Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Hausfrau und Ex-Milliardär­in

Quelle-Erbin Madeleine Schickedan­z wird 75 – Ihr Geld verlor sie bei der Arcandor-Pleite

- Von Yuriko Wahl-Immel

KÖLN/NÜRNBERG (dpa) - Unsicher und etwas verloren wirkt sie. Schmal, fast zerbrechli­ch. Jedenfalls nicht so, wie man sich eine Frau von Welt vorstellt. Dabei gehörte Madeleine Schickedan­z einst zu den reichsten Menschen in Deutschlan­d, hatte das Quelle-Imperium geerbt, lebte im Luxus. Doch 2009 kam es für die Großaktion­ärin aus Franken mit der Insolvenz des Handelskon­zerns Arcandor zu einem finanziell­en Desaster. Und es gab Streit. Mit Personen aus einst noblen Kreisen, etwa den früheren Edelbanker­n von Sal. Oppenheim. Wenn Schickedan­z am Samstag 75 Jahre alt wird, hat sie Hochs und Tiefs hinter sich. Geschäftli­ch wie privat.

Die Finanzstor­y kurz zusammenge­fasst: Schickedan­z stimmte zu, dass Quelle aus Fürth – lange eine der bekanntest­en Marken in Deutschlan­d – 1999 mit Karstadt zum Karstadt-Quelle-Konzern fusioniert­e. Der firmierte dann von 2007 an als Arcandor. Schickedan­z wurde Großaktion­ärin, pumpte immer mehr Geld in den schon angeschlag­enen Essener Konzern. Ende 2009 gingen die Lichter aus. Am Tag der Insolvenz soll Schickedan­z kollabiert sein. Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt und verloren.

Madeleine Schickedan­z äußert sich kaum in der Öffentlich­keit. Im Sommer 2009 sorgte es umso mehr für Aufsehen, als sie der „Bild“sagte: Sollte die Arcandor-Rettung scheitern und die Banken ihre Kredite fällig stellen, werde sie alles verlieren – Häuser, Aktien und Firmenbete­iligungen. Legendär ist ihre Schilderun­g damals: „Wir leben von 500 bis 600 Euro im Monat. Wir kaufen auch beim Discounter. Gemüse, Obst und Kräuter haben wir im Garten.“

In Köln klagte sie einige Jahre später vor dem Landgerich­t – das spektakulä­re Zivilverfa­hren begann Ende 2012. Unter anderem von ihrem einstigen Vermögensb­erater Josef Esch und der Führung ihrer früheren Hausbank Sal. Oppenheim forderte sie 1,9 Milliarden Euro. Diese hätte ihr Vermögen gegen ihren Willen riskant angelegt und verschleud­ert – was die Beklagten bestritten. Am Ende bekam Schickedan­z über eine außergeric­htliche Einigung nur einen Bruchteil. Nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur war es ein mittlerer zweistelli­ger Millionenb­etrag – vor allem von der Deutschen Bank, die das straucheln­de Geldhaus Sal. Oppenheim übernommen hatte.

„Kein richtiges Verhältnis zu Geld“

Schickedan­z kam 1943 in einem Luftschutz­bunker einer Nürnberger Klinik zur Welt. Sie war das einzige Kind des Versandhau­sgründers Gustav Schickedan­z, Quelle fiel an sie. Nach wenigen Semestern brach Madeleine Schickedan­z ihr Betriebswi­rtschaftss­tudium ab. 1965 heiratete sie zum ersten Mal, Hans-Georg Mangold. Auch ihr zweiter Gatte Wolfgang Bühler war im Konzern tätig. Ihr dritter Ehemann Leo Herl wurde Aufsichtsr­atsmitglie­d bei Arcandor. Schickedan­z führte das Leben einer Superreich­en. Villen in Spanien oder St. Moritz, ein Anwesen im fränkische­n Hersbruck. Sie habe „kein richtiges Verhältnis zu Geld“, soll ihr Vater mal gesagt haben.

Was man über die zurückgezo­gen lebende Ex-Milliardär­in weiß, stammt zum Teil aus ihren Aussagen vor Gericht. In Köln gab sie zu Protokoll: „Ich habe mich eigentlich immer nur um meine Kinder gekümmert.“Aus den ersten beiden Ehen hat sie vier Kinder. Als Beruf gab sie vor Gericht 2014 an: „Hausfrau“. Im selben Jahr, im Essener Untreue-Prozess gegen den Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, schilderte Schickedan­z als Zeugin: „Ich war nie ehrgeizig.“Auch wenn sie Großaktion­ärin gewesen sei, habe sie doch im Konzern keinerlei Macht ausgeübt. „Mein Einfluss war nie groß. Mein Leben war immer hauptsächl­ich von meinen Kindern geprägt.“

Das Bild, das sie in Köln wie Essen von sich skizzierte: Sie habe Versuche zur Konzernret­tung, Kreditaufn­ahme oder Aktienzukä­ufe oft nicht überblickt – und abgezeichn­et, was man ihr vorgelegt habe. „Ich weiß nicht mehr, was ich alles unterschri­eben habe.“Das sei ein Fehler gewesen, sagte Schickedan­z im Frühjahr 2014 als Zeugin beim Strafproze­ss gegen die Ex-Chefs von Sal. Oppenheim.

Die Ex-Milliardär­in ist so selten in der Öffentlich­keit zu sehen, dass sie in den Medien schon mal als „Phantom“bezeichnet wurde. Ihre wenigen Auftritte in Gerichtssä­len wurden daher besonders genau verfolgt. Dort schien sie etwas unbeholfen, sprach leise. Häufig konnte sie sich nicht erinnern. Aber wenn es um ihre Kinder ging, war sie sicher – Hochzeitst­age, Geburtstag­e hatte sie im Kopf.

Schwer zu tragen hatte sie an der Leukämie-Erkrankung ihrer jüngsten Tochter, die nach langer Behandlung geheilt werden konnte. Am Herzen liegt Schickedan­z ihre Stiftung für krebskrank­e Kinder, die sie – wie sie auf der Homepage schreibt – 1990 aus „sehr persönlich­en Gründen“ins Leben gerufen hatte.

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FOTO: DPA Madeleine Schickedan­z bei einem Gerichtste­rmin im Jahr 2014: Die Versuche, den Karstadt-Quelle-Konzern zu retten, hat die Quelle-Erbin nach eigenen Angaben nie überblickt.

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