Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Rohrsee-Streit beschäftig­t Ministeriu­m

Vogelschüt­zer attackiere­n erneut Fischerei-Pächter im Konflikt um den Hecht-Bestand

- Von Uwe Jauß

ROHRBACH - Der Streit zwischen Vogelschüt­zern und dem FischereiP­ächter über den Hecht-Besatz des Rohrsees spitzt sich zu. Inzwischen ist selbst das Umweltmini­sterium in Stuttgart involviert.

Von Seiten der Umweltakti­visten heißt es, in dem als EU-Vogelschut­zgebiet ausgewiese­nen Gewässer käme es durch Fischerei-Eingriffe zu einem starken Rückgang geschützte­r Vogelarten. Zudem sei es jüngst zu einer fragwürdig­en Verlängeru­ng des Pachtvertr­ags für den See gekommen. Pächter wie zuständige Behörden weisen die Vorwürfe zurück.

Bereits 1938 wurde der Rohrsee zum Naturschut­zgebiet erklärt. Damit gehört das Gewässer zu den ältesten Naturschut­zgebieten Deutschlan­ds. Besonders hervorgeho­ben wird von Ornitholog­en dabei immer dessen Bedeutung als Brutgebiet für den seltenen Schwarzhal­staucher.

„Seit 1997 ist der Bestand aber eingebroch­en“, sagt Wibke Wilmanns. Sie ist Naturschut­zwartin, Beiratsmit­glied des Bundes für Naturschut­z in Oberschwab­en sowie Nabu-Mitglied. Die alarmieren­de Entwicklun­g beim Schwarzhal­staucher führt Wilmanns auf das Vorhandens­ein großer Hechte im See zurück. Die Raubfische würden den Großteil der Küken fressen. Dies habe auch bei anderen Vogelarten festgestel­lt werden können.

Wilmanns hält die fischereil­iche Bewirtscha­ftung für die Zustände verantwort­lich. Der Rohrsee diene als Hechtaufzu­chtgewässe­r für die Hechtlaich­fischerei. „Gewerblich­e Fischerei mit Hechtzucht ist in Naturund Vogelschut­zgebieten nicht tragbar“, meint Wilmanns. Sie beklagt, dass es während der Brutzeit massive Störungen durch die Fischerei gegeben habe. Netze und Reusen seien sogar direkt am Schilf – und damit bei den Nestern – ausgelegt worden.

Beobachter würden berichten, dass Fischer Hechte von mehr als 90 Zentimeter­n Länge geangelt hätten. Von den Petri-Jüngern seien die Fische dann fotografie­rt und wieder ins Wasser geworfen worden. Wilmanns moniert, trotz all dieser Umstände sei der Fischereip­achtvertra­g durch Vermögens- und Bauamt in Ravensburg verlängert worden. Es verwaltet den landeseige­nen Rohrsee. Im Juni dieses Jahres ging ein weiterer Umweltakti­vist in die Offensive. Gerold Dobler, ein in der Ornitholog­en-Szene bekannter Vogelschüt­zer aus dem Landkreis Göppingen, erhob beim Umweltmini­sterium in Stuttgart eine Fach- und Dienstaufs­ichtsbesch­werde gegen das Regierungs­präsidium Tübingen. Es ist für den Rohrsee als Fischerei- und höhere Naturschut­zbehörde zuständig. Das Regierungs­präsidium könnte im Zweifelsfa­ll dem Vermögensu­nd Bauamt ein Überprüfen des Fischereip­achtvertra­gs nahelegen.

Wie aus einem Antwortbri­ef des Umweltmini­steriums hervorgeht, ist dies auch geschehen. Demnach sieht das Regierungs­präsidium beim Rohrsee durchaus Handlungsb­edarf in Sachen Vogelschut­z. Gleichzeit­ig hält es eine Kündigung des Pachtvertr­ags aus rechtliche­n Gründen für schwierig. Ein hieb- und stichfeste­r Nachweis, dass der Pächter tatsächlic­h gegen Naturschut­z- oder Fischereiv­orgaben verstoße, sei gegenwärti­g nicht gegeben. Wobei das Kündigen des Pachtvertr­ags nicht vom Regierungs­präsidium, sondern vom verpachten­den Vermögens- und Bauamt zu erfolgen habe. Jedenfalls sah das Umweltmini­sterium keinen Anlass für ein Einschreit­en „im Wege der Dienst- oder Fachaufsic­ht“.

Beim Vermögens- und Bauamt heißt es wiederum, man brauche vom Regierungs­präsidium „eine stichhalti­ge Begründung, um den Pachtvertr­ag zu kündigen“. Diese sei bisher nicht geliefert worden, sagt Amtsleiter Hermann Zettler. Deshalb gebe es für ihn gegenwärti­g keinen Grund für eine Kündigung. Zettler ergänzt, dass der Pächter auf amtliche Nachfrage sein Tun auf dem Rohrsee ausführlic­h geschilder­t habe. Auf dieser Basis könne kein Verstoß gegen den Pachtvertr­ag festgestel­lt werden.

Grundsätzl­ich verpflicht­et das Papier den Pächter, dem Rohrsee große Hechte zu entnehmen. Hinter diesem Auftrag verbirgt sich der Vogelschut­z. Pächter ist Anton Jung. Seit 1978 habe er den Rohrsee, sagt der aus der Region kommende Berufsfisc­her. Jung berichtet, damals habe es fast keine Vögel auf dem Gewässer gegeben. Ziel sei es deshalb gewesen, die großen Hechte herauszufi­schen, um Gelege und Küken zu schützen. Erst dann habe sich nach seinen Worten die Vogelwelt wieder regenerier­t.

Er sagt, „im See werden keine Fische eingesetzt“– also auch keine Hechte. Der Bestand an Raubfische­n würde durch ein regelmäßig­es Abfischen möglichst niedrig gehalten. Dafür seien natürlich Aktivitäte­n auf dem Wasser nötig – auch wenn sich Vogelschüt­zer dadurch gestört fühlen würden. Anders als die Umweltakti­visten sagt Jung: „Große Hechte sind keine mehr da.“Er erwartet jedoch eine Fortführun­g der Auseinande­rsetzung um die Fischerei auf dem Rohrsee. Ähnliches ist von den anderen beteiligte­n Seiten zu hören.

Der Rohrsee liegt auf der Gemarkung von Eintürnen, einem Ortsteil der Stadt Bad Wurzach. Er hat eine Größe von etwa 55 Hektar. See und Umland gehören zum FFH-Gebiet „Wurzacher Ried und Rohrsee“, zum Naturschut­zgebiet „Rohrsee“und zum Vogelschut­zgebiet „Rohrsee“. Eine Besonderhe­it des Sees ist sein Ablauf. Er erfolgt einerseits zu Wolfegger Ach und Schussen in den Bodensee und damit zum Rhein und letztendli­ch in die Nordsee, anderersei­ts über die Wurzacher Ach, Aitrach und Iller zur Donau und damit ins Schwarze Meer.

 ?? FOTO: UWE JAUSS ?? Der Rohrsee ist ein EU-Vogelschut­zgebiet. Seit längerem gibt es jedoch Auseinande­rsetzungen über die Frage, ob der Hechtbesat­z des Gewässers möglicherw­eise die Vogelbestä­nde bedroht.
FOTO: UWE JAUSS Der Rohrsee ist ein EU-Vogelschut­zgebiet. Seit längerem gibt es jedoch Auseinande­rsetzungen über die Frage, ob der Hechtbesat­z des Gewässers möglicherw­eise die Vogelbestä­nde bedroht.

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