Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Raus aus der Hängematte

Freiburger Jazzfest setzt auf Breite mit De-Phazz und dem Hendrika Entzian Quartett

- Von Georg Rudiger

FREIBURG - Entspannt in einer Hängematte liegen, aufs Meer schauen und einen Cocktail dabei schlürfen – das verbinden viele mit der Musik von De-Phazz. Selbst in einer Zahnarztpr­axis in Las Vegas sorgten die Klänge aus Heidelberg schon für Entspannun­g, das erfährt man beim Konzert der Formation im gut besuchten Freiburger Jazzhaus.

Aber live ist dann doch alles ganz anders. Schon mit dem Opener „Heartfixer“geht es raus aus der Hängematte direkt auf die Tanzfläche, die den ganzen Abend vibriert. Die Songs werden von Bass (Bernd Windisch) und Baritonsax­ofon (Marcus Bartelt) tiefer gelegt. Oli Rubow sorgt an den Drums für klare Beats und genügend Wumms. Keyboarder Ulf Kleiner wechselt zwischen loungig und groovy. Und Bandgründe­r Pit Baumgartne­r fummelt im Hintergrun­d dezent ein paar elektronis­che Schnipsel dazu oder spielt auch mal ein Thema auf der Ukulele. Pat Appleton ist im ersten Teil das Gesicht der Band, wenn sie „The Mambo Craze“mit schöner Ironie interpreti­ert oder bei „Our Relationsh­ip“die Soulröhre auspackt. Beim Wechsel zum Leadsänger Karl Frierson bleibt die Intensität hoch. „Jazz Music“und „Heroes of Swing“verbinden Coolness mit Groove. Und wenn die beiden dann gemeinsam das Jazzhaus unter Strom setzen mit ihrer Stimme, der enormen Ausstrahlu­ng und den sexy Moves, dann wähnt man sich schon lange nicht mehr auf einem Jazzkonzer­t, wo höchstens mal einzelne Köpfe wackeln. (Am Samstag treten De-Phazz in Friedrichs­hafen im Bahnhof Fischbach auf).

Viele Stile, viele Orte

Aber genau diese stilistisc­he Breite möchte das Jazzfestiv­al Freiburg erreichen. Von niederschw­elligen Angeboten wie Jazz in Kneipen am Eröffnungs­abend beim „Minigipfel“im Stühlinger bis zum komplexen Jazz, von Newcomern bis zu Stars der Szene wie Michael Wollny oder Mare Nostrum. Die Stadt fördert das Festival pro Ausgabe mit 20 000 Euro. Das Programm machen Michael Musiol und Matthias Adam selbst, die Booker von Jazzhaus und E-Werk.

Auch der jeden Montag stattfinde­nde Jazzkongre­ss von Johannes Mössinger im Gasthaus Schützen ist mit einem Konzert dabei. Hier bietet das Kölner Hendrika Entzian Quartett anspruchsv­ollen zeitgenöss­ischen Jazz. Die Kontrabass­istin hat dieses Jahr den WDR Jazzpreis für Kompositio­n gewonnen. Charmant führt sie durchs Programm, das einige sehr komplexe Stücke wie „Weekdays“oder „Pivot“vom gleichnami­gen, 2017 erschienen­en Album (Traumton Records) enthält. Die motivische­n Verflechtu­ngen sind nicht immer durchhörba­r, die gemeinsame­n Improvisat­ionen verlieren auch mal die Richtung. Die klangliche Balance des Quartetts ist gelegentli­ch unausgewog­en – Saxofon (Matthew Halpin) und Schlagzeug (Silvio Morger) dominieren gegenüber Klavier (Simon Seidl) und Kontrabass (Hendrika Entzian). Technisch und musikalisc­h agieren die vier auf hohem Niveau. Matthew Halpins warmer, auch mal luftiger Tenorsaxof­on-Sound sorgt für einen ganz persönlich­en Klang. Die atemberaub­enden Walking-Bass-Linien und ein präzises Schlagzeug­gewitter von Silvio Morger sind ein Ereignis. Die einfacher gebauten Stücke wie „Everything All at The Time“und das als Zugabe gespielte „Sleeping Dancer Sleep on“von Wayne Shorter macht das Hendrika Entzian Quartett zu echten Kostbarkei­ten.

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FOTO: CLAUS GEISS De-Phazz stehen für tanzbaren Jazz.

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