Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ethnische Spannungen vor Wahl in Südtirol angeheizt
In Südtirol, der deutschsprachigen autonomen Region Italiens, wird am Sonntag der Landtag neu gewählt. 35 Mandate sind zu vergeben. Rechtspolitiker haben im Wahlkampf die ethnischen Spannungen wieder angeheizt.
Ein Volkstribun ist Arno Kompatscher nicht. Mit seiner smarten Erscheinung und dem graumelierten, exakt gestutzten Haar gleicht er eher einem Manager. An den kühlen Juristen, seit Januar 2014 Landeshauptmann, haben sich die Südtiroler bis heute nicht gewöhnt, zu krass unterscheidet er sich von seinen Vorgängern: Silvius Magnago, dem strengen Asketen und Vater der Südtiroler Autonomie, oder dem bulligen, machtbewussten Luis Durnwalder, der Südtirol regierte wie einen Erbhof. Neben diesen Patriarchen, die jeweils rund ein Vierteljahrhundert an der Macht waren, wirkt Kompatscher selbst mit seinen 47 Jahren wie ein Schüler.
Am Sonntag stellt sich der Vater von sieben Kindern der Wiederwahl. Seine Südtiroler Volkspartei (SVP), die vor fünf Jahren erstmals seit 1945 die absolute Mehrheit verloren hatte, muss mit weiteren Verlusten rechnen. Laut Umfragen stürzt die SVP auf 39 Prozent ab. Das bisherige Bündnis mit dem Partito Democratico (PD) dürfte für eine Mehrheit nicht mehr reichen.
Für die Autonomie schädlich
Profitieren werden laut Umfragen von den SVP-Verlusten die oppositionellen rechtspopulistischen Parteien: Die Freiheitlichen – ein Ableger der österreichischen FPÖ – und die SüdTiroler Freiheit könnten zusammen erneut ein Viertel der Stimmen einfahren. Doch eine Koalition mit den Los-von-Rom-Revanchisten kommt für Kompatscher nicht infrage. Das wäre Sprengstoff für die Autonomie, die Italien vor knapp 50 Jahren mühsam abgerungen wurde und die weltweit als Vorbild für die Regelung von Minderheitenrechten gilt. Eher kann sich Kompatscher als Partner die rechte Lega Nord vorstellen, obwohl die der Südtiroler Autonomie feindlich gesinnt ist. Aber die Lega ist Favorit der italienischen Wähler in Südtirol und dürfte erstmals in den Bozener Landtag einziehen. Die Autonomieregelung schreibt vor, dass der Regierung Vertreter aller drei Sprachen – deutsch, italienisch, ladinisch – angehören müssen.
Obwohl Südtirol zu den reichsten Wohlstandsregionen der EU zählt, sind die ethnischen Spannungen nach wie vor spürbar. Die rund 520000 Einwohner – Deutsche (62 Prozent), Italiener (23) und Ladiner (4) – leben eher neben- als miteinander. Der italienische Innenminister Matteo Salvini heizte die Spannungen wieder an: Die Südtiroler befürchten, dass die Europafeindliche Politik und Schuldenmacherei in Rom die Exportwirtschaft und ihren Wohlstand gefährden. Zudem garantiert nur der Schengenvertrag, dass die politisch einstmals brisante Brennergrenze zu Nordtirol offen bleibt.
Auch die FPÖ heizte die Spannungen an. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bietet den deutschsprachigen Südtirolern neben der italienischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft an – ohne nennenswerten Widerspruch von Kanzler Sebastian Kurz. Aus Rom hagelte es geharnischte Drohungen gegen die Autonomie und anti-deutsche Ressentiments. Salvini warnte seinen Wiener Busenfreund Strache: „Nur Italien entscheidet, wer Pässe an Italiener vergibt.“Kompatscher, zunächst Befürworter einer Doppelstaatsbürgerschaft, ruderte zurück: Wenn Revanchismus im Spiel sei, der die Volksgruppen trenne, sei er dagegen.