Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

So schaffen Motorradfa­hrer den Wiedereins­tieg

Beschleuni­gung und technische Details moderner Motorräder übersteige­n die Erfahrung bei Weitem

- Von Andreas Kötter

● BERLIN (dpa) - Kinder, andere Hobbys oder Zeitmangel – Gründe für Motorradfa­hrer, den Helm abzusetzen und lange zu pausieren, gibt es viele. Doch was, wenn sie danach wieder aufsteigen wollen? Die Situation bei einem Wiedereins­teiger nach vielleicht mehr als 20Jahren Abstinenz sei kaum verschiede­n von der bei einem kompletten Neueinstei­ger, meint Thilo Kozik. Beschleuni­gung sowie technische Details moderner Motorräder überstiege­n die weit zurücklieg­ende Erfahrung bei Weitem, so der Motorradjo­urnalist und Autor des Magazins „Tourenfahr­er“.

„Motoren, aber auch Bremsen sind heute viel potenter“, sagt Kozik, der jedem Wiedereins­teiger deshalb ein Fahrertrai­ning ans Herz legt. Solche Trainings, speziell auch für Wiedereins­teiger, bietet zum Beispiel der ADAC an. Das Institut für Zweiradsic­herheit (ifz) könne als Informatio­nsquelle für weitere derartige Angebote dienen. Auch Ralf Schefzig vom Auto Club Europa (ACE) empfiehlt, „auf freiwillig­er Basis zwei, drei Stunden zu buchen, vielleicht in einer Fahrschule, um nach einer langen Pause wieder ein Gefühl für das Motorradfa­hren zu entwickeln“. Dabei könne man sich an neue Techniken gewöhnen, so der Motorradtr­ainer, etwa ans Bremsen mit ABS.

Im Schonraum ausprobier­en

„Wer 20, vielleicht 30 Jahre nicht gefahren ist, sollte vielleicht sogar erst einmal im Bekanntenk­reis schauen, ob dort jemand eine Maschine besitzt“, sagt Ralf Birnbaum. Damit lässt sich im Schonraum, etwa auf einem Parkplatz, mal eine Runde fahren, so der Referent Motorrad beim Fahrlehrer­verband Nordrhein.

Wer dann eine neue Maschine braucht, sollte sie mit Augenmaß aussuchen. So sei das seit Jahrzehnte­n in Deutschlan­d beliebtest­e Motorrad, die Reise-Enduro BMW R 1200 GS, kein geeignetes Modell für Wiedereins­teiger, sagt Kozik. „Viel zu groß und viel zu schwer“, so sein Urteil. Für Schefzig ist „Grundvorau­ssetzung, dass man mit beiden Füßen einen sicheren Stand hat“. Eine Enduro mit einer Sitzhöhe von um die 900 Millimeter beispielsw­eise sei daher für einen Fahrer von 1,75 Metern Körpergröß­e sicher nicht das Richtige.

Und auch von einem Supersport­ler, einer Art Rennmaschi­ne für die Straße, rät der Motorradex­perte ab. Das sieht auch Birnbaum so. „Eine Suzuki GSX-R 1000 zum Beispiel ist bezüglich ihrer Leistungse­ntfaltung mit der von ähnlich hubraumsta­rken Motorräder­n etwa aus den 1980erJahr­en überhaupt nicht mehr zu vergleiche­n“, warnt er. Grundsätzl­ich raten alle drei Experten vielmehr zu einem Motorrad, das eine aufrechte Sitzpositi­on erlaubt. „Man sieht mehr und kann vorausscha­uender fahren“, sagt Kozik.

Das Trio hält Modelle aus dem Segment der Allrounder für besonders geeignet für Wiedereins­teiger. Diese verbinden die Eigenschaf­ten eines Touren- mit denen eines Sportmotor­rades und meistern den Alltag, ohne dass der Fahrspaß dabei zu kurz kommen würde. Eine Honda NC 750 S oder eine Yamaha MT-07 könne man hier ebenso nennen wie „eine Kawasaki Z 650, deren Vorgängeri­n, die Kawasaki ER-6, ein sehr beliebtes Fahrschulm­otorrad ist“, so Kozik.

Alle gängigen Marken haben solche Modelle im Portfolio, die bisweilen optisch auch dem aktuellen Retro-Trend folgen. „Das bietet den Vorteil, dass sich der Wiedereins­teiger umgehend heimisch fühlt, weil er diese Art von Motorrad noch gut kennt“, sagt Schefzig. Dennoch müsse er nicht auf die neueste Technik wie zum Beispiel ABS verzichten. Das kann für Bikes wie Moto Guzzi V7 oder Ducati Scrambler sprechen.

Nicht in Jeans aufs Bike

Wichtig: „Zuverlässi­ge Schutzklei­dung von Beginn an ist das A und O“, mahnt Schefzig. Er warnt eindringli­ch davor, ausgerechn­et an dieser Stelle zu schludern. Ein Helm mit Sicherheit­szertifizi­erung, Handschuhe, Jacke und Hose, ob nun aus Leder oder Textil, sollten ebenso zur Grundausst­attung zählen wie Motorradst­iefel. Denn „spiele ich Tennis, greife ich ja auch zum Tennisund nicht zum Federballs­chläger“, sagt Birnbaum. Also solle man sich auch nicht in Jeans und Blouson aufs Motorrad setzen, sondern ausgewiese­ne Motorradbe­kleidung mit entspreche­nden Protektore­n wählen, die bei einem Sturz entspreche­nd schütze. Denn vor einem Sturz sei gerade der Wiedereins­teiger nicht gefeit.

 ?? FOTO: DPA ?? Experten raten nach langer Motorradab­stinenz zu einem Fahrsicher­heitstrain­ing wie hier vom ADAC.
FOTO: DPA Experten raten nach langer Motorradab­stinenz zu einem Fahrsicher­heitstrain­ing wie hier vom ADAC.

Newspapers in German

Newspapers from Germany