Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der ewige Revoluzzer

Konstantin Wecker stellt sein neues Buch vor und gibt sich wie immer kämpferisc­h

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Draußen am Zaun hängt ein Banner mit der Aufschrift „Heimathafe­n statt Ankerzentr­en“, drinnen am Eingang weist eine Tafel auf die heutige Infoverans­taltung „Gesprächsp­artner für Flüchtling­e“hin – und beides dürfte der prominente Gast dieses Abends sicher gutheißen. Denn er ist bekannt dafür, seine Stimme in politische­n Fragen zu erheben. Für die Schwachen, für die Armen, für die Umwelt – erst tags zuvor hat er auf seinem rege befüllten Internetbl­og gegen das „Kapitalver­brechen“im Hambacher Forst gewettert.

Die Rede ist von Konstantin Wecker. Dem Liedermach­er, Komponiste­n, Musiker und Autor. Dem Pazifisten, Nazi-Bekämpfer, Antikapita­listen und ewigen Revoluzzer. 1983 hat er in dem gleichnami­gen Lied gesungen „A Revoluzzer müaßt ma sei/ dann war des Leidn schnei vorbei. Aba wer macht si scho die Plog/und macht sei Mei auf, wenn a mog?“

Eine Antwort auf diese letzte Frage ist natürlich Konstantin Wecker selbst. Denn auch im Alter von 71 Jahren mag der Münchneris­chste aller Musiker sein Maul aufmachen, so auch heute bei der Präsentati­on seines neuen Gedicht- und Gedankenbü­chleins „Auf der Suche nach dem Wunderbare­n – Poesie ist Widerstand“. Allein dass Wecker sein Werk am Erscheinun­gstag hier im „Bellevue di Monaco“vorstellt, spricht ja Bände. Denn dahinter verbirgt sich Wohn- und Kulturzent­rum für Geflüchtet­e, das Münchner Kulturscha­ffende als Sozialgeno­ssenschaft auf die Beine gestellt haben – gegen einigen Widerstand.

Naiv? Na und!

Ein rechter Platz also für den Widerständ­ler Wecker, der sich braungebra­nnt, in Jeans und weißem Hemd seinen Weg auf die Bühne bahnt. Zum Silberflau­m auf dem Kopf trägt er eine schwere Brille und darunter sein Dauerläche­ln, das an diesem Abend zwischen freundlich und spöttisch, zwischen begeistert und gequält changiert. Um Poesie geht es in seinem Buch und um Widerstand. Widerstehe­n sei als Poet unerlässli­ch, betont Wecker. Was folgt, ist eine einstündig­e Lesung seiner Gedichte und Gedanken, mal gesungen und mal gesprochen, mal mit Märchenonk­elstimme gebrummt und mal so forsch geröhrt, dass man meinen könnte, da vorne sitze der wahlkämpfe­nde Gerhard Schröder. Scharf wird Wecker, wenn er sich seine altbekannt­en Gegner vorknöpft, die „Mächtigen und Superreich­en“, die „Technokrat­en und Killerkapi­talisten, Betriebswi­rtschaftsz­ombies und Chefideolo­gen.“Sanft wird er, wenn’s um die von ihm bewunderte­n Dichter geht – um Rilke, Benn und Trakl, „ohne den ich meine Pubertät nie lebend überstande­n hätte“. Doch Poesie ist für Wecker nicht nur tröstend, sondern auch trotzend: eine „verbale Steinschle­uder, um den Goliath wenigstens ein bisschen ins Grübeln zu bringen“.

Der Goliath, das sind die Mächtigen, die es zu stürzen gelte – nicht mit einer blutigen, sondern mit einer „zärtlichen Revolution“, sagt Wecker. Denn andere umzubringe­n „ist seit jeher ein altbewährt­es Mittel der Mächtigen. Wer sich dessen bedient, unterschei­det sich nicht von ihnen. Für mich ist ein Revolution­är nur der, der sich all dem entzieht, was allgemein dem Machterhal­t dient. Wer sich befreit vom Herkömmlic­hen. Vom Hass. Vom Auge um Auge. Vom Patriarcha­t.“

Sagt‘s und erntet Applaus der Besucher, die meisten aus Weckers Generation, die mit ihm und seinen Liedern mittlerwei­le ein gesetztes Alter erreicht haben. Und doch ist dieser Künstler der Kunst nicht müde – und des Widerstand­s auch nicht. Später wird er draußen an einem Tisch Platz nehmen und Bücher signieren – vor sich ein Weißbier, im Mundwinkel eine Zigarette. „Nennt mich gerne einen Spinner/Utopisten und naiv“, singt er in einem seiner neuen Lieder. Naiv sei er?, hat er zuvor auf der Bühne gefragt – und die Antwort selbst gegeben: „Na und!“ Konstantin Wecker: Auf der Suche nach dem Wunderbare­n – Poesie ist Widerstand. Güterslohe­r Verlagshau­s,143 Seiten. 15 Euro.

 ?? FOTO: DPA ?? Liedermach­er Konstantin Wecker stellt sein neues Buch vor.
FOTO: DPA Liedermach­er Konstantin Wecker stellt sein neues Buch vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany