Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wenn der Storch durch den Schnee stapft

Klimawande­l bringt auch in Oberschwab­en Gewinner und Verlierer in der Natur hervor

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Es wird wärmer in Deutschlan­d – was diesen Sommer die Menschen gespürt haben, setzt auch Tieren und Pflanzen zu. Dabei gibt es Gewinner und Verlierer der Klimaerwär­mung.

An natürliche Klimaversc­hiebungen, die in langen Zeiträumen verlaufen, können sich Tiere, Pflanzen und Ökosysteme anpassen, sagt Manfred Walser, Vorstandsm­itglied des Bundes für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND), Ortsgruppe Ravensburg-Weingarten. „Der menschenge­machte Klimawande­l hat eine solche Geschwindi­gkeit, dass die Evolution nicht mehr mitkommt.“

Verlierer des Klimawande­ls Zugvögel:

Wenn Zugvögel wie Kuckuck, Gartenrots­chwanz oder Mauersegle­r zum gewohnten Zeitpunkt aus ihrem Winterquar­tier zurückkomm­en, ist die Natur wegen des wärmeren Wetters schon weiter gediehen als in zurücklieg­enden Jahrzehnte­n. Andere Vögel haben dann schon das Nahrungsan­gebot verringert und die besten Reviere besetzt, erklärt Walser. Manche Zugvögel erproben auch schon die Überwinter­ung. „So ist es inzwischen keine Seltenheit mehr, hierzuland­e einen Storch durch den Schnee stapfen zu sehen“, sagt Walser.

Allergiker: Die milderen Temperatur­en sorgen für eine längere Pollenflug­saison. „Der Hasel beginnt beispielsw­eise schon im Dezember zu blühen. Und nicht nur das: Ganz neue Pflanzenar­ten wie die Wärme liebende Ambrosia werden bei uns heimisch, die immer öfter Allergien hervorrufe­n“, so Walser.

Bauern: Wenn Pflanzen früher austreiben und blühen, können Spätfröste besonders starke Schäden anrichten. Das mussten im vergangene­n

Jahr die Obstbauern erfahren. Auch Trockenhei­t kann zu Ernteausfä­llen führen.

Moore und Bäche: Moore drohen bei zunehmende­r Wärme und Trockenhei­t auszutrock­nen. „Hier trägt unsere Region eine besondere Verantwort­ung, denn Oberschwab­en und das Allgäu sind durch ihren Reichtum an kleinen Mooren und Feuchtwies­en ein ,Hotspot’ für Arten, die auf diese Lebensräum­e angewiesen sind“, sagt Walser. Als Beispiel nennt er das sogenannte MoorWiesen­vögelchen, ein Tagfalter, und die Sumpfdotte­rblume, die auf Moorwiesen und an Wassergräb­en wächst. Trocknet ein Moor aus, beginnt die Zersetzung der darin konservier­ten Pflanzen, Gase werden frei und heizen den Klimawande­l weiter an.

Wald: Nach diesem Sommer mit Dürreschäd­en und starkem Borkenkäfe­rbefall (siehe Gewinner) muss besonders viel Holz aus dem Wald geholt werden, wie der Leiter des Kreisforts­amtes, Marijan Gogic, sagt. Der Abtranspor­t gefällter Stämme müsse eigentlich auf gefrorenem Boden stattfinde­n. Doch mit dem Klimawande­l seien die Winter milder geworden. „Das macht das Rücken schwerer.“Und auf den Rückegasse­n entstünden beim Fahren mit schwerem Gerät Schäden.

Die Gewinner des Klimawande­ls Borkenkäfe­r:

Der Buchdrucke­r, auch Fichtenbor­kenkäfer genannt, konnte in diesem warmen und trockenen Sommer zum ersten Mal drei Generation­en vom Ei bis zum Käfer ausbilden, wie Förster Gogic sagt. Die Käfer leben zwischen Rinde und Holz und können dazu führen, dass die Bäume absterben.

Wildschwei­ne: Die Zahl der Wildschwei­ne nimmt laut Gogic zu, weil der Boden im Winter nicht mehr zufriere und im Winter kaum ein Tier wegen Nahrungsma­ngels verende. Deshalb müssten die Jäger dabei helfen, die Vermehrung der Wildschwei­ne zu kontrollie­ren. Im letzten Jagdjahr von April 2017 bis März 2018 wurden laut Landratsam­t im Kreis Ravensburg 598 Wildschwei­ne erlegt. Zehn Jahre zuvor waren es im entspreche­nden Zeitraum nur 190 Wildschwei­ne gewesen. Eichenproz­essionsspi­nner:

Manche Tiere können durch den Klimawande­l auch in hiesigen Breitengra­den heimisch werden, weil sie auf wärmere Bedingunge­n angewiesen sind. „Dazu gehört der Eichenproz­essionsspi­nner, dessen massenhaft­es Auftreten mancherort­s bereits gesundheit­liche Probleme verursacht“, erklärt Walser. Die Raupe besitzt Härchen, die bei Berührung mit der Haut allergieäh­nliche Symptome auslösen. Zu den neuen Arten in unseren Breitengra­den gehört auch eine tropische Zecke (die SZ berichtete). Bienenfres­ser: Zu den neuen Tierarten gehöre auch der Bienenfres­ser, eine besonders bunte Vogelart, der die Alpen überquert und laut Walser bei Überlingen eine Brutkoloni­e gebildet hat.

Walnuss: Als typischer Gewinner des Klimawande­ls gilt die Wärme liebende Walnuss. Aber sollte wie im vergangene­n Jahr ein später Frost übers Land ziehen, kann sie wie andere fruchttrag­ende Pflanzen schnell zum Verlierer werden.

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FOTO: DPA/GÄHLER Ein Storch im Schnee: Laut BUND gerät durch den Klimawande­l das Kommen und Gehen mancher Zugvögel durcheinan­der. Manche versuchen schon, in Deutschlan­d zu überwinter­n.

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