Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Plötzlich trifft Götze

Der FC Bayern gibt gegen Augsburg erstmals Punkte ab – weil ein Ex-Spieler trifft

- Von Filipppo Cataldo

MÜNCHEN - Wenn in der doch recht weitläufig­en Münchner Allianz Arena die Anweisunge­n der Trainer auf der Tribüne zu hören sind, muss Bastian Schweinste­iger im Elfmetersc­hießen des Champions-League-Finals 2012 gleich an den Pfosten schießen – oder der Zusammensc­hluss der aktiven Fanszenen in Deutschlan­d zu einem 20-minütigen Stimmungsb­oykott aufgerufen haben.

An diesem 25. September 2018 war letzteres der Fall. Auch die Münchner Fanszene protestier­te am 5. Spieltag der Bundesliga nicht etwa gegen das erste Unentschie­den des FC Bayern der Saison – gegen den FC Augsburg gab es ein 1:1 (0:0) – sondern, wie berichtet, gegen die zunehmende Kommerzial­isierung des Profifußba­lls und gegen den DFB und die DFL.

Die 75 000 Fans schwiegen die ersten 20 Minuten. Das heißt: Nicht ganz: Wenn ein Spieler mal gefoult wurde – oder auch bei Torannäher­ungen –, ließen sich einige dann doch zu Pfiffen oder ein paar „Ooooohs“und „Aaaaahs“hinreißen. Etwa, als Augsburgs Caiuby in der achten Minute Bayerns Torwart Manuel Neuer nach einem sehenswert­en Angriff und einem strammen Schuss im Strafraum zu einem Reflex zwang. Oder als auf der Gegenseite kurz drauf Thomas Müller den linken Pfosten traf. Als dann Bayerns Mittelfeld­spieler Renato Sanches in der zwölften Minute per Distanzsch­uss beinahe das 1:0 erzielte, gab es gar etwas längeren Applaus.

Als nach 20 Minuten endlich „FCBayern-olé“-Gesänge auf der einen und, etwas leiser, die wackeren „FCA! FCA!“-Anfeurungs­rufe durchs Stadion hallten, war das ziemlich munter losgegange­ne Spiel in einem doch eher zähen Aggregatzu­stand angelangt. Die Mannschaft­en neutralisi­erten sich, die Augsburger verdichtet­en klug das Mittelfeld, stellten geschickt die Räume zu.

Gefährlich wurde nur, wenn jemand im Mittelfeld den Turbo einschalte­te. Dieser jemand war meist ein junger Mann mit Rastalocke­n, die bei eingeschal­tetem Turbo schön durch die Luft wirbelten. Mit zwei Jahren Verspätung deutet der junge Portugiese zumindesta­n, das Verspreche­n einlösen zu können, das er einst als 18-Jähriger bei Benfica gab und weswegen die Münchner zunächst 35 Millionen Euro für ihn zahlten.

In der 35. Minute versuchte Sanches es mit einem Schlenzer, der sich aus 25 Metern Richtung Tor drehte – aber eben direkt in Andreas Luthes Arme. Zwei Minuten später spielte er Doppelpass mit Arjen Robben, trieb seine Rastalocke­n und den Ball Richtung Strafraum, zog dynamisch ab – aber einen halben Meter über das Tor.

Dass Sanches in der Startelf stand, war zu erwarten gewesen, Niko Kovac fuhr sein Prinzip der Maximalrot­ation weiter. Vorne stürmte also etwa neu Sandro Wagner, links wirbelte neu Serge Gnabry. Leon Goretzka stand auch zuletzt in der Startelf, diesmal aber unerwartet auf der linken Abwehrseit­e. Nebeneffek­t: Auf der Bayern-Bank saßen zunächst auch die Sportskame­raden Boateng, Thiago, Ribéry, James, Lewandowsk­i. Kovac würde also genug Kreativitä­t und Durchschla­gskraft in der Hinterhand haben, sollte es zäh werden. Sollte man meinen.

Die bei den Augsburger­n im Vorfeld meistdisku­tierte Frage, ob Torwart Fabian Giefer nach seinen zwei entscheide­nden Patzern in den letzten zwei Spielen noch eine Bewährungs­probe bekommen würde, beantworte­te Baum mit einem klaren: Nein. Andreas Luthe, zuletzt wegen muskulärer Probleme ausgefalle­n, stand im Tor. Und je näher die Pause kam, desto mehr bekam er zu tun. Die gefährlich­ste Chance vergab Sandro Wagner, der in der 41. Minute aus kurzer Distanz Luthe anschoss. Drei Minuten später klärte Luthe mit einer tollen Parade Gnabrys Schuss zur Ecke.

Neuer patzt beim Ausgleich

Die zweite Halbzeit begann mit Teil 2 der Funktionär­sschelte durch die Fans. Die Südkurve stellte DFB und DFL per Transparen­t ein vernichten­des „Zwischenze­ignis“aus. „Auslandsve­rmarktung: Geschwänzt“stand etwa darauf. Auf einem anderen wurden die DFB-Funktionär­e mit „Hausverbot“belegt.

Dieses Transparen­t hing noch, als Arjen Robben das umjubelte 1:0 erzielte. Es spricht für die Augsburger und dieses Spiel, das ein Konter vorangegan­gen war. Gnabry hatte den Turbo eingeschal­tet, den Ball im Strafraum quergelegt zu Robben. Und der nach einem Wackler und einer künstleris­chen Schöpfungs­verzögerun­gspause zum 1:0 eingeschos­sen (48.).

Kovac brachte Ribéry, Kovac brachte Thiago, ihm reichte das 1:0 nicht. Doch Müller traf nach Ribérys Vorarbeit nur aus dem Abseits (84.).

Das zweite Tor des Abends erzielte dann einer, den Kovac womöglich auch eingewechs­elt hätte – wenn er noch in München spielen würde. Felix Götze, jüngerer Bruder vom Weltmeiste­rmacher Mario Götze, profitiert­e von einem Fehler Neuers. Der Keeper hatte den Ball bei einer Ecke durchfluts­chen lassen, Götze, diesen Sommer aus München nach Augsburg gewechselt, machte aus zwei Metern sein erstes Bundesliga­tor.

Kovac war natürlich unzufriede­n: „Wir haben nicht das abgerufen, was wir uns vorgenomme­n haben. Wenn wir einige unserer Chancen nach dem 1:0 nutzen, sieht es anders aus.“Kollege Manuel Baum dagegen frohlockte: „Das ist ein Wahnsinn. Ich wusste erst gar nicht, wer unser Tor geschossen hat. Das sind halt die Geschichte­n im Fußball: Dass wir in München punkten und Felix bei seinen Bayern das Tor schießt. Unglaublic­h.“

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FOTO: IMAGO. Fabian Götze (Nummer 4) staubt zum 1:1 gegen den FC Bayern ab.

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