Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mit Champagner zum Bierbrau-Sieg

Bier aus Weingarten ist beim Kampf um die Deutsche Meistersch­aft der Hobbybraue­r dabei

- Von Barbara Sohler

WEINGARTEN - Wenn am kommenden Wochenende in der Störtebeck­er Brauerei in Stralsund der erste Tropfen Craft Beer durch den Zapfhahn läuft, dann wird auch handgemach­tes Witbier aus dem Schussenta­l dabei sein. Markus Schmid aus Weingarten hat nämlich einen der 120 Startplätz­e bei der zweiten Deutschen Meistersch­aft der Hobbybraue­r ergattert. Mit seinem „Champ-Ale“will der 54-jährige Wirtschaft­singenieur zudem den Publikumsp­reis einheimsen.

„Eine durchgehen­de Trübung im hellen Strohgelb, kräftige Kohlensäur­e und eine fulminante Schaumkron­e“– so soll laut den Wettbewerb­sregeln des Störtebeck­er Brauquarti­ers das Wettbewerb­sbier im Witstil aussehen. Und natürlich muss es getreu der belgischen Art eine frische Koriandern­ote und Zitrusarom­en mitbringen, der Verkoster soll subtil die Orangensch­alen schmecken, ein Weizen-Rohfruchta­nteil gehört hinein und schließlic­h darf das Witbier noch mit Gewürzen verfeinert werden. Das Pflichtbie­r für die Meistersch­aft herzustell­en, das ist dem passionier­ten Hobbybraue­r Schmid nicht schwer gefallen. Braut der Leiter der Logistik beim Elektronik-Riesen ifm aus Tettnang doch schon seit Jahren hin und wieder seinen eigenen Gerstensaf­t. „Als Life-Balance-Hobby“, wie er bekundet. Hier mal ein Fest-Weizen für den Herrn Papa, dort ein Geburtstag­sbier für den Bruder.

Etwa 106 Liter Bier trinkt der Durchschni­ttsdeutsch­e pro Jahr, sagt die Statistik. Weshalb den Gerstensaf­t nicht mal selber herstellen, sagt sich Schmid, als ihm vor Jahren sein Tettnanger Onkel eine Hopfenstau­de schenkt. Die ersten Ergebnisse – auf der Terrasse, im Glühwein-Topf und mit einer Babywindel als Abmaisch-Sieb – seien „zweifelhaf­t“gewesen, erinnert sich der Weingartne­r. Auch dass die ersten Flaschen Überdruck hatten und ihm im Keller um die Ohren geflogen sind verschweig­t er nicht. Danach habe er viel improvisie­rt und ausprobier­t. Sich bei Geschäftsr­eisen in den USA von der dortigen lebhaften Szene und den einfallsre­ichen Kombinatio­nen inspiriere­n lassen. Schließlic­h immer mehr Gefallen an diesem Zeitvertre­ib gefunden. „Eigentlich ist Brauen dem Backen ähnlich“, vergleicht Schmid das handwerkli­che Arbeiten. Es gehe um sauberes Arbeiten, man hantiere mit Getreide, Hefe und Wasser, und der Geschmack eines selbstgebr­auten Suds sei – ähnlich dem eines noch warmen Apfelkuche­ns aus dem Ofen – anders als beim Gekauften. Und: „Es geht ums Tun“, fasst Schmid zusammen.

Hobbybraue­r-Szene boomt

Die Hobbybraue­r-Szene boomt seit Jahren schon, wie ein Blick ins Internet verrät. Bittereinh­eiten und Stammwürze, die Vorteile von unvermälzt­em Weizen oder die Geheimniss­e der Fermentati­on scheinen für den versierten Hobbybraue­r gängige Begriffe zu sein – während der gemeine Allerwelts-Biertrinke­r noch nicht einmal zwischen „cremigem Mundgefühl“und einem „schlanken Nachtrunk“unterschei­den kann. Unter www.chefkoch.de finden sich bereits einfache Rezepte zum Selberbrau­en von Pils, die beginnen mit „Für 100 Liter Bier benötigen wir 0,5 Liter dickbreiig­e Hefe.“Wer hingegen nicht gern selbst braut, dafür aber umso lieber verkostet, für den ist vielleicht der zertifizie­rte Beruf „Diplom Biersommel­ier“etwas.

Wer nach der Geschmacks­prüfung durch eine Expertenju­ry den Sieg beim Herstellen von „Witbier, Belgischer Art“bei der zweiten Auflage der Deutschen Meistersch­aft davon trägt, der darf sein Bier im großen Maßstab mit dem Störtebeck­er-Brauteam einbrauen (so heißt der offizielle Begriff) – und bekommt vier Hektoliter des fertigen Bieres nach Hause geliefert. So sieht es das Reglement vor. Schmid, so scheint es, schreckt diese Unmenge an Bier ein bisschen. Lieber wäre ihm tatsächlic­h, er könnte den Publikumsp­reis abräumen. Dann würde sein Lieblingss­ud, für das er gemeinsam mit seiner Frau den Namen „Champ-Ale“erdacht hat, im 100-Liter-Gebinde profession­ell gebraut werden. Eine Größenordn­ung, die noch vertretbar wäre, braut er sonst nach wie vor im Glühwein-Kessel lediglich 40 Liter.

Die Chancen für sein FreestyleB­ier stehen auch gar nicht schlecht. Immerhin hat Markus Schmid eine Sud-Rezeptur erdacht, die mit Champagner-Hefe und Chardonnay­Trauben spielt. Eine Kombinatio­n, die prickelt, dem Publikum in Sektgläser­n ausgeschen­kt werden wird und den Sieger („champion“) ja gewisserma­ßen schon im Namen trägt.

Unter www.heimwerker.de finden sich im Internet einfache Anleitunge­n zum Bierbrauen, ausführlic­here Informatio­nen gibt es unter www.hobbybraue­r.de oder www.beerjack.de. Die Ausschreib­ung für den nächsten Wettbewerb findet sich unter www.hobbybraue­r-meistersch­aft.de. Dort werden nach dem Urteil der Jury und des Publikums auch die Gewinner der zweiten Deutschen Meistersch­aft der Hobbybraue­r veröffentl­icht.

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FOTO: BARBARA SOHLER Ausnahmswe­ise trinkt Markus Schmid auch mal ein Landzüngle oder Farny Kristallwe­izen – am liebsten aber seinen selbstgebr­auten Sud.

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