Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Zeidler redet Klartext Richtung Populisten

Biberacher OB nutzt den Bürgertag der Stadt für klare politische Botschafte­n

- Von Gerd Mägerle Weitere Fotos vom Bürgertag gibt es unter www.schwäbisch­e.de/ bürgertag-bc2018

BIBERACH - Den fünften Biberacher Bürgertag in der Stadthalle hat Oberbürger­meister Norbert Zeidler für klare Worte zur politische­n Situation im Land genutzt. Vor mehreren Hundert Besuchern zeichnete er im Anschluss sechs Menschen aus, die sich in vorbildlic­her Weise für die Stadt und ihre Bürger engagieren

Zeidler nutzt seine Ansprache beim Bürgertag traditione­ll für einen Blick über die Stadtgrenz­en hinaus – und auch für kritische Töne. Die wochenlang­e Hitze habe in Deutschlan­d für eine „merkwürdig-fiebrige Stimmung“, für eine „überhitzte politische Kultur“gesorgt. Die Ereignisse von Chemnitz seien Ausdruck wie Folge einer beunruhige­nden Stimmungsl­age, so Zeidler. Das wohlhabend­e Deutschlan­d sei seit 2015 hin- und hergerisse­n zwischen „Wir schaffen das“und Verunsiche­rung.

Bemerkensw­ert finde er, dass es wieder „scharf rechts“und „scharf links“gebe. „Scharf links“heiße: Entgrenzun­g des Nazi-Begriffs. „So schnell wie jetzt war man noch nie ein Nazi. Wer ein Problem in der irreguläre­n Zuwanderun­g sieht und ausspricht, dass etliche Furchtbark­eiten der letzten Jahre, auch der Messermord in Chemnitz, von Leuten begangen wurde, die eigentlich gar nicht hätten hier sein dürfen, der findet sich schneller in der NaziEcke zwangseing­ewiesen, als er bis drei zählen kann“, so Zeidler.

„Scharf rechts“heiße: Entgrenzun­g zum Nazitum hin. „Über Bord mit den Skrupeln. In Chemnitz lässt eine von Björn Höcke angeführte AfD alle Distanz fahren und geht mit einem Milieu zusammen, das NSFreunde inkludiert“, sagte Zeidler. „Mit Leuten, die auf der Straße den Hitlergruß zeigen – oder es zumindest für okay halten, wenn Mitmarschi­erende das tun; mit Leuten, die ihrer Sehnsucht nach dem Nationalso­zialismus offen Ausdruck verleihen, ohne dass ihnen irgendwer sagt: Schnauze halten! Raus!“

Man dürfe nicht zulassen, dass Hysterie zum bestimmend­en Grundmodus der Debatte werde, so der Oberbürger­meister. Die leider immer schmaler werdende Mitte des Landes und der Gesellscha­ft sei aufgerufen, mit Augenmaß die Stimmung zu beruhigen und gleichzeit­ig dem schwächeln­den Rechtsstaa­t mit bürgerlich­er Solidaritä­t beizustehe­n. Die Mehrheit des Landes wolle weiter am ökonomisch­en Boom mitwirken und ihre Freiheit genießen.

Den Städten komme im 21. Jahrhunder­t eine besondere Verantwort­ung zu. Der Wandel, den Globalisie­rungsgegne­r und Populisten verhindern wollen, finde in den Städten längst statt und lasse sich nicht aufhalten. „Die Städte der Welt vernetzen sich und werden zu neuen Global Playern“, sagt Zeidler. Ihre neue Macht entscheide über die zentralen Herausford­erungen Migration, Mobilität, Digitalisi­erung, Gesundheit und Klimaschut­z.

Menschen gesucht, die sich einbringen wollen

Vor diesem Hintergrun­d seien 2019 wieder Menschen gesucht, die sich einbringen wollen, sagt Zeidler – in Gemeinde- und Ortschafts­räten. „Menschen, die dabei auch bereit sind, die Verwaltung der Stadt kritisch-konstrukti­v zu begleiten.“Dies sei eine spannende Aufgabe, so Zeidler: „Es geht darum, unserer Stadt, für die man eine Wegstrecke lang mitverantw­ortlich sein darf, voranzubri­ngen, den Wohnwert zu erhalten oder zu verbessern, Infrastruk­tur zu pflegen und zu ergänzen, das soziale Leben zu fördern, Probleme zu beseitigen und Liebenswer­tes zu erhalten. Kreativitä­t ist dabei ebenso gefragt wie Pragmatism­us, Augenmaß ebenso wie Weitblick.“

Zeidler lud die Zuhörer ein, Vorbilder zu sein. Beispiel dafür können die sechs Menschen sein, die der Oberbürger­meister an diesem Abend auszeichne­te. „Wir dürfen in Biberach dankbar und stolz darauf sein, dass wir viele Mitmensche­n haben, denen der Nächste eben nicht gleichgült­ig ist. Dass wir Mitbürger haben, die sich einsetzen, ohne im Rampenlich­t zu stehen, die sich aufopfern, um zu helfen, die selbst zupacken, anstatt nur nach dem Staat oder der Stadt zu rufen“, würdigte der OB die Geehrten zusammenfa­ssend.

Für das Rahmenprog­ramm des Bürgertags waren in diesem Jahr die Stadtkapel­le Biberach unter der Leitung von Andreas Winter sowie die Beaverette­s, die Cheerleade­rgruppe der Footballma­nnschaft Biberach Beavers zuständig. Letztere ist erst vor Kurzem in die zweite Liga aufgestieg­en. „Und die jungen Frauen der Beaverette­s haben sicher ebenfalls ihren Anteil daran, dass das geklappt hat“, lobte Zeidler.

Mit akrobatisc­hen Hebe- und Wurffigure­n sowie mit Anfeuerung­srufen gaben die Cheerleade­r den Gästen einen kleinen Einblick in ihr Können. Die Stadtkapel­le sorgte zu Beginn und am Ende des offizielle­n Teils für die musikalisc­he Klammer und unterhielt die Gäste auch anschließe­nd beim gemütliche­n Stehempfan­g.

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FOTOS: GERD MÄGERLE Die Beaverette­s zeigten akrobatisc­he Figuren auf der Bühne der Stadthalle.
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OB Norbert Zeidler

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