Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Gut aussehen reicht nicht
VfB-Trainer Markus Weinzierl will gegen Dortmund punkten – und erhält ein Lob
STUTTGART - Wäre die Fußball-Bundesliga ein Catwalk, der VfB Stuttgart hätte plötzlich wieder glänzende Aussichten, in die Champions League einzuziehen. In einer Umfrage wurde der neue Trainer Markus Weinzierl soeben zum drittattraktivsten Übungsleiter hinter Pep Guardiola und Joachim Löw gewählt, bloß: Ein männliches Aussehen, ein markanter Dreitagebart und ein cooles T-Shirt haben in der Menschheitsgeschichte bis dato noch nie eine Familie ernährt und auch noch nie ein Spiel gewonnen. Anders gesagt: Auch schöne Buben sollten ab und zu den Müll rausbringen, sonst wird’s eng.
Immerhin: Weinzierl, 43, reagierte am Freitag mit Humor auf die Schmeichelei von außen und die ganz private Beautytabelle: „Ich habe vorher gesagt, ich will jeden Wettbewerb gewinnen. Ich werde mich bemühen, aber ich weiß nicht, wie es in dem Alter noch geht.“
Gut aussehen will der VfB jedenfalls auch gegen Borussia Dortmund, den Tabellenführer, der zuletzt einen Fußball spielte, der zirka zwölf Bewusstseinshemisphären über dem doch eher dürftigen des Ligaletzten lag. Für Präsident Wolfgang Dietrich kommt das Spiel allerdings zur perfekten Zeit. „Ich bin ja ganz froh, dass wir jetzt gegen Dortmund spielen. Also gegen einen der Großen. Bayern wär auch okay gewesen. Da kann man jetzt auch mal mit Würde verlieren. Für Tayfun Korkut aber wäre das ein Schicksalsspiel geworden.“
So wurde – in der ureigenen VfBLogik – Hannover das Schicksalsspiel für Korkut. Weinzierl will heute übrigens weder in Würde verlieren noch allein gut aussehen, er will mit dem Punktesammeln anfangen – wohlwissend, dass die Aufgabe eine Woche später in Hoffenheim nicht leichter werden dürfte. Es sei „definitiv möglich“, den BVB zu besiegen, sagte der Bayer. „Sie werden von mir immer hören, dass ich das Spiel gewinnen will.“ Wie, bleibt allerdings die Frage bei einem Verein, der aufgrund einer Krankheit namens Ungeduld gepaart mit Planlosigkeit in den letzten zehn Jahren schneller die Trainer wechselte als der extrem gutaussehende Leonardo DiCaprio seine Freundinnen. Weinzierl sagte, er habe „von einem Trainerfresserverein gelesen, das finde ich witzig“. Wäre er in einem Jahr der nächste, der gehen muss, fände er es vermutlich weniger witzig.
Stevens warnt Weinzierl
Er wisse natürlich, dass es in manchen Vereinen „schneller unruhig wird. Aber ich werde daran arbeiten, dass schnell die Ergebnisse stimmen“, kündigte der Trainer an. Viel Zeit blieb ihm nicht, um das Team um Kapitän Christian Gentner auf seine Spielidee einzuschwören. Durch die Länderspiele habe er nur zwei Tage mit dem kompletten Kader trainieren können, „um unsere Abläufe reinzubekommen. Wir haben mehr Wert auf Offensive gelegt“, sagte Weinzierl. Vor allem Torjäger Mario Gomez soll besser in Szene gesetzt werden, „da haben wir den Hebel angesetzt“. Ähnlich wie Korkut gehe es ihm aber „nicht um ein Offensivspektakel. Basis ist immer die Defensive.“Zumal der BVB um Marco Reus, der am Donnerstag erstmals Vater wurde, zuletzt vier Tore im Schnitt erzielte. Vor dem BVB-Sturm habe „jeder zu Recht Respekt“, mahnte Weinzierl. „Wir dürfen nicht ausgekontert werden.“Und doch habe das 4:3 gegen Augsburg gezeigt, „dass sie in der Defensive auch verwundbar sind“. Verzichten muss Weinzierl bei seinem Einstand auf Tassos Donis, Dennis Aogo und Linksverteidiger Borna Sosa, der wegen eines Schambeinleidens mehrere Wochen ausfällt. Der Einsatz von Spielmacher Daniel Didavi (Achillessehne) ist fraglich.
„Noch schaut er gut aus“, habe er über sich gelesen, scherzte Weinzierl noch, aber das kann sich schnell ändern. Vorvorgänger Huub Stevens sagte, Weinzierl werde „schnell merken, dass die Erwartungen in Stuttgart sehr hoch sind. Da gibt es Druck. Das liegt auch an Mercedes, die sehr hohe Erwartungen haben. Sie lassen dich arbeiten und mischen sich nicht ein, aber du spürst diesen Druck.“Am Ende seines ersten Abstiegskampfs, räumte Stevens ein, sei er kurz vor dem Burnout gestanden. Er ging dann freiwillig, bevor er gegangen wurde.