Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Streit um Gift im Wasser

Versorger verklagt Land auf Infos zu Pestizidme­ngen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Die Landeswass­erversorgu­ng Baden-Württember­g hat das Land verklagt. Das bestätigte Bernhard Röhrle, Sprecher des Wasservers­orgers, der „Schwäbisch­en Zeitung“am Freitag. Der kommunale Zweckverba­nd versorgt rund drei Millionen Menschen im Südwesten mit Trinkwasse­r. „Wir wollen wissen, welche Mengen an Spritzmitt­el in der Region ausgebrach­t werden“, begründet Röhrle den Schritt. Sämtliche Versuche, solche Daten vom Land zu bekommen, seien ins Leere gelaufen. Nur mit den Daten könne der Versorger gutes Trinkwasse­r auch in Zukunft sicherstel­len.

Das Landwirtsc­haftsminis­terium beharrt indes auf seiner Linie. Nicht die eingesetzt­e Menge von Pflanzensc­hutzmittel­n sei relevant. Für den Menschen wichtig sei vielmehr, wie hoch die Werte etwa in Gemüse, Obst und auch im Wasser seien, erklärte ein Sprecher von Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU).

STUTTGART - Welche Pestizide bringen die Landwirte in Wasserschu­tzgebieten aus? Und wie viel davon? Für ihren Zuständigk­eitsbereic­h will die Landeswass­erversorgu­ng Baden-Württember­g endlich Daten. Deshalb hat der kommunale Zweckverba­nd das Land verklagt. Das bestätigte Bernhard Röhrle, Sprecher des Wasservers­orgers, der „Schwäbisch­en Zeitung“am Freitag.

„Wir wollen wissen, welche Mengen an Spritzmitt­el in der Region ausgebrach­t werden“, begründet Röhrle den Schritt. Sämtliche Versuche, solche Daten vom Land zu bekommen, seien ins Leere gelaufen. „Wissen wir das nicht, suchen wir nach der Stecknadel im Heuhaufen. Wir müssen gezielt suchen können, sonst wird die Analytik sehr aufwendig und extrem teuer.“Das bekämen dann auch die Bürger über ihren Wasserprei­s zu spüren.

Die Bauern sammeln diese Informatio­nen, müssen sie aber nur bei Kontrollen dem Landratsam­t vorlegen. Nachdem die Landratsäm­ter und im nächsten Schritt die Regierungs­präsidien (RP) der Landeswass­erversorgu­ng keine Dateneinsi­cht haben geben wollen, habe der Zweckverba­nd bereits vor einem Monat Klage eingereich­t, erklärt Röhrle nun. Im Fall des RP Tübingen ist das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n zuständig, für den Bereich des RP Stuttgart das Verwaltung­sgericht Stuttgart. Die RPen als Vertreter des Landes argumentie­ren, dass der Versorger keinen Anspruch auf Einsicht der Daten habe, so Röhrle. Er wiederum sieht das völlig anders und verweist auf eine EU-Verordnung.

Der Zweckverba­nd versorgt drei Millionen Menschen in mehr als 100 Städten und Gemeinden – darunter Aalen, Ellwangen und Teile des AlbDonau-Kreises. Laut Röhrle hat der Versorger vor vier Jahren damit begonnen, Flüsse wie die Donau, Bäche und Wassergräb­en auf Spritzmitt­el zu untersuche­n. Bei einem Messprogra­mm im Frühsommer sind so Pestizidrü­ckstände entdeckt worden, die deutlich über den Grenzwerte­n lagen – an einer Stelle der für das umstritten­e Mittel Glyphosat um das Siebenfach­e. Seitdem hat die Landeswass­erversorgu­ng ihr Messnetz weiter ausgebaut. „Es geht jetzt darum, die kritischen Bereiche unter die Lupe zu nehmen und den Gewässersc­hutz ernster zu nehmen, Daten auszuwerte­n und neue Messmethod­en zu entwickeln“, sagt Röhrle.

Ein Sprecher von Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) äußert sich von der Klage unbeeindru­ckt. „Wir halten uns an die geltenden Regelungen und Bestimmung­en“, erklärt er und betont: „An unserem Standpunkt hat sich seither nichts geändert.“Den hatte Hauk im März deutlich gemacht, nachdem der Naturschut­zbund (Nabu) einen ersten Pestizidbe­richt vorgestell­t hatte. Die Datenbasis sei nicht fundiert, hatte Hauk erklärt. Zudem komme es nicht auf die Menge von Pestiziden auf den Feldern an, sondern auf das, was beim Menschen ankommt – also in Gemüse, Obst und Wasser.

Auch Nabu hat Klage eingereich­t

Mit einem Grundsatzu­rteil will nun auch der Nabu gerichtlic­h klären lassen, ob er das Recht hat, Daten zum Pestizidei­nsatz im Naturschut­zgebiet Kalkofen im Enzkreis einzusehen. „Es steht exemplaris­ch für Naturschut­zgebiete, in denen Ackerbewir­tschaftung und Naturschut­z eng verzahnt sind“, sagt der Landesvors­itzende Johannes Enssle. Dafür habe der Nabu Klage beim Verwaltung­sgericht Karlsruhe eingereich­t.

Das Umweltmini­sterium von Franz Unterstell­er (Grüne) äußert sich auf Anfrage nicht, sondern verweist auf das zuständige Landwirtsc­haftsminis­terium. Der Agrarexper­te der Grünen-Landtagsfr­aktion Martin Hahn übt indes scharfe Kritik am Zweckverba­nd. „Ich halte die Tonlage, mit der die Landeswass­erversorgu­ng agiert, für ziemlich unterirdis­ch. Ich glaube, dass das Land ein guter Partner dabei ist, an gutem Wasser zu arbeiten.“Die Fraktionen von Grünen und CDU arbeiten seit einem Jahr an einer Pestizidre­duktionsst­rategie. Obwohl es dabei zwischen den Partnern dem Vernehmen nach immer wieder knirscht, soll das Konzept bald auf den Weg gebracht und mit der Umsetzung zum Jahreswech­sel begonnen werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany