Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Katholiken widerrufen „Ravensburger Erklärung“
Nach Gespräch mit Bischof Fürst gibt es keine offene Einladung zur Kommunion für alle mehr – Ärger ist groß
RAVENSBURG - „Vom Trennen zum Teilen“– und wieder zurück zum Trennen: Am 8. Oktober 2017 haben die katholischen und evangelischen Kirchen in Ravensburg sowie Oberbürgermeister Daniel Rapp die viel beachtete „Ravensburger Erklärung“unterzeichnet. Deren Kern: Beide Konfessionen laden alle Christen zu gemeinsamer Kommunion und Abendmahl ein. Jetzt der Widerruf: In der Folge eines Gesprächs mit Bischof Gebhard Fürst in Rottenburg hat der katholische Pfarrer Hermann Riedle eine „Erklärung zur Erklärung“veröffentlicht. In der mit dem Bischofsbüro abgestimmten Mitteilung heißt es: „Bischof Fürst hat mir die Rechtsgrundlage der Katholischen Kirche dargelegt, die eine Zulassung eines evangelischen Christen nur im Einzelfall vorsieht. Eine offene Einladung an alle ist (noch) nicht möglich.“Rapp und die evangelische Kirche reagieren verärgert.
Eigentlich sollte es an diesem Freitag ein gemeinsames Fest der Ravensburger Ökumene geben, stattdessen ist jetzt ein Schweigemarsch (Beginn um 19 Uhr) von der Evangelische Stadtkirche zur katholischen Liebfrauenkirche geplant. Der hoffnungsvolle Aufbruch scheint jäh gestoppt. Seit November 2015 ermuntern in Ravensburg die ökumenischen Arbeitsgruppen „Kirche lädt ein“und „Kirche in der Stadt“an jedem ersten Sonntag im Monat dazu, eine Menschenkette von Gotteshaus zu Gotteshaus zu knüpfen, um sich für die „wechselseitige Gastfreundschaft auf Augenhöhe“einzusetzen.
Die „Ravensburger Erklärung“im Herbst 2017 bildete das konkrete Ergebnis der Aktion. Unter dem Motto „Vom Trennen zum Teilen“stand am 8. Oktober im Jahr des Reformationsjubiläums ein symbolischer Akt mit einer 400 Meter langen Tafel und 2000 Teilnehmern. Es folgte die feierliche Ratifizierung der „Ravensburger Erklärung“. Dass Ravensburg der Ort für dieses selbstbewusste Zeichen der Ökumene war, lässt sich auch historisch erklären. In der ehemals paritätischen freien Reichsstadt übte man schon früh das Miteinander der Konfessionen. Die Stadtkirche diente bis zum Jahr 1806 beiden Konfessionen als Gotteshaus.
Nun die Ernüchterung. Hermann Riedle, Pfarrer der Seelsorgeeinheit Ravensburg Mitte: „Mit der Ravensburger Erklärung wollten wir deutlich machen, dass die Teilnahme an Kommunion beziehungsweise Abendmahl Christen der verschiedenen Konfessionen ein Anliegen und geistliches Bedürfnis ist. Mit dieser Erklärung haben wir eine Erwartung erzeugt, die wir leider so nicht erfüllen können.“Bischof Fürst habe ihm die Rechtsgrundlage der katholischen Kirche dargelegt, „die eine Zulassung eines evangelischen Christen nur im Einzelfall vorsieht“. Riedle in der vom Bischofsbüro zuvor freigegebenen Mitteilung weiter: „Wir bedauern, dass wir in der Seelsorgeeinheit Ravensburg Mitte daher leider auch weiterhin keine offene Einladung an nichtkatholische Christen zur Kommunion aussprechen können.“
Enttäuschung und Bedauern
Mit Enttäuschung und „großem Bedauern“haben evangelische Geistliche aus Ravensburg reagiert. Dekan Friedrich Langsam erklärte auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass er sich zusammen mit vielen anderen Christen beider Konfessionen von dem vom Ravensburger Konzil 2013 angestoßenen und engagiert verfolgten Prozess eine Öffnung in der Frage des gemeinsamen Abendmahls erhofft habe. Entsprechend seien die Aktion vom „Vom Trennen zum Teilen“und die Unterzeichnung der „Ravensburger Erklärung“mit großen Erwartungen verbunden gewesen. „Umso ernüchternder war auch für uns Evangelische das klare Verbot einer Gewährung gegenseitiger Gastfreundschaft durch Bischof Fürst und das Bischöfliche Ordinariat“, so Langsam. „Wir sehen darin einen Rückschritt in der Annäherung der beiden Konfessionen. Ungeachtet dieser Entscheidung, die sich auf das geltende Kirchenrecht stützt, laden wir im evangelischen Gottesdienst weiterhin Christen aller Konfessionen ein.“
Der Ravensburger evangelische Stadtpfarrer Martin Henzler-Hermann zeigt sich „ernüchtert und enttäuscht“über die Reaktion aus Rottenburg. Nach evangelischem Verständnis ändere sich freilich nichts, lade er selbst doch seit vielen Jahren ausdrücklich alle Christen zum gemeinsamen Abendmahl ein. Leid tue es ihm um die vielen engagierten Christen, die sich für den ökumenischen Prozess eingesetzt haben. Geradezu empört zeigt sich HenzlerHermann über das Verhalten von Bischof Gebhard Fürst. „Soll er doch nach Ravensburg kommen und seine Haltung öffentlich erläutern und darüber diskutieren“, so der evangelische Pfarrer. Einfach einen Priester nach Rottenburg zu zitieren, so ginge es nun wirklich nicht. Die Ravensburger Erklärung „Alle sind eingeladen“
sei immerhin von allen Vertretern der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Ravensburg und von Oberbürgermeister Daniel Rapp unterschrieben worden. Deshalb hält Henzler-Hermann die Erklärung nicht offiziell für widerrufen. „Mich ärgert es ganz persönlich, dass Bischof Fürst meint, er kann das innerkatholisch klären, indem er einfach einen Priester maßregelt.“
Auch Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp findet die Entwicklung „in hohem Maße ärgerlich“: „Die Menschen verstehen eine solche Haltung nicht mehr. Wenn das das Kirchenrecht vorgibt, dann muss man halt das Kirchenrecht ändern.“Aus vielen Gesprächen wisse er, dass das Unverständnis bei katholischen Gläubigen angesichts vieler Dogmen groß sei: „Wenn Frauen nicht Priester werden dürfen, wenn Priester nicht heiraten dürfen, dann ist das ganz weit weg von der Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Die Leute reagieren darauf mit Desinteresse und sie wenden sich ab.“