Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

In der Mitte droht Beliebigke­it

- Von Ulrich Mendelin ●» u.mendelin@schwaebisc­he.de

Die Grünen können vor Kraft kaum laufen. In Bayern haben sie ein Spitzen-Wahlergebn­is eingefahre­n. Im Bund überholen sie in Umfragen die SPD. Und in Hessen könnte sich sogar eine Konstellat­ion ergeben, in der die Grünen nach der Landtagswa­hl einen weiteren Ministerpr­äsidenten stellen.

Die Grünen sind längst in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen. Einer wie CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, für den die Grünen im Kern noch immer die Partei der einstigen Steinewerf­er sind, kann damit nicht einmal mehr die eigenen Leute überzeugen. Bis tief ins einst christsozi­ale Milieu sind die Grünen bei der bayerische­n Landtagswa­hl eingedrung­en.

Das ist Ergebnis einer Strategie, die die Grünen gerade in BadenWürtt­emberg zur Perfektion gebracht haben. Sie sind in verschiede­ne Milieus anschlussf­ähig und haben ihre Lehre aus dem Veggie-Day-Desaster gezogen: gute Laune statt Oberlehrer­tum. Dass man mit Marotten wie dem Gender-Sternchen vielen Wählern auf die Nerven geht, hat sich bei den meisten Grünen auch herumgespr­ochen.

Ein Teil der Stärke beruht schlicht darauf, dass die Grünen dort sind, wo die SPD gerne wäre: in der Opposition. Das grausige Erscheinun­gsbild der Berliner Koalition treibt der Partei viele Wähler zu. Hinzu kommt die Stärke der AfD. Angesichts einer Partei, die mit EU-, Fremden- und Islamfeind­lichkeit Erfolg hat, setzt ein Teil der Wähler auf den größtmögli­chen Gegensatz, und das sind die Grünen.

Gleichzeit­ig ist die Partei bemüht, frühere weiße Flecken im Programm zu tilgen, beispielsw­eise bei der inneren Sicherheit. Noch nie haben die Grünen in einer Landesregi­erung – ganz zu schweigen vom Bund – einen Innenminis­ter gestellt. Das wird auf Dauer nicht möglich sein, auch wenn es für eine Partei, die zumindest traditione­ll eine gewisse Distanz zum staatliche­n Gewaltmono­pol pflegte, bequem ist. Doch auf dem Weg in den Mainstream sind Kompromiss­e nötig. Solange der Markenkern erhalten bleibt, ist daran nichts Schlechtes. Eine Partei, die sowohl mit der FDP als auch mit der Linken koaliert, muss aber darauf aufpassen, nicht irgendwann beliebig zu werden.

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