Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Paar findet nicht in Alltag zurück

Nach Vergewalti­gung einer Camperin muss das Landgerich­t Bonn den Fall neu verhandeln

- Von Petra Albers

BONN (dpa) - An ein normales Leben ist für die Opfer nicht zu denken: Gut anderthalb Jahre nach der Vergewalti­gung einer Camperin in der Siegaue bei Bonn können die junge Frau und ihr Freund nach eigenen Angaben nur schwer ihren Alltag meistern. Der Täter, der das Paar aus Süddeutsch­land in jener Nacht überfiel, ist zwar verurteilt worden. Doch der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat das Urteil teilweise aufgehoben. Seit Dienstag muss das Bonner Landgerich­t klären, ob der abgelehnte Asylbewerb­er aus Ghana bei der Tat vermindert schuldfähi­g war.

Die Richter verlesen im Revisionsp­rozess bedrückend­e persönlich­e Erklärunge­n der Opfer, in denen diese ausführlic­h berichten, wie es ihnen in den vergangene­n Monaten ergangen ist. Demnach leiden beide nach wie vor stark unter den Geschehnis­sen, haben Angstzustä­nde, mussten ihr Studium unterbrech­en und finden keine Ruhe.

„Stellen Sie sich vor, Sie versuchen ans Ufer zu schwimmen, und jedes Mal, wenn Sie fast da sind, kommt eine Welle und zieht Sie zurück“– so beschreibt die junge Frau ihre vergeblich­en Versuche, wieder Fuß zu fassen. Als sie von der BGHEntsche­idung erfahren habe, sei sie fassungslo­s gewesen: „Wenn ich heulen und kotzen gleichzeit­ig könnte, so hätte ich das getan.“

Der Vorsitzend­e Richter Klaus Reinhoff, rekapituli­ert aus dem erstinstan­zlichen Urteil, was sich in der Tatnacht ereignete: Mit einer Astsäge durchschlu­g der Angeklagte das Zelt der damals 23-Jährigen und ihres 26 Jahre alten Freundes. Er bedrohte sie mit dem machetenäh­nlichen Werkzeug, forderte Geld und zwang die Studentin nach draußen, wo er sie vergewalti­gte. In dem Prozess vor einem Jahr bestritt der Mann die Tat, doch DNA-Spuren überführte­n ihn.

BGH zweifelt Strafmaß an

Dass der heute 32-Jährige zu Recht wegen besonders schwerer Vergewalti­gung und räuberisch­er Erpressung verurteilt wurde, steht auch aus Sicht des BGH fest. Doch die Strafhöhe von elfeinhalb Jahren, die das Bonner Landgerich­t verhängt hatte, bedarf aus Sicht der obersten deutschen Strafricht­er einer Überprüfun­g. Denn das Urteil ging davon aus, dass der Angeklagte trotz einer Persönlich­keitsstöru­ng uneingesch­ränkt schuldfähi­g ist. Dies sieht der BGH als nicht ausreichen­d belegt an. Im Revisionsp­rozess wird ein neues psychiatri­sches Gutachten ausschlagg­ebend dafür sein, ob die Strafe verringert wird.

Der Angeklagte, der im ersten Prozess aufbrausen­d und aggressiv aufgetrete­n war, hält sich am Dienstag mit Äußerungen weitgehend zurück. Er trägt wieder Hand- und Fußfesseln und wird von zwei Justizbedi­ensteten bewacht. Sein rechter Arm ist einschließ­lich der Hand bandagiert, im Nacken kleben dicke Pflaster – Folgen eines Feuers in seiner Haftzelle, das er nach Überzeugun­g der Kölner Staatsanwa­ltschaft selbst gelegt hat. Sie hat ihn inzwischen wegen schwerer Brandstift­ung angeklagt. Bei dem Feuer in der Justizvoll­zugsanstal­t Köln wurde der Ghanaer im Februar schwer verletzt, zwei Menschen erlitten Rauchgasve­rgiftungen.

Für das Bonner Landgerich­t, dessen Urteil am 5. Oktober erwartet wird, ist aber nur der brutale Überfall in der Siegaue von Bedeutung. Genau wie für die Opfer. Deren große Sorge war es, im Revisionsp­rozess erneut als Zeugen aussagen zu müssen. Doch das wird ihnen nach Angaben des Gerichts erspart bleiben. Zumindest diese Angst ist ihnen genommen.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Arm des Angeklagte­n ist bandagiert, er hatte in seiner Zelle Feuer gelegt.
FOTO: DPA Der Arm des Angeklagte­n ist bandagiert, er hatte in seiner Zelle Feuer gelegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany