Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Vorne ohne Plan
Die Gründe für den Absturz des VfB Stuttgart – Gegen Trainer Korkut werden wieder alte Vorwürfe laut
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STUTTGART – Manchmal kann Fußball sehr einfach sein. „Die Aufgabe von Tayfun Korkut wird sein, eine Mannschaft zu finden, die ein Bundesligaspiel gewinnen kann“, sagte VfB-Idol Karl Allgöwer kürzlich anlässlich des 125. Geburtstags der Stuttgarter. Bloß: Auch in den zwei Spielen seither hat es jener Korkut nicht geschafft, eine in sich stimmige Elf zu finden, die hinten wehrhaft wirkt und vorne so viele Chancen kreiert, dass auch mal ein paar Tore fallen. Und so könnte im Spiel gegen Werder Bremen am Samstag (15.30/ Sky) schon ein erstes Endspiel auf den in dieser Saison noch sieglosen Trainer zukommen.
Stuttgart ist einfach auszukontern
Längst brodelt es bei den VfB-Fans, Kritiker werfen Korkut einen fehlenden Offensivplan vor. Das sei ihm auch schon – trotz jeweils talentierter Kader – bereits auf seinen früheren Stationen Kaiserslautern, Hannover und Leverkusen zum Verhängnis geworden. Kompakt stehen, rasant umschalten: das habe er zu Beginn bei allen vier Clubs gepredigt – am erfolgreichsten beim VfB – danach aber sei nichts mehr gekommen.
Tatsächlich holte Korkut in der vergangenen Rückrunde 31 Zähler in 13 Spielen bei 20:10 Toren, oftmals dank schneller Konter, direkter Pässe in die Spitze und der Kunst, ein 1:0 über die Zeit zu bringen. Inzwischen steht die Null nur noch vorne: in den sechs Bundesligaspielen der neuen Saison holte der VfB gerde mal zwei Zähler bei 3:9 Toren, im Pokal scheiterte man mit einem 0:2 am Drittligisten Hansa Rostock. Frappierend: Alle Treffer erzielte der VfB vergangenen Freitag beim 3:3 in Freiburg. Nur 15 Chancen kreierte Stuttgart in den fünf Ligaspielen, mit Abstand die wenigsten der 18 Clubs.
Wie soll man so ein Spiel gewinnen?
Korkut hat viel experimentiert. In Leipzig versuchte er es mit neuen Außenverteidigern und einer Raute im Mittelfeld, die sich, wenn sich Stürmner Chadrac Akolo zurückfallen ließ, zuweilen zum 4-1-4-1 neigte. Doch die Änderungen gingen nach hinten los. Pablo Maffeo und Borna Sosa in der Viererkette waren mit Leipzigs schnellen Außen ebenso überfordert, wie die ganze Mannschaft mit dem Ballbesitz, den RB ihnen schenkte. Leipzig zeigte auch eindrucksvoll, wie man diese Stuttgarter schlägt: indem man sie selbst auskontert.
Dennis Aogo war mit Spieleröffnung und Balleroberung ebenso überfordert wie sein auf diversen Positionen entäuschender Vorgänger Gonzalo Castro. Von den Außen Thommy und Akolo kam so gut wie nichts, Mario Gomez hing in der Luft. 28-mal passte der VfB in der 20. Minute den Ball hin und her, ohne dass er den Mittelkreis überschritt, fand spiegel.de in seiner Datenanalyse heraus. Ein Zeichen der Hilflosigkeit des VfB. Nur Santiago Ascacibar und Kapitän Christian Gentner wehrten sich mit Verve gegen die nächste Pleite, Letzterer sprach danach von Angst in den Köpfen.
Wie Glaube, Liebe, Hoffnung, die Antagonisten der Angst, und vor allem Kreativität ins VfB-Spiel einkehren sollen, bleibt die Frage. Der von Wolfsburg zurückgeholte Daniel Didavi, eigentlich der Mann für letzte Pässe und Tore aus der zweiten Reihe, steht nach Achillessehnenproblemen gegen Bremen zwar wieder im Kader, wird aber Zeit brauchen. Anastasios Donis, bester Mann beim 0:3 gegen Bayern, scheint seit seiner Trainerkritik nach der Auswechslung ebendort untendurch zu sein. Und Daniel Ginczek, der im Frühling für Mario Gomez mitlief und auch selbst siebenmal traf, ist längst in Wolfsburg. Der VfB, sagte er im Sommer, habe ihm klargemacht, nicht mehr mit ihm zu planen.
Badstuber könnte helfen
Eine Einschätzung, die Sportvorstand und Kaderplaner Michael Reschke nun um die Ohren fliegt. Reschke hat für viel Geld viel Fantasie und Potenzial eingekauft, aber wenig Realität. Routiniers wie Dennis Aogo und Gonzalo Castro scheint er überschätzt zu haben, die Wichtigkeit eines Ginczek oder auch von einem Teamplayer wie Matthias Zimmermann dagegen unterschätzt. „Stuttgart hat Qualität geholt und Mentalität abgegeben”, sagte Zimmermann, ehe er mit Düsseldorf ums Haar beim VfB gewann.
Einen Mentalitätsjoker hat Korkut immerhin noch: Holger Badstuber, den er nach seinen Fehlern zum Start – wie im Vorjahr mit Erfolg – auf der Sechs ausprobieren könnte. Badstuber kann mitreißen, Bälle erobern und feine Pässe spielen. Exakt das, was der VfB derzeit braucht.