Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Bürger haben Vertrauen in Behörden verloren“
Baienfurter Gemeinderat erneuert Nein zum Kiesabbau im Altdorfer Wald – Was ein Geologe sagt
●
BAIENFURT - Der Widerstand gegen Pläne des Regionalverbands, ein etwa elf Hektar großes Gelände im Altdorfer Wald beim Vogter Ortsteil Grund für den Kiesabbau auszuweisen, wächst und wächst. So haben die Gemeinderäte von Baindt, Waldburg und Wolfegg erst dieser Tage zumeist einstimmig einen Kiesabbau abgelehnt, Amtzell meldete immerhin Bedenken an. Der Baienfurter Gemeinderat, Motor des Widerstands von Anfang an, befasste sich nun wieder ausführlich mit dem Thema, erneuerte sein striktes Nein zum Kiesabbau und beauftragte den Stuttgarter Rechtsanwalt Reinhard Heer, eine entsprechende Stellungnahme an den Regionalverband abzugeben. Bürgermeister Günter A. Binder stellte klar: „Wir werden mit allen legalen demokratischen Mitteln gegen den Kiesabbau vorgehen.“
Eine volle Stunde mussten mehrere Dutzend Besucher am Dienstagabend ausharren, ehe die öffentliche Gemeinderatssitzung im Baienfurter Rathaus beginnen konnte. Vorher tagte das Gremium nicht öffentlich.
Bürgermeister Binder sparte nicht mit Kritik am Regionalverband. Man komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Erst habe man versichert, das sogenannte Zielabweichungsverfahren werde bis Ende 2018 ruhen, man werde so lange warten, bis die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen vorliegen. Dann ziehe der Regionalverband das Verfahren vor. Die Frist, bis zu der Stellungnahmen der Gemeinden zum Kiesabbau abgegeben werden dürfen, läuft bereits Ende September ab. Und nun – so der Bürgermeister – solle das Kiesabbaugebiet sogar auf elf Hektar erweitert werden. Wenn man höre, dass der Export von Kies ins benachbarte Ausland viel größer sei als von den Verantwortlichen gesagt, sei klar: Es gehe nicht nur um Kies für den regionalen Straßenbau, sondern um den Export, um wirtschaftliche Fragen also, um die Aufrechterhaltung der Anlage bei Grenis, Gemeinde Amtzell. „Wir sehen uns etwas hinters Licht geführt. Viele Bürger haben ihr Vertrauen in die Behörden verloren“, kritisierte der Bürgermeister.
Das Zielabweichungsverfahren, von der Firma Meichle und Mohr beantragt, ist notwendig geworden, weil das 3,3 Quadratkilometer große Waldstück um die Quellen des Zweckverbands Wasserversorgung Baienfurt-Baindt im Regionalplan als Wasserschutzgebiet ausgewiesen ist, nun aber in unmittelbarer Nähe ein weiteres großes Kiesabbaugebiet der Firma Meichle und Mohr entstehen soll.
Geologe Hermann Schad, den der Wasserzweckverband mit einem Gutachten betraut hat, zitierte Aussagen des Bundesumweltamtes, das dazu auffordere, in Landes- und Regionalplänen mehr Wasserschutzgebiete auszuweisen. Was das Umweltamt formuliert, treffe exakt auf die Weißenbronner Quelle zu, sagte Schad. Sie schütte im Übrigen trotz dreimonatiger Trockenheit ebenso viel Wasser wie früher und biete alle Voraussetzungen für ein Vorranggebiet Trinkwasserschutz. Schad vertritt die Ansicht, dass das Wasserschutzgebiet nicht 3,3 Quadratkilometer groß sein müsse, wie Anfang der 50er-Jahre ohne exakte Bohrungen ausgewiesen, sondern etwa acht Quadratkilometer. Die Quellen könnten bis zu 150 Sekundenliter Wasser schütten, bisher etwa 60, und 60 000 bis 80 000 Einwohner versorgen. Der Geologe hat sechs Bohrungen veranlasst, bis zu 70 Meter tief, habe aber noch keine detaillierten Ergebnisse. Deshalb hält er sich mit einer abschließenden Beurteilung zurück. So viel aber könne er sagen: „Erhebliche Umweltauswirkungen können (beim geplanten Kiesabbau) nicht ausgeschlossen werden.“Und dann formulierte Hermann Schad fast so etwas wie eine Liebeserklärung. In seinen 35 Berufsjahren habe er noch kein Gebiet erlebt, das so einzigartig prädestiniert für ein Trinkwasserschutzgebiet sei wie die Weißenbronner Quellen.
Rechtsanwalt Reinhard Heer, der für den Zweckverband einen 15-seitigen Vorentwurf als Stellungnahme an den Regionalverband vorgelegt hat, kritisierte eine „Wende um 180 Grad“seitens des Verbands. Der Kiesabbau habe nun Vorrang vor dem Trinkwasserschutz. Andere geeignete Gebiete für den Kiesabbau habe der Regionalverband ausgeschlossen. Auch der derzeitige Bauboom rechtfertige den Kiesabbau nicht. Nach Heers Ansicht ist der Exportanteil eher höher als acht Prozent. Offenbar gehe es vor allem um die Fortführung der Anlage in Grenis, also ums Wirtschaftliche. Die vorgezogene Auslegung der Pläne sei wohl deshalb erfolgt, weil die Zeit dränge. Auch Heer kritisierte, dass das Verfahren in Gang gesetzt wurde, bevor die Ergebnisse der geologischen Untersuchungen vorliegen.
Alle bisherigen Berichte und Filmbeiträge zum Thema Kiesabbau finden Sie in einem Online-Dossier unter www.schwäbische.de/kiesabbau.