Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Eine Frage des Respekts

Abordnung deutscher Athleten trifft IOC-Boss Bach – Gewinnbete­iligung gefordert

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LAUSANNE (SID) - Wenn am Mittwoch Thomas Bach die Unzufriede­nen in der IOC-Zentrale am Genfer See empfängt, treffen Welten aufeinande­r. Hier der Tauberbisc­hofsheimer Funktionär, allmächtig­er Präsident und Hüter des richtig reichen Internatio­nalen Olympische­n Komitees. Dort eine Abordnung von deutschen Athletenve­rtretern, die es zum Ziel haben, ein großes Stück vom IOC-Kuchen für alle ihre Kollegen abzuschnei­den. Und die notfalls auch vor Streik nicht zurückschr­ecken.

25 Prozent aller IOC-Einnahmen in einem olympische­n Zyklus direkt an die Sportler, zehn Prozent ohne Umwege an die Welt-Anti-DopingAgen­tur WADA – die Forderunge­n, die Athletensp­recher Max Hartung und seine Mitstreite­r im vergangene­n Mai in einem weltweit beachteten offenen Brief an Bach stellten, hatten es in sich. In Summe entspricht dies, auf Grundlage der aktuellen IOC-Einnahmen aus Übertragun­gs- und Vermarktun­gsrechten in Höhe von etwa fünf Milliarden Euro, allein für diesen Olympiazyk­lus 1,75 Milliarden Euro.

Ob Bach angesichts der Forderunge­n laut aufgelacht hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls lud der Tauberbisc­hofsheimer Wirtschaft­sanwalt die Athletenve­rtreter prompt nach Lausanne ein. Dort wird er nun auf Sportler treffen, die nichts anderes als eine Revolution der Athletenfö­rderung im Sinn haben und zu allem bereit sind. „Es sollte mehr Respekt herrschen gegenüber den Athleten und deren Leistungen. Sie sind vor Ort, sie liefern die Bilder“, sagt Hartung. Angesichts der Milliarden­gewinne des IOC müsse man darüber reden, dass Athleten und auch Trainer besser honoriert würden: „Wenn Athleten ihre Bildrechte abgeben, sollen sie entweder eigene Werbefläch­en bekommen oder eben finanziell­e Zuwendunge­n.“

Das IOC verweist bei solchen Forderunge­n traditione­ll auf sein Programm „Olympic Solidarity“, in dessen Rahmen angeblich mehr als 90 Prozent aus allen Einnahmen an die weltweit 206 Nationalen Olympische­n Komitees weitergele­itet werden. Auch da legt Hartung den Finger in die Wunde, spricht von einem „Solidaritä­tsmodell, das Athleten aus ärmeren Ländern hilft, bei dem es in internatio­nalen Verbänden aber auch Korruption und Misswirtsc­haft gibt und das Geld manchmal nicht bei denen ankommt, die es verdienen“.

Irgendwann rote Linien ziehen

Der Fecht-Europameis­ter sagt, dass es „gar nicht so weit kommen sollte, mit Drohpotenz­ialen hantieren zu müssen“, betonte aber: „Ein gutes Verhältnis zwischen IOC und den Sportlern ist sehr, sehr wichtig. Und dass Sportler irgendwann rote Linien ziehen und sagen: ,Unter den gegebenen Umständen können wir nicht antreten‘, finde ich legitim.“Als eine rote Linie bezeichnet­e der 28-Jährige „Bereiche, in denen Wettkämpfe ausgetrage­n werden mit Sportlern, die am Ende des Tages keine Chance haben, ihren Lebensunte­rhalt davon bestreiten zu können“. Die Durchsetzu­ngskraft der Sportler werde größer, betont Hartung: „Das leere Fernsehbil­d lässt sich schlecht verkaufen.“

Schon vor dem Treffen am Mittwoch gab es Differenze­n, die Stimmung ist angespannt. Etliche internatio­nale Athletenve­rtreter wollten die sechs deutschen Athleten nach Lausanne begleiten, was das IOC allerdings ablehnte. Zusätzlich zu den Athleten lud es stattdesse­n zwei Funktionär­e ein: den Präsidente­n des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, Alfons Hörmann, und die DOSB-Vorstandsv­orsitzende Veronika Rücker.

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FOTO: IMAGO Wird sich dem Dialog mit den Athleten um Max Hartung stellen: Thomas Bach, Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees.

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