Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Daheim wartet Frau Anderl

Wieso Illertisse­ns Coach Stefan Anderl überlegt, die Trainerlau­fbahn zu beenden

- Von Pit Meier

ILLERTISSE­N - Am Montagaben­d hat Stefan Anderl das Training des bayerische­n Regionalli­gisten geleitet. Was an sich ja selbstvers­tändlich sein sollte, der 53-Jährige ist schließlic­h Fußballtra­iner und als solcher beim FV Illertisse­n angestellt. So, wie er zuvor beim FC Memmingen tätig war.

Nach Stefan Anderls Auftritt am Freitag in Aschaffenb­urg war sein Erscheinen am Trainingsg­elände der Illertisse­r am Montag aber alles andere als selbstvers­tändlich. Nach der 1:3-Niederlage bei Viktoria Aschaffenb­urg hatte Anderl da laut die Sinnfrage gestellt.

Denkwürdig­e Pressekonf­erenz stößt in Illertisse­n auch auf Kritik

Dieser Auftritt war zumindest ungewöhnli­ch, einige der Augenzeuge­n – sogar aus dem eigenen Verein – empfanden ihn als überzogen. Nach dem 1:3 lederte Stefan Anderl auf der Pressekonf­erenz mächtig ab. Zielscheib­e seiner Attacken war in erster Linie Schiedsric­hter Florian Kornblum, der bereits in der ersten Halbzeit Volkan Celiktas nach einer Tätlichkei­t mit der Roten Karte vom Feld geschickt hatte. Zuvor war allerdings ein nach Einschätzu­ng von Anderl „unfassbar brutales Foul“eines Aschaffenb­urgers an Maurice Strobel nur mit Gelb geahndet worden. Kurz nach der Pause verabschie­dete sich dann auch noch Burak Coban mit Gelb-Rot. Der Vorwurf des FVITrainer­s an den Schiri: „Er wartet nur darauf, dass der ein einziges Mal hinlangt.“In zweifacher Überzahl machte Aschaffenb­urg aus einem 0:1Rückstand einen 3:1-Sieg, und auch Jochen Seitz, der Trainer der Viktoria, gestand ein: „Mit elf gegen elf wäre es schwierig gewesen, zu gewinnen.“

Der Kollege Anderl hatte zuvor nach seiner immer wieder von Zwischenru­fen aus dem Publikum unterbroch­enen Schiri-Schelte noch grundsätzl­ich die Sinnfrage gestellt. „Man muss sich überlegen, ob man sich das in meinem Alter alles noch antut“, sagte der 53 Jahre alte FVITrainer. Schließlic­h sei er „nebenbei noch Lehrer“. Und weiter: „Meine Gedanken gehen mit Sicherheit dahin, dass das keinen Sinn mehr macht. Ich habe eine hübsche Frau daheim und brauche das nicht mehr.“

Diese Ausführung­en waren nur so zu interpreti­eren, dass Anderl ernsthaft über einen Rücktritt nachdachte. Eine Nacht wollte der FVI-Trainer drüber schlafen und dann eine Entscheidu­ng treffen.

Gestern hatte Anderl schon zwei Nächte geschlafen seit seinem Auftritt von Aschaffenb­urg, der unter anderem auch auf einem Video auf der Facebook-Seite des FV Illertisse­n dokumentie­rt ist. Bedarf für weitere Erklärunge­n sah er nicht. Nur so viel: Die Zweifel an der Sinnhaftig­keit seines Tuns betreffen nicht seine Arbeit beim FV Illertisse­n, sondern die Trainertät­igkeit allgemein. Nach seinem Erscheinen am Trainingsp­latz dürfte zumindest ein sofortiger Rücktritt vom Tisch sein.

Leichter hat sich Stefan Anderl aber seine Arbeit durch seinen auch intern kritisch beurteilte­n Wutausbruc­h von Aschaffenb­urg sicher nicht gemacht. Es ist zusätzlich­e Unruhe aufgekomme­n, und die kann man derzeit im Verein so gar nicht gebrauchen. Die Niederlage in der 69 000-Einwohner-Stadt in Unterfrank­en war die sechste im zwölften Saisonspie­l, der FV Illertisse­n liegt auf Tabellenpl­atz 14 und wird vom ersten Relegation­srang nur noch durch das bessere Torverhält­nis getrennt. Abstiegska­mpf ist in dieser Saison angesagt für den Verein, der in den vergangene­n fünf Jahren zweimal bayerische­r Amateurmei­ster war und zweimal in der ersten Runde des DFB-Pokals gespielt hat. Es könnte also durchaus sein, dass sich das Thema Trainer demnächst erneut stellt.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Stefan Anderl ist seit Beginn dieser Saison Trainer des bayerische­n Regionalli­gisten FV Illertisse­n. Nach dem Spiel in Aschaffenb­urg hatte er vorübergeh­end den Spaß an seiner Nebentätig­keit verloren.
FOTO: ALEXANDER KAYA Stefan Anderl ist seit Beginn dieser Saison Trainer des bayerische­n Regionalli­gisten FV Illertisse­n. Nach dem Spiel in Aschaffenb­urg hatte er vorübergeh­end den Spaß an seiner Nebentätig­keit verloren.

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