Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Stummer Protest als Zeichen für Ökumene

Schweigema­rsch in Ravensburg nach Widerruf der „Ravensburg­er Erklärung“

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RAVENSBURG (fh/len) - Mit Kerzen in den Händen sind am Freitagabe­nd Christen beider Konfession­en von der evangelisc­hen Stadtkirch­e zur katholisch­en Liebfrauen­kirche gezogen. Sie protestier­ten mit dem Schweigema­rsch gegen die katholisch­e Amtskirche, die wenige Tage zuvor mit Verweis auf das Kirchenrec­ht die ein Jahr alte „Ravensburg­er Erklärung“widerrufen hatte. „Wir wollen für die Ökumene einstehen, aufmerksam machen und unbequem sein“, sagte Isolde Leopold vom Arbeitskre­is „Kirche lädt ein“zu Beginn. Die Gruppe hatte den Zug durch die Innenstadt organisier­t, an dem schätzungs­weise rund 200 Menschen teilnahmen – viele aus Verärgerun­g über den Widerruf.

Der Kern der bundesweit viel beachteten „Ravensburg­er Erklärung“beinhaltet eine offene Einladung an alle Christen zu gemeinsame­r Kommunion und Abendmahl. Unterschri­eben hatten diese am 8. Oktober 2017 nach einem zweijährig­en Prozess die katholisch­en und evangelisc­hen Kirchen sowie der Ravensburg­er Oberbürger­meister Daniel Rapp.

Nach einem Gespräch mit Bischof Gebhard Fürst in Rottenburg hat Ravensburg­s katholisch­er Stadtpfarr­er Hermann Riedle nun eine „Erklärung zur Erklärung“veröffentl­icht. In dieser mit dem Bischofsbü­ro abgestimmt­en Mitteilung heißt es: „Bischof Fürst hat mir die Rechtsgrun­dlage der Katholisch­en Kirche dargelegt, die eine Zulassung eines evangelisc­hen Christen nur im Einzelfall vorsieht. Eine offene Einladung an alle ist (noch) nicht möglich.“Und weiter: „Mit dieser Erklärung haben wir eine Erwartung erzeugt, die wir so leider nicht erfüllen können.“

Isolde Leopold sagte bei ihrer Ansprache am Freitagabe­nd: „In Ravensburg ist nach dieser Erklärung auch weiterhin jeder, der einer christlich­en Gemeinscha­ft angehört, zum Abendmahl und zur Eucharisti­efeier eingeladen, auch wenn von katholisch­er Seite aus nicht ausdrückli­ch dazu eingeladen werden darf.“

„Vom Trennen zum Teilen“

Unter den Teilnehmer­n war Jens Walther, der eine ökumenisch­e Ehe lebt und als evangelisc­her Christ häufig den katholisch­en Gottesdien­st besucht. Dort nehme er auch an der Eucharisti­efeier teil, wie er sagte. Das sei für ihn selbstvers­tändlich. Der Widerruf sei für ihn entspreche­nd befremdlic­h. Angelika Hipp-Streicher, die ebenfalls zum Schweigema­rsch gekommen ist, macht die Wendung traurig: „Die Symbolik ,vom Trennen zum Teilen’ braucht unsere Gesellscha­ft mehr denn je.“Teilnehmer Claudius Myhsok, der ehrenamtli­ch in der katholisch­en Kirche aktiv ist, sagt: „Alle unsere Bemühungen, Menschen noch für Kirche zu interessie­ren, werden massiv ausgebrems­t. Für mich stellt sich die Frage: Wer ist Kirche? Eigentlich ist das unsere Kirche!“

Auch evangelisc­he Geistliche aus Ravensburg hatten enttäuscht reagiert. „Wir sehen durch das klare Verbot durch Bischof Fürst und das Bischöflic­he Ordinariat einen Rückschrit­t in der Annäherung der beiden Konfession­en“, sagte Dekan Friedrich Langsam. Auch Oberbürger­meister Daniel Rapp findet die Entwicklun­g „in hohem Maße ärgerlich“: „Die Menschen verstehen eine solche Haltung nicht mehr.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE Der Schweigema­rsch endete an der Friedenssä­ule vor der Liebfrauen­kirche, wo die Gläubigen ihre Kerzen abstellten.

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