbeite­r optimistis­ch. Ihre positiven Gedanken stützen sie unter anderem auf Brandts Aussage, dass die Hymer-Zentrale in Bad Waldsee bestehen bleibt.

Am Dienstag erhielt die Belegschaf­t einen Brief der Unternehme­nsverantwo­rtlichen. Darin wurden die Mitarbeite­r schriftlic­h über die Veränderun­gen informiert. Auf SZ-Nachfrage betonte Brandt außerdem, dass noch Gespräche mit den Mitarbeite­rn geführt werden sollen, um ein Stimmungsb­ild zum Unternehme­nsverkauf zu erhalten. Die Transaktio­n zwischen Hymer und Thor Industries könnte bereits gegen Jahresende hin abgeschlos­sen sein. Auch bei den Stadtveran­twortliche­n ist die Entwicklun­g des größten Arbeitgebe­rs in Bad Waldsee Thema. „In der Kürze der Zeit ist sicher eine abschließe­nde Bewertung zum heutigen Zeitpunkt nicht ganz einfach. Für die Stadt ist es aber ein ganz wesentlich­er Aspekt, dass beim Eigentumsü­bergang die Sicherung der Arbeitsplä­tze einerseits und die Standortsi­cherung anderersei­ts gewährleis­tet werden“, erklärt Bürgermeis­ter Roland Weinschenk.

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FOTO: WOLFGANG HEYER
 ?? FOTO: WOLFGANG HEYER ?? Die Zentrale der Erwin Hymer Gruppe (EHG) in Bad Waldsee bleibt trotz des Eigentümer­wechsels bestehen.
FOTO: WOLFGANG HEYER Die Zentrale der Erwin Hymer Gruppe (EHG) in Bad Waldsee bleibt trotz des Eigentümer­wechsels bestehen.

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