Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Drei Jahre Gefängnis für Bill Cosby
TV-Star muss Haftstrafe sofort antreten – Urteil könnte Signalwirkung haben
NORRISTOWN (dpa) - US-Entertainer Bill Cosby muss nach seiner Verurteilung zu mindestens drei Jahren Haft wegen sexueller Nötigung unmittelbar hinter Gitter. Sein Verteidiger Joseph Green scheiterte nach dem Urteil am Dienstag bei dem Versuch, Cosby gegen Kaution auf freien Fuß zu lassen, bis über das Berufungsverfahren entschieden ist. Cosby wurde von Polizisten in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt und sollte noch am selben Nachmittag ins Gefängnis gebracht werden.
Cosby äußert sich zuvor im Gerichtssaal nicht, obwohl er Gelegenheit dazu hat. „Ja“und „Nein“sagt der 81-Jährige nur mehrfach oder stellt kurze Nachfragen, als Sonderermittler Stewart Ryan ihn über seinen neuen Status als „gewaltbereiter Sexualverbrecher“und die damit verbundenen Pflichten belehrt. In Pennsylvanias Register wird Cosby künftig mit Foto samt seiner Straftaten geführt. Die im Internet einsehbare Kartei soll Bewohner schützen, vor allem Kinder und Jugendliche. Dann endlich kommt das Strafmaß: Mindestens drei und höchstens zehn Jahre muss Cosby in einem Bundesstaats-Gefängnis absitzen, nach drei Jahren kann also erstmals über eine vorzeitige Entlassung entschieden werden. 24 dieser Anstalten gibt es in Pennsylvania. Die dortigen Insassen, mit denen Cosby sich Flure, Außenbereich und Kantine wird teilen müssen, haben meist härtere Verbrechen begangen und sitzen längere Strafen ab als Häftlinge in Bezirksgefängnissen. Cosby blickt stumm vor sich hin, als Richter Steven O'Neill sein Urteil liest.
Das Schlagwort #MeToo war noch nicht um die Welt gegangen, als Cosby die Universitätsangestellte Andrea Constand im Januar 2004 sexuell nötigte. Nun ist diese Bewegung, die übergriffige Männer in Machtpositionen umkippen lässt wie Dominosteine, fast auf den Tag genau ein Jahr alt.
Die Verurteilung Bill Cosbys – auch wenn er die Höhepunkte seiner Karriere in einer Zeit vor #MeToo feierte – könnte Signalwirkung haben. Der Prozess gegen den gestürzten Hollywood-Mogul Harvey Weinstein läuft in New York bereits an.
Constand reist als Siegerin aus Norristown ab. Sie hat viele Hände geschüttelt und gelacht, ist umarmt und von Frauen umringt worden. Mit ihrem hellen Blazer und ihrer lockigen Kurzhaarfrisur mit den blondierten Spitzen scheint die drahtige ExBasketballerin Welten entfernt vom schwerfälligen Cosby. Auf seinem kahlen Kopf wachsen graue Stoppeln, eines seiner Augen blickt ins Leere. Fast könnte man meinen, nicht Cosby sei hier der ehemalige TV-Star mit landesweitem Millionenpublikum, sondern Constand. In dem fünfseitigen Statement, dass die 45-Jährige einreicht, zeichnet sie ein anderes Bild. „Bill Cosby hat meinen wunderschönen, gesunden Jugendgeist genommen und zerquetscht“, schreibt sie. Die Begleiter in ihrem Single-Leben seien heute zwei Hunde. „Fast 15 Jahre später bin ich eine Frau mittleren Alters, die für den größten Teil ihres Erwachsenenlebens in einer Warteschleife steckt und unfähig ist, ganz gesund zu werden oder sich voranzubewegen.“Auch ihre Mutter Gianna sagt mit zittriger Stimme aus.
Stimmen der Vergangenheit
„Ich habe ihre Stimmen laut und deutlich gehört“, sagt O'Neill. Er meint die Stimmen von Constands Familie, aber auch die der sechs Frauen, die im Prozess gegen Cosby aussagten. Es sind „Stimmen der Vergangenheit, Ihrer Vergangenheit, Herr Cosby“, sagt O'Neill.
Das Lebenswerk Cosbys trübt sich mit diesem Urteil weiter ein. In Online-Biografien wachsen die Passagen über seine sexuellen Übergriffe und die Vorwürfe Dutzender Frauen gegen ihn. Cosbys wohl letzte Chance auf ein schauspielerisches Comeback war schon 2014 geplatzt, als NBC und Netflix geplante Comedy-Projekte mit ihm absagten. Wie in guten alten Tagen der „Bill Cosby Show“sollte er im Auftrag von NBC einen Familienpatriarchen spielen. Am Gericht wirbt jemand nun für ein Buch mit dem Titel „The Assassination of Bill Cosby“– „Die Ermordung Bill Cosbys“.