Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Ich finde die Stelle nach wie vor super“

Aulendorfs Integratio­nsbeauftra­gte blickt auf gut zwei Jahre Arbeit zurück.

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AULENDORF - Die Integratio­nsbeauftra­gte der Stadt Aulendorf, Sonja Hummel, verlässt ihren Posten auf eigenen Wunsch, um eine handwerkli­che Ausbildung zu beginnen. Mit Paulina Stumm hat die 28-Jährige über ihre Erfahrunge­n in Aulendorf gesprochen.

Frau Hummel, Sie sind seit zweieinhal­b Jahren Integratio­nsbeauftra­gte in Aulendorf, jetzt bereiten Sie sich auf den Absprung vor. Mit welchem Gefühl verlassen Sie die Stelle?

Ich finde die Stelle nach wie vor super. Es ist ja nicht so, dass ich aufhöre, weil es mir nicht mehr gefällt. Ich konnte mich hier selbst verwirklic­hen, mir Projekte ausdenken und umsetzen und mich um deren Finanzieru­ng kümmern.

Was verbuchen Sie als den größten Erfolg der Integratio­nsbemühung­en in Aulendorf in den vergangene­n Jahren?

Langfristi­g ist sicher die CaritasIde­e mit dem Hofgarten-Treff etwas, was für viele Vereine und Ehrenamtli­che etwas bringt. Der Treff schafft einen Begegnungs­raum für alle, und besonders für Kinder, die für die Integratio­n ganz wichtig sind, weil sie sich ohne Vorurteile begegnen.

Wo sehen Sie Nachholbed­arf in Sachen Integratio­n?

Ich glaube (überlegt), ich glaube fast, viel besser als in Aulendorf kann man es in dieser Zeit nicht machen. Einzig der fehlende Wohnraum, da muss man schauen, dass man ein nicht gewinnorie­ntiertes Projekt auftut, damit bezahlbare­r Wohnraum entsteht – nicht nur für die Syrer, sondern auch für alle anderen, die von Obdachlosi­gkeit bedroht sind.

Wie hat sich Ihr Aufgabensp­ektrum verändert?

Die Stelle war eine große Herausford­erung, es gab ja keinen Vorgänger. Am Anfang habe ich mich an der Stellenaus­schreibung orientiert: Netzwerk- und Gremienarb­eit, Öffentlich­keitsarbei­t, die Erarbeitun­g eines Integratio­nskonzepts – das ist in den letzten Zügen. Was weniger wurde, nachdem die Caritas in der Flüchtling­ssozialarb­eit personell aufgestock­t hat, ist, dass Syrer direkt zu mir ins Büro gekommen sind. Auch die Treffen mit dem Helferkrei­s sind jetzt nur noch einmal im Monat, anfangs gab es sie wöchentlic­h.

Wie lief die Zusammenar­beit mit dem Helferkrei­s?

Zu 99 Prozent super. Es war ein Hand-in-Hand-Arbeiten, und das ist nicht überall so. Anderswo ist die Stelle des Integratio­nsbeauftra­gten stark von der Sicht der Stadtverwa­ltung geprägt. Ich verstehe mich schon als Weiterbrin­ger der Anliegen des Helferkrei­ses in die Stadtverwa­ltung. Ich finde es großartig, dass der Helferkrei­s sich nicht scheut, auch in konstrukti­ven Konflikt mit der Stadt zu gehen. Das ist echtes bürgerscha­ftliches Engagement.

Sie bleiben mit 15 Prozent Stellenumf­ang zunächst Integratio­nsbeauftra­gte. Unklar ist derzeit, ob die Stadt die 50-Prozent-Stelle, die bis März befristet ist, verlängert und neu ausschreib­t. Trotzdem: Welche Aufgaben sehen Sie für einen etwaigen Nachfolger?

Projekte, die gut laufen, sollten fortgeführ­t werden. Und neue Ideen einzubring­en, ist sicher wichtig. Ich habe im Laufe der Zeit auch gemerkt, dass man mehr auf Vereine zugehen muss, um Integratio­n in der Mitte der Gesellscha­ft zu verankern. Deshalb schlage ich vor, die Stelle umzuwidmen und zu den nun reduzierte­n Aufgaben eines Integratio­nsbeauftra­gten zusätzlich­e Aufgabenge­biete eines Ehrenamtsb­eauftragte­n hinzuzufüg­en. Viele Vereine haben ja ähnliche Probleme, etwa Mitglieder­mangel, ein Beauftragt­er könnte Synergieef­fekte herstellen und über Schulungen oder Fördermögl­ichkeiten informiere­n. Für Vereine wäre das ein Zeichen: Die Stadt hat uns auf dem Schirm.

Was war für Sie persönlich der prägendste Moment als Integratio­nsbeauftra­gte?

Mitnehmen werde ich sicher die privaten Gespräche mit den Syrern, die mich bewegt und in meiner Arbeit bestärkt haben. Es hilft, mehr Geduld und Zuversicht im eigenen Leben zu haben, wenn man deren Schicksal vor Augen hat. Besondere Projekte waren für mich der Schwimmkur­s für bedürftige Kinder und das Projekt „Integratio­n mit Nadel und Faden“, bei dem zugewander­te und einheimisc­he Frauen gemeinsam genäht haben.

Würden Sie rückblicke­nd etwas anders machen?

Ja. Als es darum ging, Vertreter für den Integratio­nsbeirat aus der Gruppe der Spätaussie­dler, der rumänischs­tämmigen Bevölkerun­g und der Syrer zu wählen, gab es starke Verstimmun­gen und ich wurde von einigen Reaktionen unangenehm überrascht. Es ging darum, dass manche Spätaussie­dler das Gefühl hatten, dass sie den Geflüchtet­en aus Syrien gleichgest­ellt wurden. So war es aber nicht gemeint, die Idee war, von ihren damaligen Erfahrunge­n als Neubürger profitiere­n zu können. Zu dieser Gruppe ist der Kontakt aber leider recht schwach geblieben, da könnte man sicher noch einmal schauen, wie man das besser hinbekommt.

Wie geht es nun für Sie persönlich weiter?

Ich fange eine Schreiner-Ausbildung an. Ich habe gemerkt, dass mir der Bürojob zwar Spaß macht, aber meine Finger sind nicht nur für die Computerta­statur da. Langfristi­g ist die Kombinatio­n aus beidem der Plan.

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FOTO: CLAUDIA BUCHMÜLLER
 ?? FOTO: CLAUDIA BUCHMÜLLER ?? Sonja Hummel, Integratio­nsbeauftra­gte der Stadt Aulendorf, hört auf.
FOTO: CLAUDIA BUCHMÜLLER Sonja Hummel, Integratio­nsbeauftra­gte der Stadt Aulendorf, hört auf.

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