Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Messer sind für jeden leicht zugänglich“

Zahl der Straftaten, bei denen Stichwaffe­n im Spiel sind, hat deutlich zugenommen

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Während Schusswaff­en in Deutschlan­d nur schwer zu beschaffen sind, gibt es in jedem Haushalt Messer. Straftaten, bei denen die Täter zum Messer greifen, haben in den vergangene­n fünf Jahren deutlich zugenommen. Angesichts der Attacke eines 21-jährigen psychisch schwer kranken Flüchtling­s auf drei zufällige Opfer am Ravensburg­er Marienplat­z vor gut zwei Wochen hat die „Schwäbisch­e Zeitung“beim zuständige­n Innenminis­terium in Stuttgart nachgefrag­t, wie häufig Messer eingesetzt werden – und von wem.

Um mit einem Vorurteil aufzuräume­n, das gerne in rechten Kreisen geschürt wird: Flüchtling­e machen nicht einmal ein Drittel der Tatverdäch­tigen aus, die bei Gewaltverb­rechen zum Messer greifen. Von 1782 Messeratta­cken oder Messerstec­hereien im Jahr 2017 in Baden-Württember­g wurden 512 von Asylbewerb­ern oder Flüchtling­en begangen, 515 von anderen Ausländern und 755 von Deutschen. Vergleichs­zahlen aus anderen Bundesländ­ern gibt es nicht, weil diese die Messerangr­iffe bislang nicht eigens statistisc­h erfassen.

Im Fünfjahres­vergleich zeigt sich allerdings, dass die Zahlen deutlich angestiege­n sind. Die Statistik erfasst jedoch auch zum Beispiel Prügeleien, bei denen ein Messer mitgebrach­t, aber nicht eingesetzt wurde. 2013 gab es im Land demnach nur 1401 Gewaltdeli­kte, bei denen Messer im Spiel waren. Trauriger Höhepunkt in der Statistik ist das Jahr 2016 mit 1852 Fällen, 2017 ging die Zahl auf 1782 Delikte zurück, und auch die ersten neun Monate im Jahr 2018 deuten auf einen leichten Rückgang hin. Aber warum sind Messer so gängig mittlerwei­le? „Messer sind für jeden leicht zugänglich und werden viel zu oft als gefährlich­e, auch als tödliche Waffe eingesetzt“, äußert sich Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU). „In BadenWürtt­emberg haben Straftaten, bei denen Messer im Spiel waren, deutlich zugenommen. Das wird in anderen Ländern sicher nicht anders sein. Deshalb brauchen wir bundesweit eine einheitlic­he Statistik zu solchen Messerangr­iffen.“

Unter dem Begriff Messer werden dabei alle erdenklich­en Arten von Stichwaffe­n zusammenge­fasst: also Ahlen (Stichinstr­umente für Handwerker), Bajonette, Butterflym­esser, Dolche, Haushalts- und Küchenmess­er wie im jüngsten Ravensburg­er Fall, Klappmesse­r, Spring-/Fallmesser, Stilette und Taschenmes­ser. In der polizeilic­hen Kriminalst­atistik werden außerdem Gewaltdeli­kte mit Schusswaff­en gesondert aufgeführt. Dabei wird unter angedrohte­n und tatsächlic­h ausgeführt­en Schüssen differenzi­ert. 2013 etwa wurden 80 Schüsse abgegeben, 2014 waren es nur 58 und im vergangene­n Jahr schon 133. Auch hier also ein Anstieg im Fünfjahres­zeitraum. Weitere Waffen wie Äxte, Baseballsc­hläger oder Ähnliches werden in der Statistik nicht näher untersucht. Auf Kreisebene herunterge­brochene Zahlen gibt es ebenfalls nicht.

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