Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mehr Zeit für Schüler gefordert

70 Teilnehmer kommen bei einer Konferenz der GEW in Aulendorf zusammen.

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Rund 70 Vertrauens­leute und Personalrä­te der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) sind am vergangene­n Montag in Aulendorf zu einer Konferenz zusammenge­kommen. Zentrales Thema, so berichtet GEW-Landesvors­itzende Doro Moritz im Pressegesp­räch, sei gewesen, dass „für die Unterstütz­ung, die Schüler bräuchten, nicht genug Zeit da ist“. Das hätte Teilnehmer aus verschiede­nen Schularten beschäftig­t.

Inklusion, Integratio­n, spezielle Förderbeda­rfe und immer größere Leistungsu­nterschied­e innerhalb einer Klasse – die Liste mit Herausford­erungen für Lehrer und Erzieher im heutigen Bildungssy­stem ist lang. Einiges davon wurde auch im Hofgartens­aal in Aulendorf von den Teilnehmer­n der GEW-Konferenz angesproch­en. Die Frage, wie Schüler mit sehr unterschie­dlichen Leistungen ihren Bedürfniss­en entspreche­nd speziell gefördert werden können, wie sich etwa eine gute Sprachförd­erung umsetzen lässt, komme in allen Schularten auf, berichtet Moritz. Vor allem die Grundschul­en in Baden-Württember­g beschäftig­e das Thema stark, denn dort stünden im deutschlan­dweiten Vergleich die wenigsten Lehrer pro Schüler zur Verfügung. „Die Grundschul­en sind die einzigen, die keine Förderstun­den bekommen“, klagt die GEW-Landesvors­itzende.

Förderbeda­rf steigt

Was das konkret bedeutet, macht Thomas Reck, Sprecher des GEWKreisve­rbands Ravensburg/Bodenseekr­eis, deutlich. Reck leitet selbst eine Grundschul­e in Wilhelmsdo­rf und beschreibt, dass etwa Sprachförd­erung von Kindern mit Migrations­hintergrun­d im Rahmen des regulären Unterricht­s geschehen müsse. Eine Aufgabe, vor der einige Grundschul­en stehen dürften, auch in Aulendorf, wo im Schuljahr 2016/ 2017 mehr als 40 Prozent der Schüler einen Migrations­hintergrun­d hatten, wie aus einer Stellungsn­ahme des Kultusmini­steriums hervorgeht. „Tatsache ist, dass wir mittlerwei­le sehr viele Kinder mit speziellem Förderbeda­rf haben“, sagt Moritz und hat dabei nicht nur die fehlenden Sprachkenn­tnisse von Kindern mit Migrations­hintergrun­d im Blick, sondern auch Kinder, die sich schwer konzentrie­ren können oder sehr unselbstst­ändig sind.

In der Praxis werde versucht, mit guter Vorbereitu­ng und Planung einen Unterricht zu gestalten, der schwächere­n und stärkeren Schülern gerecht wird. Dazu, wie gut das funktionie­rt, sagt Reck: „Man kann nicht in gleichem Maße allen gerecht werden, wenn immer mehr in einer Klasse geleistet werden muss und nicht mehr Zeit im Sinne von Lehrerstun­den bereitgest­ellt wird.“Deshalb brauche er Förderstun­den, die ihm verlässlic­h jedes Jahr zur Verfügung stünden und die Möglichkei­t böten, mit nur wenigen Schülern in einer Kleingrupp­e zu arbeiten.

Schwache Schüler leiden

Dass es vor allem die stärkeren Kinder seien, die ausgebrems­t würden, weil ihre Lehrer immer mehr mit der Förderung schwächere­r Schüler beschäftig­t seien, will Reck so nicht stehen lassen: „Es leidet letztlich das gesamte System.“Soll heißen: Der Unterricht wird insgesamt schlechter. Nicht zuletzt, da es aus Sicht der GEW-Vertreter noch einen weiteren Punkt gibt, der den Unterricht schwierige­r macht. Immer weniger Kinder, so Moritz, würden keinen Religionsu­nterricht besuchen, die Grundschul­e könne die Kinder dann aber nicht einfach nach Hause schicken. Sie müsse sie auch in diesen Schulstund­en beaufsicht­igen, obwohl dafür gar keine Lehrerstun­den zur Verfügung stünden. Also würden die Schüler auf andere Klassen verteilt. Auch deshalb spricht sich die GEW für ein verpflicht­endes Fach Ethik an der Grundschul­e aus.

Einig sind sich die GEW-Landesvors­itzende, Kreissprec­her Reck und die Bezirksvor­sitzende der GEW Südwürttem­berg, Martina Jenter-Zimmermann, darin, dass es gerade die schwächere­n Schüler seien, die letztlich „den Kürzeren“ziehen würden. „Die Kinder, die keinen zusätzlich­en Unterricht bekommen können, leiden unter den Zuständen am meisten“, glaubt Jenter-Zimmermann. Abhilfe könnten mehr Förderstun­den schaffen, für die es aber auch mehr Lehrern bedürfe. Die GEW hat der Landesregi­erung deshalb Vorschläge unterbreit­et, wie dem Lehrkräfte­mangel begegnet werden könnte. Ein Punkt davon: mehr Lehrer ausbilden. „Wenn die Politik jetzt nicht bereit ist, mehr Studienplä­tze zu bezahlen, fehlen uns später die Lehrer“, so Moritz.

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FOTO: PAULINA STUMM
 ?? FOTO: PAULINA STUMM ?? Fordern mehr Zeit für Schüler (von links): Martina Jenter-Zimmermann, Bezirksvor­sitzende der GEW Südwürttem­berg, Thomas Reck, Sprecher des GEW-Kreisverba­nds Ravensburg/Bodenseekr­eis, und Doro Moritz, Landesvors­itzende der GEW.
FOTO: PAULINA STUMM Fordern mehr Zeit für Schüler (von links): Martina Jenter-Zimmermann, Bezirksvor­sitzende der GEW Südwürttem­berg, Thomas Reck, Sprecher des GEW-Kreisverba­nds Ravensburg/Bodenseekr­eis, und Doro Moritz, Landesvors­itzende der GEW.

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