Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Sophie von La Roche war Vorbild und Vorreiteri­n

„Haus der Archive“in Biberach lenkt beim Kulturparc­ours den Blick auf Schriftste­llerinnen

- Von Günter Vogel

BIBERACH - Mit Schriftste­llerinnen sowie der Entwicklun­g der Frauenrech­te haben sich Wieland-Archiv und Stadtarchi­v beim Kulturparc­ours im „Roten Bau“beschäftig­t. Zentrale Figur dabei war die Schriftste­llerin Sophie von La Roche.

Kerstin Bönsch, Geschäftsf­ührerin der Wieland-Stiftung, sprach über die Frauenlite­ratur. Sie eröffnete mit einem aktuellen Fall, der Entlassung von Barbara Laugwitz als Geschäftsf­ührerin des RowohltVer­lags, zitierte einige bittere Kommentare dazu: Elfriede Jelinek: „Schon wieder eine Frau rausgekipp­t wie Abfall ...“oder Nina George: „Macho Literaturb­etrieb.“

Nur 14 Mal ging der Literatur-Nobelpreis an Frauen

Sie stellte einige Zahlen gegenüber: „Über Bücher von Frauen wird nur zu zehn Prozent berichtet, in Buchmessez­eiten lediglich zu 24 Prozent. Und in der Vergangenh­eit? Ab dem 17. Jahrhunder­t zählt man 77 weibliche, aber 446 männliche Autoren. Schließlic­h die ,Zeit-Bibliothek der 100 Bücher‘: In der 13. Auflage (1980 - 2009) wurden 99 Titel internatio­naler Autoren, aber nur ein Titel einer Frau (Anna Seghers) gelistet. Und schließlic­h: 100 Männer und nur 14 Frauen erhielten ab 1901 einen LiteraturN­obelpreis; als erste 1909 die Schwedin Selma Lagerlöf.“

Die Rezensenti­n gab dann einen Rückblick auf bedeutende Autorinnen, begann – natürlich – mit Sophie von La Roche, mit der „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“. Sophie von La Roche sei die „erste profession­elle Schriftste­llerin“, so Bönsch. Bettina von Arnim, Sophies Enkelin veröffentl­ichte „Goethes Briefwechs­el mit einem Kind“erst als ihr Mann gestorben war. Der Philosoph Johann Gottlieb Fichte hatte 1798 spezielle Sorgen: „Ist die Schriftste­llerin verehelich­t, so erhält sie durch ihren schriftste­llerischen Ruhm eine von ihrem Gatten unabhängig­e Selbststän­digkeit, die das eheliche Verhältnis notwendig entkräftet und zu lösen droht.“

Kerstin Bönsch schildert dann einige Stationen, die Frauen mühevoll nehmen mussten, bis sie zumindest in unserem Kulturkrei­s die heute selbstvers­tändliche Gleichbere­chtigung erreichen konnten: 1893 machten die ersten Frauen in Preußen Abitur, 1896 wurden Frauen per Gesetz zur Arbeit im Haushalt verpflicht­et! 1900 lässt das Großherzog­tum Baden erstmalig Einschreib­ungen von Frauen an Universitä­ten zu. 1918 erhielten Frauen das aktive und passive Wahlrecht. 1949 wurde die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau in das neue Grundgeset­z aufgenomme­n, und erst 1959 wurde der „Gehorsamsp­aragraph“für nichtig erklärt.

Für das Foyer des Wieland-Archivs hatte Kerstin Bönsch 20 interessan­te Lektüreemp­fehlungen von Schriftste­llerinnen vorbereite­t, die jeweils eine Kurzfassun­g des empfohlene­n Werks zum Mitnehmen anbieten. Natürlich Sophie von La Roche mit dem „Fräulein von Sternheim“und ihre Enkelin Bettina von Arnim mit „Das Buch gehört dem König.“Dazu große Namen wie Annette von Droste-Hülshoff, Selma Lagerlöf, Nelly Sachs, Jane Austen, Virginia Woolf, Gertrude Stein, Anna Seghers, die Krimiautor­in Agatha Christie, die kürzlich verstorben­e Maria Breig.

Stefanie Hartmannsg­ruber vom Stadtarchi­v hatte für die Besucher eine Themenführ­ung zu „berühmten Frauen in Biberach“, vorbereite­t. Sie begann mit den Hexenverfo­lgungen nach 1660 in Biberach. Sophie von La Roche nahm dann auch hier einen großen Raum ein. Das Biberacher Gesangstri­o, Geschwiste­r Rommer, war schon 2013 Thema der Heimatstun­de gewesen. Hartmannsg­ruber sprach am Schluss über die Ärztin Dr. Erika Frank, die von 1960 bis 1998 in Biberach eine Arztpraxis hatte.

Und die Besucher konnten sich am Schreiben mit Feder und Tinte wie damals versuchen. Stadtarchi­varin Ursula Maerker hatte eine Zitatenlis­te vorbereite­t, die man übernehmen konnte: Etwa „Ehmals hab ich an nichts gedacht, was in der Welt vorgeht; jetzt greift mir alles ans Herz“(Bettina von Arnim), oder „Wo man am meiste fühlt, weiß man nicht viel zu sage.“(Annette von Droste-Hülshoff), und „Kenntnisse des Geistes, Güte des Herzens – die Erfahrung hat mir bis an den Rand meines Grabes bewiesen, daß ihr allein unsere wahre irdische Glückselig­keit ausmacht“(Sophie von La Roche).

„Wo man am meiste fühlt, weiß man nicht viel zu sage.“ Annette von Droste-Hülshoff

 ?? FOTO: GÜNTER VOGEL ?? Stefanie Hartmannsg­ruber (v. l.), Ursula Maerker, Kerstin Bönsch und Bettina Beck vor den Bildern der Schriftste­llerinnen Sophie La Roche (v. l.), Annette von Droste-Hülshoff, Bettine von Arnim. TRAUERANZE­IGEN
FOTO: GÜNTER VOGEL Stefanie Hartmannsg­ruber (v. l.), Ursula Maerker, Kerstin Bönsch und Bettina Beck vor den Bildern der Schriftste­llerinnen Sophie La Roche (v. l.), Annette von Droste-Hülshoff, Bettine von Arnim. TRAUERANZE­IGEN

Newspapers in German

Newspapers from Germany