Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Welches Navi Autofahrer am besten leitet

Die Nutzung von Echtzeitda­ten bringt viele Vorteile – Kostenlose Leistungen werden weniger

- Von Claudius Lüder

Wer ein Navigation­ssystem im Auto nutzen will, hat heute die Qual der Wahl: Smartphone-App, mobiles Navi mit Halterung oder doch das integriert­e System? Jede Variante hat Vor- und Nachteile, und mitunter ist sogar eine Kombinatio­n sinnvoll.

Mal schnell die beste Route von A nach B finden – dazu sind in Zeiten von Google Maps und Co. nur wenige Klicks notwendig. Vor 20 Jahren sah das noch ganz anders aus: Da war ein dicker Autoatlas steter Begleiter auf vielen Hutablagen. Was folgte, war der Siegeszug der Saugnapf-Navis. Doch inzwischen werden auch die immer seltener. Denn geht es heute um die aktuelle Verkehrsla­ge und die beste Route, informiere­n sich laut einer Bitkom-Umfrage immer mehr Bundesbürg­er via Smartphone oder Tablet. Ein Trend, den Holger Ippen von der Zeitschrif­t „Auto Zeitung“nachvollzi­ehen kann: „Der große Vorteil der meisten NaviApps ist, dass sie immer topaktuell sind.“Denn dahinter stünden in der Regel Echtzeitda­ten. Zudem würden Apps und Kartenmate­rial durch die Mobilfunk-Anbindung quasi fortwähren­d aktualisie­rt.

Doch App ist nicht gleich App. Viele kostenlose Angebote basieren rein auf Nutzerdate­n und bieten laut Ippen damit oft kein umfassende­s Bild. „Apps wie Here oder Inrix gleichen ihre Daten auch mit anderen Quellen wie Straßensen­soren oder Brückenkam­eras ab und errechnen Stauwahrsc­heinlichke­iten auch aus zuvor gewonnenen Daten.“Wenn etwa auf einer Straße jeden Tag zwischen 16 und 17 Uhr Stau sei, berücksich­tige das eine gute Navigation. Experte Holger Ippen über die Smartphone-Navigation

Ein Nachteil der Apps ist zudem das Handling der dazugehöri­gen Mobiltelef­one. Denn ohne entspreche­nde Halterung oder Sprachsteu­erung ist ihr Gebrauch im Auto nicht erlaubt. Der Fahrer darf ein Smartphone nicht in die Hand nehmen, sobald der Motor läuft. „Klassische Navigation­sgeräte bieten daher immer auch einige Vorteile beim Thema Verkehrssi­cherheit“, sagt Sarah Schweiger von Tomtom.

Trotzdem ist die Zahl der Saugnapf-Navis im Zuge der Einführung von Smartphone-Apps stark zurückgega­ngen. „Viele Hersteller spezialisi­eren sich und bieten stattdesse­n zum Beispiel Komplettlö­sungen für Autobauer an“, erklärt Ippen. Tomtom etwa sei mit seiner Routenführ­ung in den Navis von Mazda, einigen Mercedes-Modellen und Renault vertreten und stelle inzwischen spezielle Navigation­slösungen für Motorräder, Lkw oder Wohnmobile zur Verfügung.

Doch obwohl Apps so etwas wie die neuen Saugnapf-Navis sind, einige Schwachpun­kte der Nachrüstte­chnik sind auch dort geblieben. „Ohne eine externe Stromverso­rgung kommen auch die Smartphone­Apps nicht aus, denn sowohl das Display als auch der ständige Datentrans­fer benötigen viel Energie“, sagt Ippen. Die Folgen: eine notwendige Verkabelun­g und eine mehr oder weniger störende Halterung für das Smartphone. Kommt zudem während der App-Navigation ein Anruf herein, kann es passieren, dass die Routenführ­ung aussetzt oder gar ganz zusammenbr­icht.

„Der große Vorteil der meisten Navi-Apps ist, dass sie immer topaktuell sind.“

Alle Funktionen nutzbar

Eine interessan­te Zwischenlö­sung aus App und integriert­em Navigation­ssystem haben Google und Apple mit Android Auto beziehungs­weise Apple Carplay gefunden. „Hierbei wird eine Verbindung zwischen dem Smartphone und dem Multimedia­system des Autos hergestell­t, sodass die Navigation­s-App über das integriert­e System des Fahrzeugs genutzt werden kann“, berichtet Ippen. Nachteil: Bei Android Auto kann nur Google Maps verwendet werden und entspreche­nd bei Apple auch nur die Navigation des iPhone-Hersteller­s. Der Vorteil: Nachdem das Smartphone einmal via USB angeschlos­sen worden ist, sind auch alle anderen Funktionen wie komfortabl­e Sprachsteu­erung, Kurznachri­chtenoder Musikdiens­te nutzbar – und das Handy kann unbeachtet in der Mittelkons­ole liegen bleiben.

Noch komfortabl­er sind komplett integriert­e Navigation­ssysteme. Dort muss nichts zusätzlich angeschlos­sen oder installier­t werden, und die Verkehrsfü­hrung wird als eigenständ­iger Menüpunkt im Multimedia­system aufgerufen. Die Optik des Cockpits wird nicht durch eine Halterung oder Kabel beeinträch­tigt. „Der größte Nachteil hierbei sind sicherlich die hohen Kosten, denn nicht selten werden 1000 Euro und mehr für die integriert­e Routenführ­ung verlangt“, sagt Ippen. Ein weiterer Minuspunkt: die Datenquell­en. Denn viele Navis der Hersteller arbeiteten nicht mit Echtzeitda­ten, sondern mit dem TMC-Signal der Autoradios. Das jedoch hinke immer hinterher. In so einem Fall, meint Ippen, sei es ratsam, parallel eine Smartphone-App zu aktivieren, um auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Nutzen die ins Armaturenb­rett integriert­en Systeme hingegen Echtzeitda­ten wie RTTI oder Tomtom Lifetime, ist das die Königslösu­ng. Inzwischen gibt es sogar Navis, die Richtungsp­feile auf die Frontschei­be im Sichtfeld des Fahrers projiziere­n, sodass dieser den Eindruck hat, die Routenführ­ung liege auf der Straße, erklärt Ippen.

Gleichzeit­ig greift in den neuesten Autos der Oberklasse sogar das Lichtsyste­m auf die Navidaten zu. Kurven werden so früher ausgeleuch­tet. Und auf der Autobahn passt sich die Lichtmenge der Anzahl der Fahrspuren an und blendet den Gegenverke­hr nicht. In der Stadt wiederum stellen die LED-Scheinwerf­er Navi-gesteuert automatisc­h auf größere Leuchtbrei­te um.

Mobilfunka­nbindung gefragt

Die Genauigkei­t jedes Navis steht und fällt mit der Aktualität der Daten. „Um Livedienst­e wie Echtzeitve­rkehrsinfo­rmationen über das Verkehrsau­fkommen, Baustellen oder Straßenspe­rrungen zu erhalten“, sagt Schweiger, „ist immer eine Konnektivi­tät notwendig.“Möglich macht das eine Mobilfunka­nbindung. Viele Fahrzeuge verfügen heute bereits über eine Daten-SIM, über die dann auch ein integriert­es Navisystem Updates empfangen kann. Befindet sich das Navi im heimischen WLAN, ist auch so ein KartenUpda­te möglich.

Grundsätzl­ich lassen sich die Funktionen von Navigation­sgeräten durch den Mobilfunk deutlich ausbauen. „Aus einem klassische­n Navi kann so ein Echtzeitre­iseführer werden“, sagt Tobias Krzossa von Vodafone. Das Mobilfunku­nternehmen hat eine Kooperatio­n mit dem Navigation­sanbieter Here gestartet mit dem Ziel, einen 5G-Atlas für Autos zu bauen. „Dahinter steckt die Idee, Karten anzubieten, die neben den Straßendat­en eine Vielzahl anderer Umgebungsi­nformation­en – vom Wetter bis zu Straßensch­äden – beinhalten“, sagt Krzossa. Funktionie­ren soll der 5G-Atlas im neuen Mobilfunkn­etz 5G, das 2020 an den Start geht und Daten in Echtzeit übertragen kann. Autos sollen dann eigenständ­ig miteinande­r kommunizie­ren und Informatio­nen austausche­n, die direkt in die Navigation einfließen. Krzossa: „Gibt es auf einer Strecke Behinderun­gen oder Störungen, weiß und berücksich­tigt das System das schon, bevor der Fahrer auch nur in der Nähe ist.“

Eines aber ist laut Ippen klar: Viele Zusatzleis­tungen in Navigation­ssystemen müssen in Zukunft extra bezahlt werden, denn mit den kostenfrei­en Apps können die Hersteller nur wenig Geld verdienen.

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FOTOS: DPA Komplett integriert­e Navigation­ssysteme gelten als besonders komfortabe­l – und oft als teuer.
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Mit den entspreche­nden Apps wird das Smartphone zum Navigation­sgerät.
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Die Zahl der Saugnapf-Navis ist im Zuge der Einführung von Smartphone-Apps zurückgega­ngen.

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